„Dieses Standardisierte bringt nichts“

Warum Mitarbeitergespräche oft enttäuschend sind

Führungskräften und Teammitgliedern sollten das Mitarbeitergespräch gleichermaßen bewusst nutzen.

Führungskräften und Teammitgliedern sollten das Mitarbeitergespräch gleichermaßen bewusst nutzen.

Viele moderne Führungskräfte wollen ihre Teammitglieder partnerschaftlich oder als Coach führen. Doch in den jährlichen Mitarbeitergesprächen haben sie plötzlich eine ganz andere Funktion: Sie müssen Leistungen beurteilen und werden so in die Richterolle gedrängt.

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„Das jährliche Mitarbeitergespräch, in dem ein standardisierter Fragebogen abgearbeitet wird, hat mit einem wirklichen Gespräch nicht viel zu tun“, erklärt Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Business School der Hochschule Furtwangen und Berater für Personalmanagement, Führung und Organisation. „Denn es geht in diesen formalisierten Gesprächen meist weniger um Feedback, sondern um formalisierte Leistungsbeurteilung. Und gerade das empfinden viele als bedrohlich.“

Auch der Berater und Trainer für Recruiting und Personalmarketing Stefan Döring aus dem bayerischen Vaterstetten sieht die jährlichen Mitarbeitergespräche kritisch: „Diese standardisierten Gespräche bringen nichts.“ Vonseiten des Unternehmens seien sie zwar mit hohen Erwartungen verknüpft. Schließlich sollen die verschiedensten Themen abgearbeitet werden: vom Arbeitsklima bis zur Zielerreichung oder psychischer Gesundheit. „In der Praxis schüren solche Gespräche bei Beschäftigten aber häufig Ängste, weil sie eine enorme Bedeutung haben, was das Gehalt und die berufliche Entwicklung angeht.“

Der Unternehmensberater sieht das Problem auch darin, dass nur die Vorgesetzten gezielt für solche Gespräche geschult werden. „So verstärkt sich das Ungleichgewicht zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden.“

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Wenig Zeit, viel zu viele Formalien

Isabel Eder kennt als Abteilungsleiterin Recht und Vielfalt beim DGB-Bundesvorstand ebenfalls die Schattenseiten der Mitarbeitergespräche: „Für turnusmäßige Gespräche wird oft zu wenig Zeit eingeplant und sich zu lange mit Formalien beschäftigt.“

Die DGB-Vertreterin weiß auch, dass viele Beschäftigte unvorbereitet in diese Termine hineingehen. Sie rät Mitarbeitenden, sich unbedingt vorzubereiten und sich vorab zu Themen wie eigener Zufriedenheit, Performance und beruflicher Entwicklung eine Meinung zu bilden. „Als Führungskraft kann man seinen Mitarbeitenden vor solchen Gesprächen die Unterlagen zuschicken. So können sie sich gezielt vorbereiten und erleben keine Überraschungen.“

Nicht nur für Teammitglieder sind solche Gespräche schwierig, auch für manchen Vorgesetzten ist das formalisierte Mitarbeitergespräch ein Problem: „Wenn diese ein partnerschaftliches Führungsverständnis haben und grundsätzlich auf Augenhöhe mit ihren Teammitgliedern kommunizieren, ist es ihnen oft unangenehm, nun die Rolle zu wechseln und als Autorität ihre Leistung zu beurteilen“, erklärt Trost.

Natürlich gebe es auch Vorgesetzte, die dieses Instrument für wertvoll und unverzichtbar hielten. Bei ihm war das aber nicht so: „Als ich bei einem großen Softwareunternehmen als Führungskraft solche Gespräche führen musste, war mir das auch unangenehm.“ Er empfand diese Gespräche als lästiges Übel und kommunizierte das auch. „Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt, dass wir das Bearbeiten des Fragebogens formal hinter uns bringen müssen. Die Beurteilung habe ich dann mit ihnen gemeinsam vorgenommen. Differenzen gab es dabei nicht.“

Ein Problem erkennt Unternehmensberater Döring auch darin, dass Führungskräfte oft kein oder nur ein eingeschränktes Budget haben, um Mitarbeitende für gute Leistungen wirklich zu belohnen. Das könne bei beiden Seiten Frustration auslösen.

