Frust nach dem Spiel bei Thomas Müller, Deniz Undav (l.) und Toni Kroos (r.)
analyse

Aus im Viertelfinale gegen Spanien DFB-Team - ein bisschen Stolz und reichlich Pathos

Stand: 06.07.2024 07:26 Uhr

Es ist "ein anderes Ausscheiden" gewesen als bei den Turnieren zuvor, hat Joshua Kimmich gesagt. In die Enttäuschung über die Niederlage gegen Spanien (05.06.2024) im Viertelfinale der EURO 2024 mischte sich bei der deutschen Nationalmannschaft ein bisschen Stolz und reichlich Pathos.

Die Kisten waren verstaut, die Klappe des Gepäckfachs aber noch geöffnet. So nutzten Jamal Musiala und Assistenztrainer Sandro Wagner in lauschiger Nacht die Ablagefläche als Sitzgelegenheit. Andere Spieler lehnten am Mannschaftsbus, stierten entweder auf ihre Handys oder einfach nur auf den nackten Beton des Stuttgarter Fußballstadions, hinter dem ihr Traum geplatzt war. "Wir hätten mehr verdient gehabt", sagte Manuel Neuer, der in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten entscheiden will, ob er ein Nationalspieler bleibt.

Joshua Kimmich macht gewiss weiter. Er hatte nach dem schmählichen Aus bei der WM 2022 in Katar Angst, "in ein Loch zu fallen". Am Freitag (05.07.2024) war sein Blick ebenfalls leer, aber das Aus im Viertelfinale der Heim-EM sei "anders gewesen", sagte Kimmich. "Wir haben den Titel zwar nicht gewonnen, aber doch ein bisschen etwas bewegt", fuhr der Vorbereiter des zwischenzeitlichen Ausgleichstores fort, um letztlich pathetisch zu werden: "Ich glaube, dass jeder voller Stolz die deutsche Fahne rausholen konnte."

Kroos: "Mannschaft hat sich rapide verstärkt"

Einer, der seinen Rücktritt schon längst angekündigt hatte, sprach von einem "bisschen Stolz", der ihn trotz der Enttäuschung erfülle. "Die Mannschaft hat sich in den vergangenen Wochen rapide verstärkt. Wir waren deutlich näher am Titel als uns das manche zugetraut hätten", sagte Toni Kroos. 

Sein letzter Freistoß landete in den Händen von Spaniens Torwart Unai Simón, einer seiner letzten Zweikämpfe ging verloren, das erlaubte den Seitenwechsel, die Flanke, den Kopfball von Mikel Merino, der eine glanzvolle Karriere beendete.

Es war ein mäßiges Spiel von Kroos, der glücklich sein durfte, erst spät eine Gelbe Karte gesehen zu haben, denn schon vorher erlaubte er sich zwei Fouls, die eine Verwarnung verdient gehabt hätten. Julian Nagelsmann ließ seinen Taktgeber auf dem Platz, auch die Rückenbeschwerden, die Kroos seit Wochen latent behindern, und die "Krämpfe, die nicht weniger wurden", änderten nichts an der Einstellung des Bundestrainers. Gegen Ende war es zu spät, denn Nagelsmann hatte seinen bei einer Verlängerung möglichen sechsten Wechsel schon bei erster Gelegenheit ausgeschöpft.

Nagelsmann korrigiert seine Aufstellung

Mehr als die Hälfte der deutschen Spieler waren also bei Abpfiff andere als beim Anstoß. Die ersten Korrekturen nahm der Bundestrainer schon zur zweiten Halbzeit vor. Er brachte Robert Andrich für Emre Can und Florian Wirtz für Leroy Sané. In der zweiten Halbzeit wurde das deutsche Spiel besser, druckvoller, dynamischer. Das mag zu einem gewissen Grad an den Wechseln gelegen haben. Aber auch der Rückstand durch den Treffer von Dani Olmo in der 51. Minute könnte die Ursache gewesen sein, denn danach wirkte die Mannschaft so, als sei sie befreit von der Last, selbst gegen die bis dahin beste Mannschaft des Turniers etwas verlieren zu können.

"Die bessere Mannschaft hat verloren", sagte Kimmich, und Nagelsmann verstieg sich sogar zu der Aussage: "Ab der 60. Minute waren wir die klar bessere Mannschaft." Nur seine Elf habe in der Verlängerung gewinnen wollen, ein Handelfmeter sei ihr "für mich nicht nachvollziehbar" verwehrt worden, Chancen seien zuhauf erspielt worden.

"Erfolg ist kein Glück" - ist Misserfolg Pech?

"Erfolg ist kein Glück", der Song des Rappers "Kontra K" war der Mottosong der deutschen Mannschaft für die Europameisterschaft. Im Umkehrschluss ist Misserfolg kein Pech, und es ist eine Qualität, gute Chancen effizient zu verwerten. In dieser Kategorie waren die Spanier den Deutschen voraus.

"Unser Land, das viel zu oft in Tristesse verfällt, haben wir gemeinsam aufgeweckt", wurde auch Nagelsmann noch pathetisch. "Das Traurige ist, dass wir jetzt zwei Jahre warten müssen, um Weltmeister zu werden", sagte er auch, und merkte schnell, dass dies dann doch "eine gefährliche Aussage" sei.