Nach der Europawahl

Frust in der SPD: Kritik an Kanzler-Kommunikation und Ruf nach Plan B

Bundeskanzler Olaf Scholz 2021 zwischen den Fraktionsmitglieder der SPD im Bundestag.

Bundeskanzler Olaf Scholz 2021 zwischen den Fraktionsmitglieder der SPD im Bundestag.

Berlin. Manchmal gibt der Kanzler Anlass für Heiterkeit. Auf einem Sommerfest der Grünen-Bundestagsfraktion gab Olaf Scholz am Dienstag in seiner Rede dem Bündnis Sahra Wagenknecht mal eben das Kürzel BSE. Er korrigierte sich umgehend auf BSW, sprach von einem Versprecher – aber die Assoziation zur Rinderseuche war im Raum und das Gelächter groß. Ein eher entspannter Termin also, entspannender jedenfalls wohl als kurz zuvor die Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion.

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Eine Diskussion über das Ergebnis der Europawahl stand da auf der Tagesordnung. Und dieses Ergebnis war für die SPD wenig freudvoll: Die Sozialdemokraten rutschten von einem schlechten auf ein noch schlechteres Ergebnis ab und fanden sich mit 13,9 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz hinter Union und AfD. Die SPD-Spitze räumte Fehler im Wahlkampf ein und verwies auf das wegen ihrer fortwährenden Streitereien schlechte Ansehen der Ampelkoalition. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert konstatierte ein nicht ausreichend klares Profil seiner Partei.

Scholz im Visier

In der Fraktionssitzung beteiligten sich Teilnehmern zufolge 30 bis 40 Abgeordnete an der Debatte. Und einige von ihnen äußerten demnach ihren Frust sehr deutlich. So habe der schleswig-holsteinische Abgeordnete Tim Klüssendorf, einer der drei Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, gleich als erster Redner Scholz ins Visier genommen: „Klarer Kurs“ habe die SPD auf ihre Wahlplakate geschrieben – ein solcher sei aber bei der Bundesregierung nicht zu erkennen.

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Das Plakatstichwort „Frieden“ sei konterkariert worden, als wenige Tage vor der Wahl die Bundesregierung der Ukraine den Einsatz aus Deutschland gelieferter Waffen gegen militärische Ziele in Russland erlaubt worden sei, schimpfte Klüssendorf nach RND-Informationen weiter. Den Schwenk hätte der auf den Wahlplakaten abgebildete Scholz besser erklären müssen. Verkündet hatte ihn Regierungssprecher Steffen Hebestreit, nachdem kurz zuvor die als Orientierungsmarke geltende USA ihrerseits grünes Licht gegeben hatte.

Einige ähnliche Wortmeldungen habe es gegeben, aber auch andere, die Scholz dezidiert den Rücken gestärkt hätten, berichten Teilnehmer. Scholz‘ Kommunikation war in der SPD schon mehrfach intern als zu zurückhaltend kritisiert worden.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte direkt vor der Sitzung öffentlich ein anderes Auftreten der SPD in Fraktion und Bundesregierung gefordert. Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast befand am Mittwoch, es müsse deutlicher werden, wie viel Arbeit hinter einzelnen Kompromissen stecke. Hier seien alle SPD-Vertreter gefragt, „auch der Bundeskanzler“.

Was der Kanzler sagt

Scholz habe in der Fraktion dann auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die Veränderungsbedarf mit sich bringe und seine Zuversicht deutlich gemacht, dass die Koalition gemeinsam einen Haushalt beschließen werde. Die Verhandlungen gelten als schwierig. Die FDP lehnt Ausnahmen von der Schuldenbremse strikt ab, SPD und Grüne halten sie für nötig. Der Finanzbedarf unter anderem für den Verteidigungshaushalt ist hoch. Scholz befand, es werde sich schon alles fügen. Dass alle Abgeordneten von dieser Einlassung überzeugt waren, lässt sich wohl nicht behaupten.

Klüssendorf jedenfalls forderte nach RND-Informationen Vorkehrungen für den Fall, dass die Regierung es nicht schafft, wie geplant bis Anfang Juli – also vor der parlamentarischen Sommerpause – einen Haushaltsentwurf vorlegen. Es brauche einen „Plan B“.

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Fraktionschef Mützenich beendet die Sitzung schließlich nach Teilnehmerangaben unter anderem mit dem Hinweis, dass es immer mal Punkte geben könne, an denen es nicht weitergehe.

So sieht das offenbar auch Generalsekretär Kühnert. Am Montag nach der Wahl hatte er verkündet, es werde keine Einigung „auf Kosten des sozialen Zusammenhalts“ geben. Dies sei „die Linie, über die wir nicht drüber gehen werden“. Die Frage, ob die Koalition an diesem Thema zerbrechen könnte, ließ Kühnert offen.

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