Das macht das neue Bündnis aus

„Patrioten für Europa“: Neue ultrarechte Fraktion im EU-Parlament ohne AfD

Andrej Babis (links), Vorsitzender der tschechischen liberal-populistischen ANO, Herbert Kickl, Chef der rechten österreichischen FPÖ, und Viktor Orban (rechts), Ministerpräsident von Ungarn und Vorsitzender der Partei Fidesz, reichen sie die Hände.

Andrej Babis (links), Vorsitzender der tschechischen liberal-populistischen ANO, Herbert Kickl, Chef der rechten österreichischen FPÖ, und Viktor Orban (rechts), Ministerpräsident von Ungarn und Vorsitzender der Partei Fidesz, reichen sie die Hände.

Brüssel. Das von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban vor knapp einer Woche aus der Taufe gehobene Rechtsbündnis „Patrioten für Europa“ bildet eine neue Fraktion im Europaparlament. Neben Orbans Partei Fidesz sind unter anderem das rechtsnationale Rassemblement National aus Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische Lega und die einwanderungsfeindliche FPÖ aus Österreich Teil der Fraktion, wie Vertreter des neuen Zusammenschlusses nach der Gründungssitzung in Brüssel sagten. Die deutsche AfD wird vorerst kein Mitglied sein.

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Fraktionschef soll der Franzose Jordan Bardella werden. Nun muss die Fraktion Parlamentspräsidentin Roberta Metsola über die Gründung informieren. Offiziell bestätigt wird sie dann voraussichtlich bei der kommenden Plenarsitzung nächste Woche in Straßburg.

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Für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens sieben Ländern erforderlich. Die neue Fraktion wird nach eigenen Angaben die drittstärkste hinter Sozialdemokraten und dem Mitte-Rechts-Bündnis EVP sein, zu dem auch CDU und CSU zählen. Nach eigener Rechnung umfasst die Fraktion 84 Abgeordnete. Sie setzt sich aus Abgeordneten aus zwölf Ländern zusammen.

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Ablehnung von Migration, „Green Deal“ und Ukraine-Hilfe

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der Vorsitzende der populistischen tschechischen ANO, Andrej Babis, hatten vor gut einer Woche in Wien das Bündnis „Patrioten für Europa“ angekündigt. Die neue Fraktion soll laut Orban Europa „auch gegen den Willen der Brüsseler Eliten verändern“. Orban hatte erst jüngst mit einer Reise nach Moskau die Kritik vieler EU-Staaten auf sich gezogen. Ungarn übernahm am 1. Juli den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz.

©Julien Mattia / Le Pictorium/MAXPPP - Paris 08/07/2024 Julien Mattia / Le Pictorium - 08/07/2024 - France / Ile-de-France / Paris - Des millers de personnes rassemblees sur la place de la Republique pour feter la victoire du Nouveau Front Populaire face a l'extreme droite, a Paris, le 7 juillet 2024. - Valeurs ACtuelles out, no jedd, jdd out, RUSSIA OUT, NO RUSSIA #norussia / 08/07/2024 - France / Ile-de-France (region) / Paris - Thousands of people gathered on the Place de la Republique to celebrate the victory of the New Popular Front over the extreme right, in Paris, on July 7, 2024.

Und Europa verliert Frankreich doch

In Frankreich haben die Wählerinnen und Wähler die Rechtsextremen an der Macht gehindert, der Rechtsruck ist allerdings nicht abgeblasen, er ist nur vertagt, kommentiert Sven Christian Schulz. Die Lage bleibt angespannt – und für die EU wird die nächste Regierung mit linksextremen Populisten zur Kraftprobe.

Ein „Patriotisches Manifest“ des Bündnisses beinhaltet die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und Green Deal, keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten.

Zusammenschluss vieler Rechtsaußenparteien

Die FPÖ ist in Österreich seit Jahrzehnten etablierte politische Kraft und aktuell auf dem Höhenflug. Dank ihrer Antimigrationshaltung haben die Rechtspopulisten bei der Nationalratswahl im Herbst gute Chancen, auf Platz eins zu landen. Der ANO-Gründer, Ex-Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babis suchte bereits seit längerem den Schulterschluss mit Viktor Orban. Wären heute Parlamentswahlen in Tschechien, würde die populistische ANO mit Abstand stärkste Kraft werden.

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Der Vorsitzende der tschechischer Partei ANO und frühere tschechische Premierminister Andrej Babis, der ungarische Premierminister Viktor Orban und der Obmann der Freiheitlichen Partei Österreich FPÖ Herbert Kickl während einer Pressekonferenz (Archiv).

Der Vorsitzende der tschechischer Partei ANO und frühere tschechische Premierminister Andrej Babis, der ungarische Premierminister Viktor Orban und der Obmann der Freiheitlichen Partei Österreich FPÖ Herbert Kickl während einer Pressekonferenz (Archiv).

Das Rassemblement National von Marine Le Pen wurde bei der Europawahl mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft in Frankreich. In der darauffolgenden Neuwahl des französischen Parlaments landeten die Rechtsnationalen allerdings unerwartet nur auf dem dritten Platz. Seit Jahren ist Le Pen bemüht, das RN zu „entteufeln“, und von seiner rechtsextremen Geschichte und der Holocaust-Verharmlosung des Parteigründers Jean-Marie Le Pen zu entkoppeln. Damit hat sie die Partei bis weit in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.