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Jährlicher Austausch oft zu wenig

Armin Trost sieht das Beurteilen von Beschäftigten anhand standardisierter, einheitlicher Fragebögen auch noch aus einem anderen Grund kritisch: „Dieses Vorgehen wird der Vielfalt der Mitarbeiter nicht gerecht und das in einer Zeit, in der so viel Wert auf Diversität gelegt wird.“ Als Beispiel nennt er Mitarbeitende, die nicht die von ihnen erwartete Leistung erbringen. „Bei ihnen kann ich nicht bis zum jährlichen Gespräch im Januar warten, um sie dann schlecht zu beurteilen. Ich muss sie frühzeitig ansprechen und fragen, warum es nicht rund läuft und mit ihnen gemeinsam eine Lösung suchen.“

Auch für die besonders Talentierten sei ein jährlicher Austausch viel zu wenig. „Um Top-Player muss man sich deutlich häufiger kümmern.“ Durch zu geringe Förderung könne sonst Potenzial verschenkt werden. Für die zwei Drittel der Beschäftigten, die ihren Job zur Zufriedenheit der Führungskraft erledigen, erkennt Trost ebenfalls keine Vorteile durch ein jährliches Gespräch. „Bei den meisten hat so ein Termin keine Konsequenzen und ist eigentlich irrelevant.“

Termin bewusster nutzen

Armin Trost empfiehlt Führungskräften und Teammitgliedern gleichermaßen, den Termin bewusst zu nutzen. „Beide Seiten können sich jenseits aller Formalitäten Themen überlegen, die sie besprechen wollen und diese auch adressieren.“ Vorgesetzten rät er, der Individualität der Beschäftigten und ihren individuellen Umständen Rechnung zu tragen.

Auch Döring rät Führungskräften, sich mehr Zeit für den wirklichen Austausch jenseits der Checklisten zu nehmen. „Nach meiner Überzeugung reicht dafür aber ein jährliches Gespräch nicht aus.“

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Isabel Eder empfiehlt ebenfalls häufigere Gespräche als einmal im Jahr: „So kann man sich als Führungskraft über den Zwischenstand informieren, auf Aktuelles reagieren und nachsteuern.“ Das schaffe Klarheit für beide Seiten. „Je nach konkreten Inhalten des Mitarbeitergesprächs haben Berufstätige auch das Recht, zu so einem Gespräch jemanden vom Betriebsrat mitzunehmen.“ Das gelte, wenn es um die Beurteilung der Leistungen, die berufliche Entwicklung oder um das Arbeitsentgelt gehe. „Empfehlenswert ist die Verstärkung durch den Betriebsrat auf jeden Fall dann, wenn man außerhalb der Reihe zur Führungskraft gerufen wird und man schon Böses ahnt.“

Häufige Feedbackgespräche sind die Ausnahme

Es kommt allerdings selten vor, dass Unternehmen ihre Beschäftigten mehrmals im Jahr zum Gespräch laden. Das zeigt die Randstad-Ifo-Personalleiterbefragung aus dem vierten Quartal 2022. 49 Prozent der Unternehmen setzen sich genau einmal im Jahr mit ihren Mitarbeitenden zusammen. Häufigere Termine sind laut Befragung eher die Ausnahme. So nutzen lediglich sechs Prozent der Befragten Mitarbeitergespräche im monatlichen Rhythmus. Zehn Prozent tauschen sich mit Ihren Beschäftigten vierteljährlich aus. 22 Prozent haben ein halbjährliches Feedbackgespräch.

Die Befragung zeigt Unterschiede zwischen großen und kleinen Arbeitgebern. So tauscht man sich in kleinen Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitenden häufiger aus. Denn 13 Prozent von ihnen setzen auf monatliche und 16 Prozent auf vierteljährliche Gespräche.

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