Studie zum Datingverhalten

Grundschullehrer? Nein, danke: Wir daten konservativer, als wir denken

Dating

Die Soziologin Lena Hipp rät dazu, sich in Datingprozessen öfter mal mit den eigenen Vorurteilen zu konfrontieren.

Der Mann wird Ingenieur, die Frau Grundschullehrerin: Menschen in Deutschland wählen immer noch überwiegend „geschlechtstypische“ Berufe. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Warum ist das so? Das hat Lena Hipp, Professorin für Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik an der Universität Potsdam untersucht – und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen.

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„Trotz zahlreicher Initiativen wie ‚Girls Day‘ oder ‚Frauen in technischen Berufen‘, wählen Frauen weiterhin überwiegend die schlechter bezahlten, frauentypischen Berufe“, sagt Hipp dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir wollten wissen, ob es neben den schon bekannten Faktoren wie Gehalt und Familienfreundlichkeit auch andere Gründe gibt, die diese Wahl erklären. Faktoren, die weniger offensichtlich sind, wie beispielsweise Erfolg beim Daten und der Suche nach einem Partner.“

Haben Frauen, die „Männerberufe“ wählen, einen Nachteil bei der heterosexuellen Partnersuche? Werden Männer, die einen „Frauenberuf“ ausüben, schlechtere Datingchancen haben? Die Ergebnisse der Forscherin legen diesen Schluss nahe. In drei Studien untersuchte sie mit ihrem Team den Einfluss der Berufswahl auf das Datingverhalten. Das Ergebnis: Frauen in Frauenberufen haben bei Männern bessere Chancen als Frauen in Männerberufen. Ebenso haben Männer in Männerberufen bessere Chancen bei Frauen – obwohl sie anderes erwarten.

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Mehr Likes für den Ingenieur

Aber von vorn: Zunächst werteten Hipp und ihr Team den deutschen Mikrozensus aus. Dabei kam heraus, dass Frauen mit „Männerberufen“ etwas häufiger alleine leben als Frauen mit geschlechtsspezifischen Berufen (5 Prozent). Bei Männern mit Frauenberufen ist die Wahrscheinlichkeit für einen Singlehaushalt sogar doppelt so hoch (10 Prozent). Der Grund dafür kann ein Nachteil beim Dating sein – es kann aber auch viele andere Gründe geben wie kein Interesse an Partnerschaften.

Bei der zweiten Studie legten Hipp und ihr Team Datingprofile an und untersuchten den Erfolg in unterschiedlichen Städten im gesamten Bundesgebiet. Da gab es Anna (28) als Grundschullehrerin und als Ingenieurin, sowie Christian (31) als Grundschullehrer und als Ingenieur – jeweils in unterschiedlichen Attraktivitätsstufen. Die Attraktivität ermittelten Hipp und ihr Team, indem sie Fotos von unterschiedlich attraktiven Models von Nutzerinnen und Nutzern der Dating-App bewerten ließen.

Das Ergebnis: „Die durchschnittlich attraktive Anna hat mit ihrem Profil als Ingenieurin auf der Dating-App deutlich weniger positive Rückmeldungen bekommen, als wenn sie sich als Grundschullehrerin ausgegeben hat“, sagt Hipp. In Zahlen: Die durchschnittlich attraktive Ingenieurin bekommt 23 Prozent weniger Rückmeldungen als die durchschnittlich attraktive Grundschullehrerin. Bei Männern ist der Unterschied mit 40 Prozent sogar noch größer. Der Ingenieur bekommt also deutlich mehr Likes als der Grundschullehrer. Nur bei den sehr attraktiven Personen gibt es keine statistisch signifikanten Partnerschaftsnachteile. „Bei dieser Untersuchung gibt es keine alternativen Erklärungen“, sagt Hipp. „Der Unterschied zwischen Anna als Ingenieurin und Anna als Grundschullehrerin ist ein kausaler Effekt, der nur auf den Beruf zurückgeführt werden kann.“

Frauen finden Grundschullehrer attraktiv – glauben Männer

Aber sind sich Männer und Frauen dieser Attraktivitätsunterschiede bewusst? Dafür befragten Hipp und ihr Team rund 1250 Personen im Alter zwischen 23 bis 65 Jahren zu ihren Datingerwartungen. „Vor allem jüngere und hoch gebildete Frauen erwarten, dass Frauen in männerdominierten Berufen Nachteile beim Dating haben“, sagt Hipp. Männer dagegen glauben, dass Frauen eher Männer in frauendominierten Berufen kennenlernen wollen – also genau andersherum. „Das ist wirklich überraschend. Denn Männer, die als Sozialarbeiter oder Erzieher arbeiten, haben empirisch gesehen größere Nachteile auf dem Datingmarkt.“

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Frauen erwarteten also, einen Datingvorteil zu haben, wenn sie beispielsweise Erzieherin werden. Männer dagegen vermuten eher, dass Frauen Männer in Frauenberufen bevorzugen würden. Trotzdem entscheiden sich Männer überwiegend gegen Frauenberufe. Woran das liegt, ist nicht ganz klar. „Frauen verspüren möglicherweise einen größeren zeitlichen Druck bei der Partnersuche aufgrund von Familienplanung. Für sie hängt von dem frühen Datingerfolg noch mehr ab“, sagt Hipp. „Und Männer wissen auch, dass Geld ebenfalls ein positiver Faktor ist beim Daten.“

Was bedeutet das nun für unser künftiges Datingverhalten? Hipp rät dazu, die eigenen verinnerlichten Stereotype öfter zu hinterfragen. „Niemand würde sagen: Eine Ingenieurin oder einen Grundschullehrer date ich nicht“, sagt Hipp. „Aber die Wahrheit ist: Unser Handeln hinkt unseren Selbstbildern hinterher. Ganz nach Ulrich Beck ‚Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre‘. Das sehen wir hier auch.“ Insbesondere bei Dating-Apps gehe es ja weniger um den ersten Moment, den ersten Blickkontakt, sondern mehr darum, nach äußeren Kriterien zu selektieren. „Warum finde ich diese Person attraktiv – oder eben auch nicht? Das sollte man sich klarmachen“, sagt Hipp. „Es kann sehr heilsam sein, sich mit den eigenen Vorurteilen zu konfrontieren – und es weitet auch den Blick für potenzielle Partnerinnen und Partner.“

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