Die Partei Fidesz regiert in Ungarn seit 2010 ununterbrochen. Sie musste bei der Europawahl deutlich Federn lassen, ist aber dennoch stärkste Partei geblieben. Die Rechtspopulisten stellen sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und steht etwa wegen eines Abbaus des Rechtsstaats, Klientelismus und Gängelung der freien Medien in der Kritik.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde die Kremlfreundlichkeit des Parteichefs und Ministerpräsidenten Orban immer deutlicher, vor wenigen Tagen auch durch seinen überraschenden Besuch bei Putin.

Auch Parteien aus Italien, Spanien und der Niederlande dabei

Die Lega von Italiens Vizeministerpräsident Matteo Salvini ist seit Oktober 2022 zusammen mit zwei anderen Rechtsparteien in Rom an der Regierung. Der Rechtspopulist Salvini wurde in früheren Jahren als Innenminister durch ein äußerst hartes Vorgehen gegen Flüchtlinge auf dem Mittelmeer und gegen Hilfsorganisationen bekannt. Seine Hoffnung, Ministerpräsident zu werden, erfüllte sich bislang nicht. Bei der Europawahl stürzte die Lega von 34 Prozent (2019) auf nur noch 9 Prozent ab.

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Vox ist in Spanien in der Opposition und will ein Europa „freier und souveräner Vaterländer“. Die Partei propagiert Stolz auf die eigene Nation, Bevorzugung heimischer Produkte, Einschränkung des Freihandels und Beendigung illegaler Einwanderung. Zudem fällt sie durch Diffamierung von Einwanderern auf, die oft als kriminell und nur an Sozialleistungen interessiert beschrieben werden. Die traditionelle Familie soll Keimzelle eines Staates sein, der straff zentralistisch geführt wird und nur die nationalen Interessen im Augen haben soll.

Auch aus weiteren kleineren EU-Ländern wollen Parteien mitmachen. Dazu zählt etwa die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert Wilders, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei und Belgiens radikal rechter Vlaams Belang. Zudem hat die 2019 gegründete rechtspopulistische Partei Chega (Es reicht) aus Portugal ihr Interesse bekundet.

Die AfD bleibt außen vor

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der rechtsnationalistischen Fraktion ID ausgeschlossen worden war, sieht zunächst ihren Platz nicht in den Reihen der neuen Allianz um Orban. AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten Dienstag ausgeschlossen. Man sei im Austausch, aber momentan sei das keine Option. Sie sprach von einem strategisch langfristigen Projekt. „Wir sind in Freundschaft verbunden, wir haben unglaubliche inhaltliche Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die andere Partei unterliegt politischen und auch außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen müssen“, sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem Bündnis nicht gewollt sei.

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Voraussichtlich drittstärkste Kraft im Parlament

Der Vorsitzende der deutschen SPD-Abgeordneten René Repasi sieht in dem neuen Bündnis vor allem eine Schwächung von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Ihre Partei gehört der rechtskonservativen Fraktion EKR an, die wegen des neuen rechten Bündnisses nicht mehr die drittstärkste Kraft stellt.

Forderungen nach einer Brandmauer gegen die Ultrarechten

Unmittelbar nach der Gründung der neuen Fraktion wurden Forderungen nach einer Brandmauer gegen Rechts laut. „Diese abenteuerliche rechtsextreme Sammelbewegung darf keine Ausschussvorsitze bekommen, weil ihr einziges Ziel ist, Europa zu blockieren, Gesellschaften zu polarisieren, den Green Deal, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit abzuschaffen“, sagt Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Echte Patriotinnen und Patrioten seien keine Russlandfreunde, wer sein Land und Europa liebe, fördere die Demokratie, statt sie auszuhöhlen.

SPD-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley fordert: „Die Orban-Fraktion muss im Europäischen Parlament isoliert dastehen.“ Die neue antieuropäische Fraktion dürfe keine Möglichkeit zur Mitgestaltung bekommt, sagte sie dem RND. „Die Brandmauer nach rechts muss standhaft sein.“ Es dürften keine offiziellen Positionen an Mitglieder dieser Fraktion gehen, sagte sie und zieht einen Vergleich zur ID-Fraktion, in der früher die AfD saß. Für sie müsse ein Cordon sanitaire gelten, also eine informelle Vereinbarung, dass man mit ihnen in keinem Fall zusammenarbeite. „Dadurch werden die Möglichkeiten der neuen Rechten begrenzt, konstruktive Politik zu sabotieren.“

In Brüssel ist die Sorge groß, dass die „Patrioten“ ihren neu gewonnenen Einfluss geltend machen wollen. Als Fraktion bekommen sie nun mehrere Millionen Euro, Personal und mehr Redezeit. Grünen-Chefin Reintke warnt, dass die Rechten Europa blockieren und ihr auf Ungleichheit und Ausgrenzung basierende Gesellschaftsbild umsetzen wollten. „Besonders gefährlich ist ihre Blockadepolitik überdies in Notsituationen, wo das Parlament dringend handlungs- und entscheidungsfähig sein muss, wie etwa bei Entscheidungen zu Ukraine-Hilfen.“

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RND/scs/dpa

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