Die Fleece- oder Stepp-Vesten haben es bis in die Popkultur geschafft: Ob in der HBO-Serie "Silicon Valley" oder Instagram-Accounts mit hunderttausenden Followern.
Die Fleece- oder Stepp-Vesten haben es bis in die Popkultur geschafft: Ob in der HBO-Serie „Silicon Valley“ oder Instagram-Accounts mit hunderttausenden Followern.
PictureAlliance,Patagonia,MidTownUniform; Collage: Business Insider

Patagonia-Westen sind seit Jahren ein Meme-Kleidungsstück in der Investmentbanker- und Berater-Szene auf Instagram, Tiktok und Co.

Jelle Mul, Senior Marketing Manager EMEA bei Patagonia, sagt, dass er selbst nicht weiß, wo der Trend herkommt – zumal das Unternehmen und sein Marketing-Team sozial wie ökologisch verantwortungsbewusstes Handeln ins Zentrum stellen.

„Wir können den Menschen nicht sagen, dass sie unsere Produkte nicht kaufen sollen“, sagt Mul. Als Marketing-Manager könne er sie nur mit Aktivismus und Verantwortung aufladen – sodass diese Aspekte im Zentrum stehen.

„I’m looking for a man in Finance, trust fund, 6’5, blue eyes“, lautet der Text eines viralen Tiktok-Songs. Ergänzen könnte man in dieser Auflistung: „Patagonia-Weste“.

Denn die grauen Fleece- oder dunkelblauen Stepp-Westen der Outdoor-Marke – stets getragen über einem Business-Hemd, gerne von Ralph Lauren – sind seit Jahren das It-Piece der Investmentbanker-Szene in den sozialen Medien. Um die Weste hat sich ein ganzer Instagram-Account formiert.

Die Frage an Patagonias Marketing-Manager Jelle Mul lautet deshalb: Warum? Und vor allem: Warum ausgerechnet Patagonia – eine Marke, die Verantwortung zum Markenkern gemacht hat und sich selbst als aktivistisches Unternehmen bezeichnet?

Jelle Mul arbeitete schon für Marken wie O'Neill und Etnies und ist seit 2017 bei Patagonia – aktuell als Senior Marketing Manager EMEA.
Jelle Mul arbeitete schon für Marken wie O’Neill und Etnies und ist seit 2017 bei Patagonia – aktuell als Senior Marketing Manager EMEA.
Patagonia/Jelle Mul

„Fashion is none of our business“, also etwa „Mit Mode haben wir nichts zu tun“, lautete kürzlich ein Werbeslogan. Seit Jahren hat sich Patagonia immer mehr Regeln zur sozialen und ökologischen Verantwortung auferlegt; es hat die Initiative „One Percent for the Planet“ mitgegründet, bei der ein Prozent des Umsatzes an Umweltorganisationen gespendet werden.

Und das Milliardenunternehmen liegt seit 2022 in der Hand einer gemeinnützigen Organisation. Kaum eine andere Marke genießt beim Thema Nachhaltigkeit und Transparenz so viel Vertrauen bei den Kunden.

Patagonia oder Patagucci: „Ich hoffe, dass sie die Weste aus den richtigen Gründen tragen“

An Muls Marketing liegt die Westen-Obsession der Banker jedenfalls nicht, sagt er. „Unser Ziel ist es, zeitlose, nicht-trendige Produkte für den vorgesehenen Verwendungszweck zu bauen“ – also den jeweiligen Outdoor-Sport. Und die Kunden über verantwortungsbewussten Konsum zu informieren, sagt Mul.

Und trotzdem sind die zeitlosen und oft etwas teureren Kleidungsstücke immer wieder zum Hype-Produkt geworden. Spitznamen für die Marke: Patagucci oder Fratagonia. „Ich habe absolut keine Ahnung, warum die Patagonia-Westen zu einem beliebten Artikel in der Finanzbranche geworden sind“, sagt Mul ein wenig hilflos. Er bezweifelt auch, dass der Trend so groß ist, wie er oft dargestellt werde.

„Aber ich hoffe inständig, dass diese Leute die Westen aus den richtigen Gründen tragen.“

Die richtigen Gründe, das sind für Mul eben der jeweilige Sport und die Werte des Unternehmens. Da sollte man Menschen – und Kunden – also nicht nach ihrem Äußeren beurteilen: „Wer wären wir, zu sagen, dass jemand nicht für eine große Bank arbeiten und in seiner Freizeit für eine NGO tätig sein oder auf hohe Berge klettern kann“, sagt Mul.

