Ukraine, Russland, China, USA

Viktor Orbans Reisediplomatie: Ein Rechtspopulist auf den Friedensspuren von Sarkozy

Chinas Präsident Xi Jinping trifft Ungarns Premierminister Viktor Orban.

Chinas Präsident Xi Jinping trifft Ungarns Premierminister Viktor Orban.

Brüssel. Viktor Orbans Reisekalender ist prallgefüllt. Der ungarische Regierungschef traf erst Wolodymyr Selenskyj in Kiew und Wladimir Putin in Moskau, reiste am Montagmorgen nach Peking zu Xi Jinping und noch am selben Tag weiter nach Washington. Mit wem er dort vor Beginn des Nato-Gipfels spricht, blieb bis zur letzten Minute geheim. „Die Friedensmission geht weiter“, schrieb Orban bei X. Manch einer vermutet, das nächste Treffen könnte mit Ex-Präsident Donald Trump in Washington sein. Sein Sohn Donald Trump Junior hatte am Sonntag bereits erklärt: „Ministerpräsident Orban möchte, wie mein Vater, den Frieden in die Welt zurückbringen.“

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Es ist eine besondere Situation, in der sich der Rechtspopulist aus Ungarn gerade befindet: Seit Monatsbeginn hat er die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne und will sie nach eigenem Bekunden zu einer „Friedenspräsidentschaft“ machen. Eigentlich ist die Aufgabe, Gesetze voranzutreiben und Kompromisse mit dem Parlament auszuhandeln. Doch Orban will sich damit nicht begnügen. Details aus den Gesprächen mit Putin, Selenskyj und Xi verrät er nicht, spricht immer nur von Frieden. Wie der genau aussehen soll und warum er in wenigen Wochen seiner Ratspräsidentschaft mehr erreichen sollte als alle Diplomaten die letzten zwei Jahre, bleibt sein Geheimnis. Grünen-Europapolitiker Daniel Freund kritisiert, Orban sei angetreten, Europa „großartig“ zu machen und treffe in der ersten Woche ausgerechnet jene, die die EU klein und gespalten sehen wollen. „Die Selbstermächtigung Orbans schadet Europa“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es wird Monate dauern, diesen Reputationsverlust für die EU zu reparieren.“

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Orban auf den Spuren Sarkozys?

Dass ein Regierungschef die Ratspräsidentschaft derart ausreizt, ist selten, aber nicht das erste Mal. Schon 2008 nutzte der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy die Ratspräsidentschaft, um sich als Weltpolitiker zu profilieren. Sarkozy traf sich mit US-Präsident George W. Bush, um ihn nach der Finanzkrise von einem Weltfinanzgipfel zu überzeugen – mit Erfolg. Ohne Absprache mit den anderen EU-Regierungschefs verhandelte der Franzose nach Beginn des Georgien-Krieges auch mit Moskau. Fünf Tage später stimmte der Kreml einem Waffenstillstand zu, da waren die russischen Panzer nur noch 40 Kilometer von Tiflis entfernt. „Ich hatte kein Mandat“, sagte Sarkozy später. „Aber die russischen Truppen hatten auch kein Mandat.“

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Die Parallelen liegen auf der Hand: Auch Orban spricht für seine Friedenspräsidentschaft ohne ein EU-Mandat mit Moskau. Sarkozy suchte das Rampenlicht, Orban auch. Da enden aber die Parallelen. Denn Sarkozy hatte sich als Pro-Europäer präsentiert, der kurzfristig EU-Gipfel anberaumt und gemeinsam mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen in der EU arbeitet. Orban stößt mit seinen Trips nach Moskau und Peking andere Regierungschefs vor den Kopf, seine scharfe Rhetorik gegen Brüssel löst Entrüstung aus.

Regierungschefs sollen Orbans „Spuk ein Ende setzen“

„Orbans medienwirksame Alleingänge in Kiew, Moskau und Peking sollen vor allem einem dienen: ihm selbst“, sagt der Vorsitzende der Europa-SPD, René Repasi, dem RND. Anders als Sarkozys und sein Sechs-Punkte-Waffenstillstandsplan für Georgien, Südossetien und Abchasien sei Orbán „in eigener Sache unterwegs“. Sarkozy war damals gemeinsam mit dem EU-Kommissionspräsidenten sowie dem EU-Außenbeauftragten nach Tiflis gereist, die EU-Außenminister bestätigten den Friedensplan später. Anders bei Orban, meint Repasi. Nur Einigkeit und Entschlossenheit von EU und NATO könnten der souveränen und unabhängigen Ukraine den Weg zum Frieden ebnen. „Orbán arbeitet immer wieder am Gegenteil.“ Grünen-Politiker Freund sieht nun die anderen Regierungschefs am Zug. „Die Mitgliedstaaten müssen jetzt ernsthaft darüber diskutieren, wie sie diesem Spuk ein Ende setzen und die ungarische Ratspräsidentschaft zu einem frühen Ende bringen“, sagte er.

Orban schmiedet derweil auch im EU-Parlament neue Bündnisse. Für die angekündigte Fraktion „Patrioten für Europa“ hat er inzwischen genug Mitglieder zusammen. Seine Rechts-Außen-Gruppe ist drittgrößte Fraktion, nachdem sich der Rassemblement National ihr am Montag angeschlossen hat. Damit hat Orban auch einen mächtigen Arm ins Parlament nach Brüssel.

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