Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der DFB-PK am Tag nach der Viertelfinal-Niederlage

DFB zieht Bilanz Einigkeit und Spirit und ein Hauch Politik

Stand: 06.07.2024 16:52 Uhr

Drei hochrangige Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes haben ihre Bilanz der EM und der Monate zuvor gezogen. Es ging bisweilen staatstragend zu. Beschworen wurde die Einigkeit, es ging sogar ein bisschen um Politik.

Von Marcus Bark, Herzogenaurach

Die Annahme, dass sich Fußballprofis und auch in der Branche tätige Funktionäre zu ihrem Geburtstag am sehnlichsten einen Sieg ihrer Lieblingsmannschaft wünschen, ist weit verbreitet. Die Lieblingsmannschaft von Bernd Neuendorf ist qua Amt die deutsche Nationalmannschaft, denn er ist Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Neuendorf wurde am Samstag (06.07.2024) 63 Jahre alt, und die Annahme war daher, dass er traurig ist, weil seine Lieblingsmannschaft ihm den Wunsch nicht erfüllte.

Neuendorf mit Gefühl, dass "Leute im Rausch waren"

Klar, er hätte gerne auf einen Sieg gegen Spanien im Viertelfinale angestoßen, aber er sagte: "Ich fühle mich insgesamt beschenkt durch dieses Turnier." Es sei "herausragend gelungen", Mannschaft und Fans wieder zu koppeln. "Ich habe das Gefühl, dass die Leute richtig in einem Rausch waren", sagte er, was ihn besonders bewegt habe, sei der Moment in der zweiten Halbzeit gewesen, als "ein Stadion die Nationalhymne anstimmt".

Es ging am Samstag in Herzogenaurach durchaus staatstragend zu, als der Präsident zusammen mit dem Sportdirektor und dem Bundestrainer eine Bilanz zog nach den Wochen der EM und den Monaten ihres Triumvirats. Tenor war, dass es jetzt allen besser gehe, der Nationalmannschaft sowieso, den Fans erst recht, auch der DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) seien wieder geeint.

"Wenn ich in der Vergangenheit vom 'Spirit' hörte, habe ich das oft empfunden, als sei es ein bisschen gespielt. Hier war das anders", sagte Sportdirektor Rudi Völler, der schon einen Geburtstag mehr als der Präsident und viel mehr Turniere erlebt hat, als Spieler wie auch als Teamchef.

Präsident und Sportdirektor sehen als Grund für den Stimmungswandel auf so vielen Ebenen vor allem Julian Nagelsmann, der im September 2023 die Nationalmannschaft übernahm. "Er hat für mich das Amt des Bundestrainers neu definiert, er hat eine unheimliche Energie und einen unheimlichen Spirit", sagte Neuendorf.

Nagelsmann war - wie schon am Vorabend in Stuttgart - sichtlich bewegt. "Ich kämpfe mit den Tränen", sagte er zu Beginn. "Wir hätten den Fans gerne mehr gegeben, gerne den Titel", sagte er und berichtete, dass auch viele Spieler mit den Tränen zu kämpfen gehabt hätten, als sie sich nach einer langen Nacht - "wohlgemerkt ohne Alkohol" - aus dem Basiscamp in Mittelfranken voneinander verabschiedet hätten.

"Wichtig ist, alle Menschen zu integrieren"

Julian Nagelsmann hat am 23. Juli Geburtstag, das ist gar nicht mehr so lange hin. Vermutlich wird er dann Urlaub machen, denn er bat um Verständnis, dass er nun "ein bisschen brauche", um Enttäuschungen, Eindrücke, Elfmeter und nicht gegebene Elfmeter zu verarbeiten. Seinen großen Wunsch erneuerte er, den hatte er auch in Stuttgart schon geäußert. Die Deutschen sollten nicht alles so negativ sehen, nicht immer nur Tristesse beschwören, sondern gemeinsam einen Weg zu finden, der glücklich mache.

"Wenn der Nachbar die Hecke schneidet, ist er schneller fertig, wenn ihm geholfen wird", sagte Nagelsmann, "wichtig ist, alle Menschen zu integrieren, zu einen, dass sie sich hier wohlfühlen." Wer wollte, hörte hier eine politische Botschaft, eine der wenigen in diesen Wochen, die aus dem deutschen Lager kamen.