Nach der Europawahl

Die SPD ringt um ihr politisches Überleben

Lars Klingbeil (l-r), SPD-Bundesvorsitzender, Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl und Mitglied des Europäischen Parlaments, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, verlassen nach dem Pressestatement nach der ersten Prognose für die Europawahl in Deutschland das Podium.

Lars Klingbeil (l-r), SPD-Bundesvorsitzender, Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl und Mitglied des Europäischen Parlaments, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, verlassen nach dem Pressestatement nach der ersten Prognose für die Europawahl in Deutschland das Podium.

Berlin. Von Krisensitzung will man bei der SPD nichts wissen. Sei doch klar, dass nach dem schlechten Europawahlergebnis von 13,9 Prozent für die Kanzlerpartei nicht weitermachen könne wie bisher und darüber beraten müsse, heißt es am Montag in Parteikreisen. Das hatte auch SPD-Chef Lars Klingbeil am Wahlabend betont und angekündigt, dass das schlechte Abschneiden aufgearbeitet werde. Deshalb kam am Sonntag das Parteipräsidium zusammen. Keine Krisensitzung? Dann wohl eine Sondersitzung, in der die Krise der SPD besprochen wurde.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagt: „Es ist völlig klar, dass sich was verändern muss.“ Angesichts der scharfen Kritik der Union, wonach die jetzigen Strukturen des Bürgergelds den Lohnabstand zu vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht gewährten, heben führende Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wieder die „arbeitende Mitte“ hervor. Auch Mast kündigt am Montag an, „das Leben der Menschen, die das Land am Laufen halten, besser zu machen“.

Die Haushaltsberatungen sind entscheidend

Aber entscheidend für verbesserte Aussichten der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September sowie auch den Fortbestand der Koalition sind die jetzigen Haushaltsberatungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) traf sich nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag erneut mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP). Mit jedem Treffen rücke eine gute Lösung näher, sagte Hebestreit. Inhalte nannte er nicht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nach bisherigem Zeitplan soll das Kabinett am 3. Juli den Beschluss zum Bundeshaushalt 2025 fassen. Wesentlicher Streitpunkt ist, ob die Schuldenbremse erneut ausgesetzt wird, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Lindner lehnt entsprechende Forderungen von SPD und Grünen ab. Er hält mehr Investitionen durch Einsparungen für möglich.

Hauptstadt-Radar

Der RND-Newsletter aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte in der „Süddeutschen Zeitung“ eindringlich vor Koalitionsbruch: „Den größten Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht.“ Sie betonte mit Blick auf den Haushaltsstreit: „Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.“

„Giftiger Cocktail aus Sozialkürzungen und Aufrüstung“

Die SPD-Gruppierung „Forum Demokratische Linke 21″, der mehrere Bundestagsabgeordnete angehören, strengt unterdessen ein Mitgliederbegehren zur Frage an, ob die SPD einem „Kürzungshaushalt zustimmen soll. Der SPD-Linke Ralf Stegner sagte dazu dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ich halte ein Mitgliederbegehren schon aus zeitlichen Gründen nicht für zielführend, so dass ich nicht damit rechne, dass diese Initiative erfolgreich sein wird.“ Nach innen sei es allerdings ein wichtiges Signal, dass ein „ungerechter Sparhaushalt mit der SPD nicht stattfinden wird“.

Stegner mahnte: „Die SPD kann den giftigen Cocktail aus Sozialkürzungen und Aufrüstung nicht schlucken. Gewisse Korrekturen beim Bürgergeld zum Beispiel bei erwiesener Schwarzarbeit tragen wir ja mit. Und wer arbeiten kann, sollte das auch tun, aber die entscheidenden Einsparungen beim Bürgergeld erzielt man durch anständige Löhne in den unteren Bereichen, damit die elende Aufstockerei aufhört.“ Der FDP könne die Koalition bei der Wirtschaftsförderung entgegenkommen, „wenn sie die Schuldenbremse nicht so orthodox auslegt wie der Papst das Zölibat“. Die Grünen müssten sich bei der Migration bewegen. Gewalttäter müssten abgeschoben werden. „Die Führungskraft des Kanzlers ist gefordert“, sagte Stegner. Der Haushalt müsse vor der Sommerpause mit guten Vorschlägen einvernehmlich aufgestellt werden.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mit seiner eigenen Partei ging Stegner hart ins Gericht: „Die Außendarstellung der SPD muss besser werden. Das trifft den Kanzler nicht allein, sondern auch die Bundestagsabgeordneten. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es gibt zu viel Larmoyanz und Selbstbeschäftigung und zu wenig Professionalität. Unsere Themen sind Arbeit, Rente, Wohnen, Gesundheit. Da haben wir viele Wähler verloren.“ Die Themen Friedenspolitik und Migration dürfe die SPD weder „den Linksrechtspopulisten“ vom Bündnis Sahra Wagenknecht noch der rechtsradikalen AfD überlassen. Er erklärte, nach dem „katastrophalen“ SPD-Europawahlergebnis sei jedem klar: „Es muss sich vor den drei Landtagswahlen im Osten im September etwas ändern, sonst erreicht das Schiff den Hafen nicht. Der Streit in der Ampel muss endlich aufhören.“

Mehr aus Politik

 
 
 
 
Anzeige

Spiele

Das tägliche Kreuzworträtsel

Testen Sie ihr Allgemeinwissen und finden Sie das Lösungswort des Tages.

Anzeige

Spiele entdecken