1. Startseite
  2. Politik

Neue Gaza-Offensive droht: Wieso sich die Verhandlungen mit der Hamas aktuell so ziehen

Kommentare

In Katar wird über einen Waffenstillstand verhandelt. Doch der Krieg im Gazastreifen geht weiter. Israel gehe es um die „Zerstörung der terroristischen Infrastruktur“.

Gaza – Der Krieg in Gaza wird nicht so schnell aufhören. Israels Streitkräfte wollen nach den heftigen Kämpfen gegen die letzten größeren Hamas-Einheiten im Süden des Gazastreifens die Infrastruktur der Islamisten zerschlagen. Bei der jüngsten Offensive in Rafah will das Militär nach eigenen Angaben über 900 Terroristen getötet haben – „darunter mindestens einen Bataillonskommandeur, viele Kompaniekommandeure und zahlreiche Kämpfer“, wie Generalstabschef Herzi Halevi am Dienstag (9. Juli) bei einem Truppenbesuch am Grenzübergang Kerem Schalom sagte. Die Angaben waren zunächst nicht überprüfbar.

„Wir konzentrieren uns jetzt auf die Zerstörung der terroristischen Infrastruktur, was Zeit braucht, sagte Halevi. „Es handelt sich um einen langen Einsatz, denn wir wollen Rafah nicht mit einer intakten terroristischen Infrastruktur verlassen.“ In der nächsten Phase würden die israelischen Streitkräfte ihre Taktik verändern, kündigte der Generalstabschef an.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor in Aussicht gestellt, dass die letzten größeren Kampfverbände der Hamas im Süden des Gazastreifens bald zerschlagen würden. Damit könnte zumindest die großangelegte Bodenoffensive in dem abgeriegelten Küstenstreifen enden. Das würde aber nicht unbedingt ein Ende des Militäreinsatzes bedeuten. Denn Netanjahu und hohe Militärs kündigten bereits mehrfach an, dass israelische Truppen auch nach der Phase der intensiven Kämpfe an strategischen Stellen im Gazastreifen bleiben würden. Darunter fiele vor allem der sogenannte Philadelphi-Korridor, ein 14 Kilometer langer, schmaler Streifen, der bei Rafah auf der Gaza-Seite entlang der Grenze zu Ägypten verläuft.

Israel setzt Gaza-Einsatz fort: Hunderttausende zur Flucht aufgerufen

Israel hatte am Montag angesichts verstärkter Einsätze in mehreren zentralen Vierteln seinen Evakuierungsaufruf für Gaza erweitert. Ein Armeesprecher rief die Bewohner zum Verlassen der Viertel Sabra, Rimal, Tal al-Hawa und al-Daradsch auf. Am Mittwoch folgte dann der Aufruf für die gesamte Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens. Seit Ende Juni hatte es bereits zwei ähnliche Aufrufe gegeben.

Zerstörte Gebäude im Gazastreifen
Im Gazastreifen ist man von einer Waffenruhe noch weit entfernt. © Mahmound Zaki/dpa

Die Vereinten Nationen reagierten am Dienstag bestürzt auf die neuen Evakuierungsaufrufe. Das UN-Menschenrechtsbüro erklärte, es sei „entsetzt“ darüber, dass Bewohner der Stadt Gaza erneut zur Flucht in Gebiete aufgerufen würden, „in denen die Armee Militäroperationen durchführt und in denen weiterhin Zivilisten getötet und verletzt werden“.

Verhandlungen gehen in die nächste Runde

Unterdessen sollen die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas im Tausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen am Mittwoch in Doha weitergehen, nachdem zuvor Gespräche in Kairo stattgefunden hatten. Ägyptische Berichte über bedeutende Fortschritte seien verfrüht, zitierte der israelische Sender Channel 12 eine ranghohe israelische Quelle. Es seien „schwierige und komplexe“ Verhandlungen. Es gebe aber Anstrengungen, um einen Durchbruch zu erzielen.

„Divergenzen“ zwischen Israel und Palästinenser

Ein Durchbruch ist bei den Verhandlungen tatsächlich aber nicht in Sicht. Ein mit den Gesprächen vertrauter Palästinenser sagte der AFP am Montag, es gebe mehrere „Divergenzen“ zwischen beiden Seiten. Dazu gehöre die Ablehnung Israels, 100 palästinensische Häftlinge freizulassen, die zu hohen Strafen verurteilt worden seien und „mehr als 15 Jahre in israelischen Gefängnissen“ verbracht hätten, darunter hochrangige Vertreter der Hamas, Fatah und des Islamischen Dschihad.

Ein weiterer Punkt sei die Forderung der Hamas nach einem vollständigen israelischen Rückzug vom Grenzübergang Rafah zu Ägypten und dem als Philadelphi-Korridor bekannten Landstreifen entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten während der fünften Woche einer Waffenruhe. Die anderen Punkte würden sich auf die Rückkehr von Vertriebenen im Gazastreifen beziehen.

Erdogan will bei Nato-Gipfel über Gazakrieg sprechen

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich erneut in die Gespräche um eine Waffenruhe eingeschaltet. Erdogan betonte vor seiner Reise zum Nato-Gipfel in Washington, dass er das Thema Gazakrieg auf die Tagesordnung der Konferenz setzen möchte. Sein Land verfolge die Gespräche in Katar. „Sowohl unser Geheimdienstchef als auch unser Außenminister verfolgen diesen Prozess“, sagte Erdogan dazu. „Wir hoffen, dass wir das Ergebnis, das wir erwarten, in kurzer Zeit erhalten werden.“

Auslöser des Gaza-Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel verübt hatten. Laut der Gesundheitsbehörde im palästinensischen Gebiet wurden seit Kriegsbeginn mehr als 38.200 Menschen in Gaza getötet. Die Zahl, die nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheidet, lässt sich derzeit nicht unabhängig verifizieren. Israels Armee greift eigenen Angaben zufolge weiterhin Ziele in mehreren Gebieten an. 

UN warnt vor Hungersnot im Gazastreifen

Unterdessen breitet sich im Gazastreifen laut Experten der Vereinten Nationen eine Hungersnot aus. Der Tod weiterer palästinensischer Kinder aufgrund von Hunger und Unterernährung in jüngster Zeit lasse keinen Zweifel daran zu, erklärten die unabhängigen Experten des UN-Kommissariats für Menschenrechte am Dienstag in Genf. Insgesamt seien seit dem 7. Oktober 34 Palästinenserinnen und Palästinenser an Unterernährung gestorben, die meisten von ihnen Kinder. Die 2,2 Millionen Palästinenser im Gazastreifen könnten das Gebiet nicht verlassen, müssten immer wieder fliehen und hungern, da kaum Hilfslieferungen möglich sind. (erpe/dpa/epd/AFP)

Auch interessant

Kommentare

Teilen