75 Jahre Verteidigungsbündnis

Die Nato-Gründung: Eine Reaktion auf Stalins Interventionen

Der US-Präsident Harry S. Truman bei der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrags.

Der US-Präsident Harry S. Truman bei der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrags.

Am Dienstag beginnt in Washington der Nato-Gipfel mit Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des Verteidigungsbündnisses. Bei einer knappen Mehrheit der Bundesbürger genießt der Nordatlantikpakt Vertrauen, wie repräsentative Umfragen zeigen. Doch für ein Drittel der Menschen bei uns gilt die Nato als ein Relikt des Kalten Krieges.

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Die Nato-Skepsis eint Parteien am extrem rechten und linken Rand des Parteienspektrums. Während der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter die Nato als „Rückversicherung für eine Milliarde Menschen“ bezeichnet, träumt Sevim Dagdelen, außenpolitische Sprecherin des Bündnis Sahra Wagenknecht, von „einer wünschenswerten Auflösung der Nato bei gleichzeitiger Schaffung eines alternativen kollektiven Sicherheitssystems“. Und liegt mit dieser Auffassung nicht weit entfernt vom früheren US-Präsidenten Donald Trump.

„Brüsseler Pakt“ als Urzelle

Ihrer „Genetik“ nach war die Nato nie ein aggressives, auf gewaltsame Ausbreitung angelegtes Bündnis, auch wenn ihre Kritiker und Feinde das bis heute behaupten. Die „Urzelle“, aus der dann ein Jahr später die Nato hervorging, war ein am 17. März 1948 zwischen Großbritannien, Frankreich und den Beneluxländern unterzeichnetes Abkommen, welches im „Brüsseler Pakt“ mündete und auf kollektivem Beistand basierte.

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Vor allem ein historisches Ereignis führte dazu, dass sich diese westeuropäischen Länder, allesamt Opfer des Angriffskrieges Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, erneut genötigt sahen, einem Beistandspakt beizutreten: In der Tschechoslowakei hatte sich nach der deutschen Niederlage auf der Basis demokratischer Wahlen eine Koalitionsregierung gebildet – aus Kommunisten (38 Prozent) und bürgerlichen Parteien (62 Prozent). Diese Koalitionsregierung hatte im Juli 1947 sogar der Einladung zum Marshallplan zugestimmt – einem milliardenschweren Wirtschaftsförderungsprogramm der USA für den Wiederaufbau Europas.

West-Berliner Jungen, die auf einem Trümmerberg stehen, begrüßen winkend ein US-amerikanisches Transportflugzeug, das Versorgungsgüter nach West-Berlin bringt (Aufnahme von 1948).

West-Berliner Jungen, die auf einem Trümmerberg stehen, begrüßen winkend ein US-amerikanisches Transportflugzeug, das Versorgungsgüter nach West-Berlin bringt (Aufnahme von 1948).

Das kam in Moskau nicht gut an. Die Kommunistische Partei erhöhte den Druck auf die nicht kommunistischen Minister, angeordnete Sprengstoffattentate schlugen fehl. Um Neuwahlen zu erzwingen, traten die bürgerlichen Minister am 20. Februar 1948 aus der Koalitionsregierung aus. Der bürgerliche Staatspräsident Edvard Benes wurde massiv unter Druck gesetzt, Neuwahlen zu vermeiden – und stattdessen eine neue, von Kommunisten dominierte Regierung zu vereidigen, einhergehend mit einem mysteriösen, tödlichen Fenstersturz von Außenminister Jan Masaryk. Der sogenannte Februarumsturz besiegelte die Zugehörigkeit der Tschechoslowakei zum sowjetischen Einflussgebiet.

Moskau sperrt alle Wege nach West-Berlin

Ein zweites historisches Ereignis verstärkte bei den westeuropäischen Staaten die Angst vor einer Expansion der Sowjetunion unter Parteichef Josef Stalin sogar über die Grenzen des von der Sowjetunion besetzten Teil Europas hinaus. Als Reaktion auf die Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen sowie in den Westsektoren der ehemaligen Reichshauptstadt sperren sowjetische Truppen in der Nacht zum 24. Juni 1948 alle Zufahrtswege nach West-Berlin, zudem die Gas- und Stromversorgung. Aus gezielten Behinderungen wird schließlich eine totale Abriegelung des Westteils der Stadt, wo drei Jahre nach Kriegsende eine Hungersnot droht.

Die Westalliierten verteidigen ihre Rechte in Berlin. Auf Initiative von US-Militärgouverneur Lucius D. Clay stellen sie über eine Luftbrücke die Versorgung West-Berlins sicher. Insgesamt werden bis 30. September 1949 in mehr als 270.000 Flügen rund 2,1 Millionen Tonnen lebenswichtiger Güter nach Berlin transportiert.

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Nationalflaggen wehen vor der Flaggenhissungszeremonie für den Beitritt Finnlands zur Nato, die im Rahmen des Nato-Außenministertreffens im Nato-Hauptquartier in Brüssel stattfindet.

Nationalflaggen wehen vor der Flaggenhissungszeremonie für den Beitritt Finnlands zur Nato, die im Rahmen des Nato-Außenministertreffens im Nato-Hauptquartier in Brüssel stattfindet.

Berlin-Blockade und der Februarumsturz werden vor allem in den kleinen westeuropäischen Staaten als Bedrohung wahrgenommen. Zudem tobt seit Kriegsende in Griechenland ein Bürgerkrieg. Militärisch unterstützt aus den bereits kommunistischen Staaten Albanien und Jugoslawien droht auch das letzte Land auf dem Balkan dem sowjetischen Block anheimzufallen. In diesem historischen Kontext treten die vormaligen Staaten des „Brüsseler Pakts“ sowie Dänemark, Island, Italien, Kanada, Norwegen, Portugal und die USA am 4. April 1949 in Washington, D. C., der North Atlantic Treaty Organization bei.

Die Russen draußen lassen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen kleinhalten.

Lord Hastings Ismay,

erster Nato-Generalsekretär

„To keep the Russians out, the Americans in and the Germans down“ („die Russen draußen lassen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen kleinhalten“), soll Lord Hastings Ismay, der erste Nato-Generalsekretär, gesagt haben. Was ziemlich deutlich die Prämissen der damaligen Zeit umreißt. Gerade am Anfang war die Furcht vor dem Wiedererstarken des deutschen Militarismus noch groß.

Das übergeordnete Ziel des Bündnisses sei es „vor allen Dingen gewesen, einen Krieg in Europa zu verhindern, was zumindest eine lange Zeit gelungen ist, und die Sowjetunion in Schach zu halten“, so der Historiker Jan Eckel, Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Freiburg, auf einer Website des Instituts.

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Einhergehend mit dieser Mission „war das Ziel, ein enges politisches Bündnis zu schaffen. Das sollte dafür sorgen, dass einerseits die USA in Europa präsent sind – sicher auch, um Einfluss auszuüben – , andererseits die Europäer sich aber auch selbst um ihre eigene Verteidigung kümmern“, so Eckl. Ein Aspekt, der allzu lange vernachlässigt wurde und heute zu häufiger Kritik an den europäischen Mitgliedsstaaten führt.

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