Das Bild zeigt Teilnehmende der "re:publica" und im Hintergund das diesjährige Motto "Who cares".
Anne Barth/re:publica

re:publica 2024
Diskussionsrunde mahnt zu Schutz von Forschenden

Die re:publica diskutiert, was uns in Zukunft beschäftigen wird. Auch Wissenschaftsfreiheit ist bei der Digital-Konferenz ein Thema.

Von Katharina Finke 29.05.2024

Derzeit findet in Berlin unter dem Motto "Who cares" die 18. "re:publica" statt. Europas größte Konferenz für Internet und die Gesellschaft ist nach vier Jahren Pause zurück am Veranstaltungsort STATION. Auf 28 Bühnen finden mehr als 800 Programmpunkte mit über 1.500 Vortragenden statt. Auch zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dabei. Am Dienstag sprach auf Bühne 2 beispielsweise eine Diskussionsrunde um Bundeswissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger und die Wissenschaftlerinnen Katrin Kinzelbach, Aysuda Kölemen und Julia Wandt über verfolgte und bedrohte Forschende in Deutschland und weltweit.

Die Diskussion darüber ist laut "re:publica" "in einer Zeit der multiplen Krisen, in der immer wieder über Rechte wie das auf freie Meinungsäußerung oder das der Wissenschaftsfreiheit diskutiert wird", besonders relevant. Alle Teilnehmenden betonten, wie wichtig Wissenschaftsfreiheit für unsere Gesellschaft ist und dass sie durch nichts und niemanden in keiner Form bedroht werden darf. 

Bedeutung von Wissenschaftsfreiheit

Bildungsministerin Stark-Watzinger stieg damit ein, dass dank des Grundgesetzes, dessen 75-jähriges Bestehen aktuell gefeiert wird, "all unsere Freiheiten da sind, wir müssen sie nur verteidigen". Daran knüpfte Katrin Kinzelbach, Professorin für Internationale Politik der Menschenrechte an der Universität Erlangen an, die sich in einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt mit der weltweiten Lage der Wissenschaftsfreiheit beschäftigt hat. "Wir sehen, dass mit der letzten Demokratisierungswelle die Wissenschaftsfreiheit zugenommen hat, sie aber nun stagniert oder rückläufig ist", sagte sie. Insbesondere in autoritären Regimen gäbe es große Rückschritte, aber auch in einigen Demokratien sei ein Rückgang zu beobachten. "Diese Dynamiken sollten uns auch in Deutschland zu denken geben", so Kinzelbach. 

Dem stimmte die Politikwissenschaftlerin Aysuda Kölemen zu und sagte weiter: "Es geht nicht nur um die politische Bedrohung von Wissenschaftsfreiheit, sondern auch darum, dass sie durch die ökonomisch prekäre Situation in der Forschende sich befinden, bedroht wird." Forschende seien zu abhängig von Drittmitteln und anderen im Wissenschaftssystem, so Kölemen, die stellvertretende Europa-Direktorin der "Threatened Scholars Integrative Initiative (TSI)" am Bard College in Berlin, die sich für bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa einsetzt.  

Wissenschaftsfeindlichkeit als zentrales Problem

Auch beim "Scicomm-Support" bekommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Unterstützung, eine bundesweite Anlaufstelle bei Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation, die vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat. Initiiert wurde der "Scicomm-Support" von Julia Wandt, die auf der "re:publica" von ihrer Motivation dafür berichtete. "Wir müssen uns dauerhaft darum kümmern und Unterstützung anbieten, wenn Wissenschaftsfreiheit dauerhaft eingeschränkt wird", sagte sie.

Wichtig für Wandts Arbeit sind, so erklärt sie auf der re:publica, die Erkenntnisse der repräsentativen Umfrage von 2.600 Befragten zu Anfeindungen in der Wissenschaft vom Deutschen Zentrum für Wissenschafts- und Hochschulforschung (DZHW), an der auch Scicomm-Support mitbeteiligt war, und über die Forschung & Lehre bereits im Mai berichtete. "Wissenschaftsfeindlichkeit nimmt aus Sicht der Mehrzahl der Befragten in Deutschland zu", sagte Wandt. "70 Prozent der Befragten sehen eine Zunahme und 45 Prozent haben sie schon mal erlebt." Dies hatte sie auch im April im Interview mit Forschung & Lehre betont. Genau wie, dass entgegen der Erwartungen davon nicht nur bestimmte Forschungsbereiche betroffen sind, sondern alle Wissenschaftsdisziplinen. Angebote wie der „Scicomm-Support“ seien notwendig, damit sich Forschende, wenn sie angegriffen würden, nicht zurückziehen. Auch müssten "alle Netzwerke gegen Wissenschaftsfeindlichkeit geschlossen auftreten". 

Der Großteil der diesjährigen Veranstaltungen auf der "re:publica" widmet sich der Künstlichen Intelligenz. Im Zentrum steht die Frage, welche Herausforderungen sich dadurch ergeben und wie die Gesellschaft die Chancen der Digitalisierung am besten nutzen kann. Wer nicht vor Ort war, kann sich über hundert Veranstaltungen hier ansehen.

Aktualisierte und um ein Zitat von Julia Wandt korrigierte Version, 30.05.2024.