Social Media-Beiträge dürften diese Hoffnung ins Wanken bringen:

Co-Brandings als Meme-Ursprung?

Dass die Menschen Patagonia nicht nur für ,den richtigen Zweck‘ kaufen, ist nicht neu. Schon nach der Einführung mehrerer Farbvarianten kauften Menschen mehr, als sie brauchten. Und wie bei jeder Outdoor-Marke kommen dann auch Kunden dazu, die nicht unbedingt die vorgesehene Sportart betrieben. Man denke beispielsweise an wenig Outdoor-affine Großstädter in Jack-Wolfskin-Funktionsjacken.

Auch ein anderes Angebot dürfte nicht geholfen haben: Patagonia bot Unternehmenskunden, darunter Banken, ein sogenanntes Co-Branding an. Firmen konnten also Artikel wie die Fleece- oder Stepp-Westen mit dem eigenen Firmenlogo besticken lassen. Das perfekte Mitarbeiter-Goodie in Tech-Startups und bei Investmentfirmen, die nach der Finanzkrise einen neuen Look und ein neues Image suchten.

Der Trend wurde so groß, dass Patagnoia das Angebot denn 2019 öffentlichkeitswirksam einstellte. Seitdem bekommen nur noch solche Firmen von Patagonia ein Co-Branding angeboten, die die Firmenphilosophie teilen.

Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen und dafür entschuldigen wir uns nicht.
Jelle Mul
((Senior Marketing Manager, Patagonia))

Die Westen sind bei weitem nicht das einzige Hype-Objekt der Marke. Wer in Großstädten unterwegs ist, sieht öfter die T-Shirts mit dem ikonischen Patagonia-Logo – gehäuft in der Nähe von Boulderhallen. Wie macht man also Marketing für eine Hype-Marke, die aus Überzeugung eigentlich ein Problem damit hat, gehypet zu werden und Konsumismus zu fördern?

„Unsere Marketing-Kampagnen mögen einen Hype auslösen – aber sie sind nicht dazu gedacht, einen Hype zu erzeugen“, sagt Mul. Berühmt geworden ist beispielsweise die „Don’t buy this jacket“-Werbung, die das Unternehmen vor dem Black Friday 2011 in der „New York Times“ schaltete. Sie klärte über die Folgen von Konsumismus für die Umwelt auf. Und trotzdem stiegen die Verkaufszahlen von Patagonia im selben Jahr um 30 Prozent.

„Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen und dafür entschuldigen wir uns nicht“, sagt Mul im Gespräch. Aber er gibt offen zu: „Wir verkaufen Produkte und wollen den Planeten retten. Das erzeugt natürlich Reibung.“

Patagonia: Marketing zwischen Sales und Aktivismus

Aus Marketing-Perspektive macht Mul daher einige Dinge anders. Die KPIs seien beispielsweise anders als in üblichen Marketing-Abteilungen. Nicht bloß Verkäufe steigern, sondern Aufmerksamkeit für Umweltprobleme oder -projekte herstellen. Den Versuch eines Verbots der Fischzucht in Island oder die Erhaltung wilder Flüsse im Balkan – Regionen, in denen das Unternehmen quasi kein Geschäft habe.

Außerdem versucht Patagonia durch Repair-Touren und -Kampagnen das Bewusstsein für Reparatur stärken. Wobei das Unternehmen markenunabhängig Kleidung repariert und versucht, andere Hersteller mit ins Boot zu holen.

Muls Motto ist nicht zuletzt: Den Kunden gegenüber transparent bleiben, auch über die eigenen Fehler. Und sie im Zweifelsfall über die Produkte selbst aufklären – wo wieder die Logo-Shirts ins Spiel kommen. Das Unternehmen habe nämlich gemerkt, dass viele Kunden nicht wissen, wofür Patagonia steht. Also hätten sie Informationen in das T-Shirt gedruckt: „wie viel Wasser bei der Produktion verbraucht wird oder welche recycelten Materialien verwendet werden“, sagt Mul. So versuche man aufzuklären.

„Wir können den Menschen nicht sagen, dass sie unsere Produkte nicht kaufen sollen“, sagt Mul, „Alles, was wir tun können, ist das Produkt mit so viel Aktivismus und Verantwortung aufzuladen, dass die Leute es aus diesen Gründen mit Stolz tragen.“