Tote und Verletzte bei Fußballspielen

Starkregen und gefährliche Blitze: Wieso Stadien besser vor Extremwetter geschützt werden müssen

Das Fußballspiel zwischen Deutschland und Dänemark musste am Samstag wegen des Unwetters unterbrochen werden.

Das Fußballspiel zwischen Deutschland und Dänemark musste am Samstag wegen des Unwetters unterbrochen werden.

Die dänischen Fans freuten sich über ihre kostenlose Dusche. Das Dach über den Zuschauerrängen konnte den Starkregen beim Fußballspiel ihrer Mannschaft gegen Deutschland nicht aufhalten. Wassermassen stürzten folglich auf die Tribünen des Dortmunder Signal Iduna Parks, einige Fans wurden klitschnass, wenn sie nicht rechtzeitig vor den Sturzbächen flüchten konnten oder wollten. Einige Dänen tanzten mit freiem Oberkörper unter dem Wasserfall – und selbst der nahe Blitzeinschlag samt Donnerknall brachte das Stadium nur für einen Moment zum Schweigen, ehe die Fans weiterjubelten. Als wäre das Gewitter nur ein harmloses Naturspektakel.

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„Falls das Dach offen ist, ist es reiner Zufall, wenn nicht gleich ganz viele Menschen tot sind“

So euphorisch wie so manche Fans blickten Fachleute nicht auf das Extremwetter der vergangenen Tage, von dem auch andere Stadien in Deutschland betroffen waren. Der Signal Iduna Park kam noch vergleichsweise gut davon: Das leere Stadion des Bundesligisten TSG Hoffenheim stand in Sinsheim unter Wasser. Und bei der Europameisterschaft-Partie der Slowakei gegen Rumänien donnerte und schüttete es ebenfalls über dem Frankfurter Stadion – der Knall eines Blitzes war sogar bei der TV-Übertragung in der ARD zu hören. Er schlug im Medienturm des Stadions ein, wie die Polizei der „Frankfurter Neuen Presse“ mitteilte. „Falls das Dach offen ist, ist es reiner Zufall, wenn nicht gleich ganz viele Menschen tot sind“, schrieb der Meteorologe Jörg Kachelmann auf „X“.

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Und tatsächlich blieb das verschließbare Dach des Stadions über dem Spielfeld bei diesem Match offen. Hinsichtlich der Unwetterwarnung war das eine überraschende Entscheidung – zumal das Dach bei einigen Spielen zuvor geschlossen blieb, um den Rasen zu schützen. Schutz benötigen aber laut Kachelmann auch die Spielakteure und Fans, vor allem vor Blitzen. „Es hätte genauso gut den Schiedsrichter treffen können. Oder ein paar Spieler. Oder ein Dutzend Zuschauer“, schrieb er auf „X“. Wenn das Dach zu sei, schrieb er in einer weiteren Nachricht auf der Plattform, sei dagegen alles in Ordnung. Doch was ist dann mit großen Stadien, die gar kein Dach über dem Spielfeld haben?

Blitzeinschläge auf Fußballfelder: Immer wieder werden Spieler und Trainer getroffen

Der Deutsche-Bank-Park in Frankfurt ist als Stadion in Deutschland eher eine Ausnahme. Es ist eines von nur drei Stadien der Europameisterschaft, die ein verschließbares Dach haben – neben Gelsenkirchen und Düsseldorf. Als eines der größten Stadien fehlt etwa dem Stadion des Vereins Borussia Dortmund ein solches Dach. „Durch die große Öffnung in der Mitte eines Stadions kann im ungünstigsten Fall ein Blitz einschlagen“, sagt Thomas Raphael vom Ausschuss Blitzschutz und Blitzforschung des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE).

Große Blitze werden von viel Metall angezogen, der Blitz muss schon äußerst klein sein, damit er genau die Öffnung des Stadions trifft.

