Hände tippen auf einer Laptop-Tastatur, aus welcher rote Lapel aufsteigen mit Hassrede-Begriffen und Emojis.
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Kommunikation
Studie zu Angriffen in der Wissenschaft veröffentlicht

Das DZHW hat eine repräsentative Umfrage zu Anfeindungen in der Wissenschaft veröffentlicht. Das Institut warnt vor einem ernstzunehmenden Problem.

16.05.2024

Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat eine aktuelle Studie zu Angriffen auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veröffentlicht. 45 Prozent der Befragten gaben demnach an, Wissenschaftsfeindlichkeit in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen erlebt zu haben, wie DIE ZEIT mit Verweis auf die Studie vorab berichtete. 

"Die Ergebnisse der Befragung von insgesamt 2.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeigen, dass Anfeindungen gegen Forschende ein ernstzunehmendes Problem sind. Sie betreffen keineswegs nur Professorinnen und Professoren, sondern Personen auf allen Positionen innerhalb der akademischen Gemeinschaft", sagt Clemens Blümel, der als Forscher am DZHW die Erhebung leitet. Dabei kämen die Angriffe nicht immer von außen: "Auch innerhalb der Wissenschaft selbst gibt es Anfeindungen und abwertendes Verhalten", so Blümel. 

Anfeindungen aufgrund politischer Entscheidungen 

Die Studie ergab, dass Anfeindungen, Abwertungen oder sogar Angriffe gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunähmen, weil die Beziehung zwischen der Gesellschaft und der Wissenschaft immer komplexer werde. Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Expertise würden immer stärker in der öffentlichen Debatte ausgehandelt und kommuniziert, was vermehrt Spannungen erzeuge. 

Das sei vor allem dann der Fall, wenn wissenschaftliche Ergebnisse als Grundlage für gesellschaftlich und politisch umstrittene Entscheidungen dienen. "Die Wut über diese politischen Entscheidungen oder das Gefühl, dass die eigenen menschlichen Handlungsmöglichkeiten begrenzt werden, können sich dann auch in Angriffen gegen Forschende niederschlagen. Darauf deuten insbesondere offene Antworten aus der Befragung hin", erklärt Clemens Blümel. Ihm zufolge werfen die Ergebnisse der Befragung weitere Fragen auf, die in qualitativen Interviews oder Diskussionen mit Fokusgruppen genauer betrachtet werden können. 

"Die Wut über diese politischen Entscheidungen kann sich dann auch in Angriffen gegen Forschende niederschlagen."
Clemens Blümel, Forschungsleiter der DZHW

Knapp fünf Prozent der Befragten berichteten laut ZEIT-Berichterstattung von Todesdrohungen, sieben Prozent von Hassrede, zwölf von persönlicher Diskriminierung. Am weitesten verbreitet seien herablassende Äußerungen und bewusst verletzende Kritik, mit der die Kompetenz der Forschenden in Zweifel gezogen werde. Eine Zunahme an Wissenschaftsfeindlichkeit beobachteten 70 Prozent der Befragten. 

Schutz gegen Anfeindungen, Angriffe und Diffamierungen 

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten bestenfalls befähigt werden, sich gegen Anfeindungen, Angriffe und Diffamierungen zu schützen. Der Projektverbund "Kapazitäten und Kompetenzen im Umgang mit Hassrede und Wissenschaftsfeindlichkeit" (KAPAZ) bietet dafür erste Lösungsansätze.

"Wir erforschen nicht nur das Ausmaß und die Ausprägungen von Wissenschaftsfeindlichkeit. KAPAZ schafft außerdem institutionelle Unterstützungsstrukturen für Hochschulen und Forschende. Mit unseren Angeboten vermitteln wir den Betroffenen die nötigen Skills, um Anfeindungen vorzubeugen und Angriffen entgegenzuwirken", sagt Projektleiterin Nataliia Sokolovska, Forschungsleiterin am "Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft" (HIIG). 

"Kritische Diskurse sind natürlich etwas anderes als Anfeindungen und Diskreditierungskampagnen. Letztere können aber zur Selbstzensur unter Forschenden führen. Im schlimmsten Fall wird dann unter großem Druck zu wichtigen Themen nicht mehr geforscht, etwa im Bereich Klimawandel", ergänzt sie. 

Weitere Informationen 

Scicomm-Support, initiiert von Bundesverband Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog: Leitfäden, Weiterbildungen und Schulungen sowie persönliche telefonische Beratung (täglich von 7 bis 22 Uhr) zu Angriffen und unsachlicher Kritik auf die Wissenschaft.

Bundesverband Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog: Leitlinien für gute Wissenschaftskommunikation. 

Humboldt-Universität zu Berlin: Handlungsempfehlungen im Umgang mit konfliktträchtigen Themen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Studienergebnisse sollen Unterstützungsstrukturen verbessern 

In diesem Kontext leistet seit Juli 2023 der "Scicomm-Support", eine zentrale bundesweite Beratungsstelle für Forschende, Unterstützung bei konkreten Anfeindungen. – "Forschung & Lehre" interviewte kürzlich Julia Wandt, Mitinitiatorin des "Scicomm-Supports". 

Die gewonnenen Studienergebnisse fließen in Unterstützungsangebote ein, die Forschende künftig beim Umgang mit Wissenschaftsfeindlichkeit unterstützen. 
Hierfür werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt: 

  • Die Weiterentwicklung der bundesweiten Beratungsstelle für Forschende und Wissenschaftskommunizierende "Scicomm-Support", 
  • die Entwicklung von Leitlinien mit ersten Maßnahmen für Betroffene in kritischen Situationen, 
  • ein Train-the-Trainer-Programm für Kommunikationsverantwortliche an Hochschulen und 
  • weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen sowie eine Sommerschule für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der frühen Karrierephase.

cva