Bildungssystem „am Anschlag"

Soziale Herkunft entscheidet stark über Bildungserfolg – und oft ist Sprache ein Problem

Schüler einer Grundschule arbeiten in einem Klassenzimmer in ihren Heften.

Schüler einer Grundschule arbeiten in einem Klassenzimmer in ihren Heften.

Pisa-Schock 2.0, Lehrkräftemangel, stockende Digitalisierung - der Bildungsstandort Deutschland befindet sich in der Krise. Und die zu lösenden Probleme sind vielfältig, gerade angesichts knapper Haushaltsmittel. Das macht der am Dienstag vorgestellte Bildungsbericht deutlich, der die Defizite des deutschen Bildungssystems aufzeigt.

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Ein zentraler Befund des Berichts: Bildungserfolg hängt in Deutschland noch immer stark von der sozialen Herkunft ab. Weniger als die Hälfte der 20- bis 24-Jährigen, deren Eltern keine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, besuchten im Jahr 2021 nach Ablauf ihrer Schulpflicht selbst eine Berufsschule oder Universität. Nur 32 Prozent der Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status bekommen eine Gymnasialempfehlung, bei Kindern mit hohem sozioökonomischen Status sind es 78 Prozent. Bemerkenswert ist zudem: Bei gleichen Leistungen und Schulnoten wechseln 58 Prozent der Kinder mit hohem sozioökonomischen Status auf das Gymnasium – und nur 44 Prozent der Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status.

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Bildungsministerin Stark-Watzinger setzt auf Startchancenprogramm

„Wir werden den Kindern, die unsere Unterstützung im Bildungssystem brauchen, noch nicht gerecht“, gab Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zu und betonte: „Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland überdurchschnittlich hoch ist.“

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Stark-Watzinger verwies in diesem Zusammenhang auf das 20 Milliarden Euro teure Startchancenprogramm, das im kommenden Schuljahr anläuft. Das Programm soll unter anderem die individuelle Förderung von Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen an 4000 ausgewählten Schulen verbessern.

Integration Zugewanderter in das Bildungssystem gelingt oft nicht

Kai Maaz, Bildungsforscher und Sprecher der Autorengruppe des Berichts, sieht gerade angesichts des starken Anstiegs von Zuwanderung in den vergangenen Jahren Herausforderungen, die nicht allein im Bildungssystem gelöst werden können. „Der alleinige Blick auf Bildung reicht nicht aus. Gerade die Familien müssen bei Integrationsfragen in den Blick genommen werden.“ Der Bericht zeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Kitas noch immer deutlich unterrepräsentiert sind - und der Trend seit 2014 rückläufig ist. Die fehlende frühkindliche Bildung mache sich später insbesondere in der sprachlichen Entwicklung bemerkbar.

„Es ist uns nicht gelungen, jungen Menschen sprachlich die Angebote zu machen, um einen Abschluss zu schaffen.“

Kai Maaz

Bildungsforscher und Mitautor des Bildungsberichts

Das zeigt auch die Zahl der Schulabbrecher, die Maaz Sorge bereitet. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss, gemessen am gleichaltrigen Teil der Bevölkerung, stieg auf knapp sieben Prozent. „Das ist zu viel“, sagte Maaz. Auffällig sei, dass 2016 der Anteil von den Schulabbrechern mit Migrationshintergrund noch bei 20 Prozent lag und mittlerweile bei 75 Prozent. „Es ist uns nicht gelungen, jungen Menschen sprachlich die Angebote zu machen, um einen Abschluss zu schaffen.“

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Bildungsforscher Maaz fordert ganzheitlichen Blick

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot, verwies auf Probleme, die dadurch beim Übergang von Schule zu Ausbildung entstehen: „Wir haben es oft mit Schülerinnen und Schülern zu tun, die erheblichen Sprachförderbedarf haben. Das sind auch Schüler mit Migrationshintergrund, aber nicht nur“, sagte sie. „Hier lohnt es sich hinzugucken, warum Schule diese Kinder und Jugendlichen nicht erreicht hat.“

Maaz bilanzierte, er beobachte einen Umbau des Bildungssystems, der an vielen Stellen aber nur reagiere und nicht proaktiv sei. Gleichzeitig appellierte er an einen ganzheitlichen Blick auf das Problem – auch angesichts des Fachkräftemangels. „Wir müssen darüber nachdenken, welche Ziele und Aufgaben Bildungseinrichtungen haben“, sagte er. „In den letzten Jahren sind die Aufgaben immer mehr geworden. Wir müssen uns fragen, ob sie das unter den aktuellen Voraussetzungen leisten können.“

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