Thomas Raphael,

Blitzexperte

Dem Experten zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Blitz genau dort einschlägt, allerdings gering. „Große Blitze werden von viel Metall angezogen, der Blitz muss also schon äußerst klein sein, damit er genau die Öffnung des Stadions trifft“, sagt Raphael. Die Wahrscheinlichkeit liegt jedoch nicht bei null. Immer wieder kommt es in Fußballstadien weltweit zu Blitzunfällen. 2021 starb ein Trainer während eines Spiels nach einem Blitzeinschlag in einem Stadion in Bulgarien, im Februar wurde ein indonesischer Fußballer bei einer Partie von einem Blitz getroffen und getötet.

Es sind keine Einzelfälle. Laut einer 2009 von Rechtsmedizinern veröffentlichten Studie kam es zwischen 1995 und 2008 zu mindestens neun Blitzunfällen auf Fußballplätzen in Deutschland, bei denen insgesamt 179 Menschen verletzt wurden und einer sein Leben verlor. Selbstverständlich sind nicht nur Fußballplätze von Blitzeinschlägen betroffen: Laut einer Blitzunfallstatistik des VDE kam es zwischen 1979 und 2006 zu 49 Blitzunfällen in Sportstätten in Deutschland, dabei verloren elf Menschen ihr Leben, und 189 erlitten Verletzungen.

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Beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Dänemark schlug ein Blitz in der Nähe des Stadions ein.

Beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Dänemark schlug ein Blitz in der Nähe des Stadions ein.

Mehr Gewitter durch den Klimawandel?

In Zeiten des Klimawandels könnte der Schutz in Stadien vor schweren Gewittern künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Starkregenereignisse durch den Klimawandel häufiger und intensiver auftreten. Ein internationales Team von Klimaforschenden berichtete etwa 2021 in einer Studie, dass Starkregenfälle in Westeuropa durch den Klimawandel um das 1,2- bis Neunfache wahrscheinlicher geworden seien.

Einige Studien legen auch nahe, dass die Häufigkeit von Blitzen durch den Klimawandel zunehmen könnte – zumindest in einigen Teilen der Welt. In den USA sei die Zahl der Blitze im Mittel um 12 Prozent laut einer 2014 veröffentlichten Studie gestiegen. Fachleute der Universität Innsbruck zeigten zudem in einer 2023 veröffentlichten Studie, dass der östliche Alpenraum in Europa häufiger von Blitzen getroffen wird als noch vor einigen Jahrzehnten. Allerdings betonen die Forschenden: Wie sich der Klimawandel auf Blitze auswirkt, ist noch nicht vollständig untersucht. Es lässt sich aber zumindest festhalten, dass von Blitzeinschlägen weiterhin eine Gefahr in Stadien ausgeht – und dementsprechend können weiterhin auch Fußballspiele von Blitzeinschlägen betroffen sein.

ARCHIV - 15.08.2023, Brandenburg, Petersdorf: Blitze eines Gewitters leuchten am Abendhimmel. (zu dpa: «Keine größeren Schäden bei Gewittern in Thüringen») Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Vom Blitz getroffen: Wie hoch sind die Überlebenschancen?

Immer wieder schweben Menschen in Lebensgefahr, nachdem sie Opfer eines Blitzeinschlags wurden. Wie oft werden Menschen vom Blitz getroffen, und wie hoch ist die Chance zu überleben? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Verschließbare Dächer schützen Stadien vor Starkregen und Blitzen

Für Zuschauerinnen und Zuschauer ist die Gefahr im Stadion geringer als für die Spielenden, zumindest sofern wenigstens die Tribünen überdacht sind. In den neun untersuchten Fällen der Studie kamen keine Fans zu Schaden. „Das Stadiondach fängt Blitzeinschläge ab und leitet sie in die Erde ab“, sagt Raphael. Ein Blitzeinschlag auf dem Spielfeld gefährdet dagegen Spielerinnen und Schiedsrichter. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) warnte 2013, dass ein feuchter Rasen die Ladung des Blitzes über den Spielplatz verteilen kann, wodurch sie mehrere Fußballerinnen oder Fußballer erreichen kann. Ein klitschnasser Rasen wie der im Dortmunder Stadion beim EM-Spiel der Nationalmannschaft kann die Elektrizität also wunderbar leiten. Gefährdet seien laut DFB bei einem Blitzeinschlag auch Zuschauende, die sich in der Nähe von Metallgittern oder ‑zäunen aufhielten.

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Ein verschließbares Dach zahlt sich für Stadien in zweifacher Hinsicht aus. Erstens können große Wassermassen wie die zuletzt in Dortmund und Sinsheim vermieden werden. Schließlich leiden auch die Spielerinnen oder Spieler unter dem nassen Rasen: die Rutschgefahr steigt, das Spiel verliert an Fahrt und wird oft defensiver. Und zweitens kann das Dach vor Blitzeinschlägen auf dem Spielfeld schützen. Solche Dachkonstruktionen kosten mehrere Millionen Euro, aber sie können die Sicherheit der Menschen erhöhen. Das gilt gerade auch für Konzerte, in denen sich Tausende Menschen im Inneren der Stadien versammeln.

Wenn zwischen Blitz und Donner weniger als 30 Sekunden vergehen, sollten sich alle Menschen in Sicherheit bringen.

DFB zum Verhalten bei Blitzen während eines Spiels

Wenn keine solchen Blitzschutzmaßnahmen vorhanden sind, müssen Menschen in Stadien anderweitig vor Gewittern geschützt werden. Grundsätzlich gilt bei Fußballspielen die sogenannte „30/30″-Regel, wie der DFB auf seiner Seite informiert: „Wenn zwischen Blitz und Donner weniger als 30 Sekunden vergehen, sollten sich alle Menschen in Sicherheit bringen.“ Das heißt, dass Spielerinnen und Spieler, Fans und alle anderen Akteure die ungeschützten Bereiche – vor allem das Spielfeld – verlassen müssen und sich in Schutzbereiche begeben müssen. Erst wenn eine halbe Stunde lang kein Donner mehr wahrgenommen wird, könne davon ausgegangen werden, dass das Gewitter vorbei ist, informiert der VDE in einem Merkblatt für Fußballspiele. Auch Veranstaltungen wie Konzerte müssen laut VDE bei Gewittern unter bestimmten Bedingungen unter- oder abgebrochen werden.

„Wir tun uns als Gesellschaft schwer, große Events wegen des Wetters abzusagen“

In der Realität reagieren Veranstalter jedoch oft nicht richtig auf Gewitter. Das Konzert der Band „Metallica“ lief etwa im Mai in München trotz eines Gewitters weiter. Und das EM-Spiel der Slowakei gegen Rumänien in Frankfurt wurde ebenfalls nicht unterbrochen – trotz des Blitzeinschlags. „Wir tun uns als Gesellschaft schwer, große Events wegen des Wetters abzusagen“, bedauert Raphael. Dem Gewitter sei es aber egal, dass gerade ein großes Fußballspiel oder Konzert stattfindet – und notfalls müsse es unterbrochen oder abgesagt werden, um die Personen auf der Spielfläche zu schützen. „Wer dazu nicht bereit ist, muss auch die Dachöffnung des Stadions mit technischen Blitzschutzmaßnahmen ausstatten“, so der Experte.

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Außer einem verschließbaren Dach gibt es weitere Maßnahmen, die ergriffen werden können, unter anderem diese: „Die Öffnung in der Mitte eines Stadions kann mit unsichtbaren Metallleitungen geschützt werden, die über das Stadion gespannt sind und Blitze abfangen“, sagt Raphael. Sie haben den optischen Vorteil, dass tagsüber immer noch Licht in das Stadion gelangt. Und günstiger als große Dachkonstruktionen sind sie auch. Vor Starkregen schützen sie allerdings nicht. In Zeiten des Klimawandels dürfte man also künftig vermehrt über verschließbare Dächer für Stadien reden müssen.

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