Pessimistisch sein Diesen Vorteil haben Pessimisten

Author: Delia Friess

Published at: 22-5-2024

Die Prüfung geht sowieso schief, einen Job kriegt ihr nie, alle sind gegen euch. Denkt ihr oft so negativ? Wir erklären, warum manche Menschen eher Pessimisten oder Optimisten sind, was pessimistisch sein bedeutet - und ob das wirklich immer schlecht ist.

Mann schaut pessimistisch auf sein Handy. Die Prüfung geht sowieso schief, einen Job kriegt ihr nie, alle sind gegen euch. Denkt ihr oft so negativ? Wir erklären, warum manche Menschen eher Pessimisten oder Optimisten sind, was 'pessimistisch' bedeutet - und ob das wirklich immer schlecht ist. | Bild: colourbox.com

Definition Pessimismus: Was bedeutet "pessimistisch" einfach erklärt?

Das Wort Pessimismus geht auf das lateinische Wort 'pessimus' zurück, der höchsten Steigerungsform des lateinischen Adjektivs 'malus', das übersetzt 'schlecht' heißt. Wer pessimistisch ist, hat negative Erwartungen an die Zukunft. Pessimisten haben eine negative Einstellung zu fast allem. Oft wirken sie schlecht gelaunt bis hoffnungslos.

Für die Studie "Jugend in Deutschland" wurden rund 2.000 Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren befragt. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren waren junge Menschen pessimistischer. Dies sei vor allem auf die gesellschaftlich-politische Lage zurückzuführen.

Zwei Formen von Pessimismus: Das eigene Leben und die ganze Welt pessimistisch sehen

Ein junger Mann schaut pessimistisch aufs Handy. Denkt ihr oft negativ? Wir erklären, warum manche Menschen eher Pessimisten oder Optimisten sind, was 'pessimistisch' bedeutet - und ob das wirklich immer schlecht ist. | Bild: colourbox.com

Ihr könnt pessimistisch auf bestimmte Situationen in der Zukunft blicken oder eine grundsätzlich pessimistische Weltsicht haben.

Laut dem Psychologen und Alternsforscher Frieder Lang von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg lassen sich zwei Ansätze von Pessimismus unterscheiden: Die erste Form von Pessimismus äußert sich durch negative Erwartungen an bestimmte Lebenssituationen. Der Pessimismus ist dabei also situationsbedingt und nicht zwangsläufig dauerhaft. Menschen mit negativen Erwartungen an bestimmte Lebensereignisse in der Zukunft müssen nicht generell eine pessimistische Grundhaltung haben. Die zweite Form von Pessimismus kann sich durch eine grundsätzliche pessimistische Weltsicht äußern. Bei dieser zweiten Form von Pessimismus kann die pessimistische Grundhaltung das eigene Leben, aber auch die Weltlage betreffen. Häufig ist der Übergang dabei fließend. "Das passiert, wenn Menschen denken, dass die Welt keine Angebote mehr für sie bereitstellt", sagt Frieder Lang. Solche Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht können sich dann auch in Zukunfts- oder Klimaangst äußern.

Beide Formen von Pessimismus seien nicht zwangsläufig aneinander gekoppelt, bestätigt auch der Neurowissenschaftler und Autor Henning Beck: "Wenn man Menschen fragt 'Wie schätzt du die Welt ein?' kommt häufig eine pessimistische Antwort. Fragt man Menschen aber 'Wie schätzt du dein eigenes Leben ein?', ist die Antwort oft optimistischer."

Audio: Was zeichnet einen Pessimisten aus?

Beispiele für Pessimismus: Ab wann ist man pessimistisch?

Ob ihr eher Pessimisten seid, könnt ihr testen:

Ihr leidet vor der Klausur unter Prüfungsangst und denkt: "Da werde ich nicht gut abschneiden oder durchfallen." Ihr befürchtet nach einem Vorstellungs- oder Mitarbeitergespräch: "Wahrscheinlich entscheiden sie sich eh' nicht für mich!" Oder: "Die Gehaltserhöhung kriege ich nie!" Geld spart ihr lieber, weil ihr glaubt, dass ihr nächstes Jahr vielleicht weniger zur Verfügung habt? Denn: Die Wirtschaftslage macht euch Sorgen.

Und überhaupt: Es kann eurer Ansicht nach nur schlechter werden. Seid ihr oft pessimistisch, nachdem ihr beim Scrollen durch die sozialen Netzwerke schlechte Nachrichten über die Klimakrise, Kriege und die Wirtschaftslage gesehen habt?

"Eine generelle pessimistische Grundhaltung entwickelt sich häufig, wenn Menschen das Gefühl bekommen, durch das eigene Handeln nichts mehr verändern zu können", erklärt der Alternsforscher Frieder Lang. Habt ihr beispielsweise das Gefühl, dem Klimawandel und seinen Folgen hilflos gegenüberzustehen und nichts dagegen tun zu können, kann das zu einer pessimistischen Sicht auf die Welt führen.

Ursachen: Woher kommt der Pessimismus?

Ob ihr eher zu Pessimismus neigt, hängt von vielen verschiedenen Faktoren wie eurer Persönlichkeit, Umwelteinflüssen, Erziehung und Erfahrungen ab, die ihr im Laufe eures Leben sammelt. Die Annahme, dass Pessimismus und das Gefühl der Ohnmacht zusammenhängen, geht auf das Konzept der 'Erlernten Hilflosigkeit' von Martin Seligman, dem Begründer der Positiven Psychologie, zurück.

Auch Gene spielen eine Rolle, ob jemand eher zu Pessimismus oder zu Optimismus neigt. Jedoch tendieren nicht alle Menschen gleich stark zu einer pessimistischen oder optimistischen Grundhaltung. Und es gibt kulturelle Unterschiede: "Der überwiegende Teil der Weltbevölkerung ist optimistisch", sagt Henning Beck. In Europa seien die Menschen jedoch pessimistischer als in Asien. "Pessimismus kommt häufiger in Industrienationen vor, in denen es bereits einen hohen Lebensstandard gibt. Die junge Generation muss sich nicht mehr stark anstrengen. Anders war es noch in den Generationen davor, die wollte, dass es ihre Kinder mal besser haben als sie selbst", meint der Neurowissenschaftler.

Vorteile: Was ist besser - Pessimismus oder Optimismus?

Bunte Post-its mit Smileys. Denkt ihr oft negativ? Wir erklären, warum manche Menschen eher Pessimisten oder Optimisten sind, was 'pessimistisch' bedeutet - und ob das wirklich immer schlecht ist. | Bild: colourbox.com

Pessimismus kann bei chronischen Erkankungen durchaus hilfreich sein.

Urmenschen hat eine pessimistische Denkweise geholfen, mögliche Gefahren vorauszusehen. Situationen gründlich zu durchdenken und sich auch auf einen negativen Ausgang möglichst gut vorzubereiten, kann auch heute noch helfen: Zum Beispiel wirkt sich Pessimismus positiv auf chronische Erkrankungen und den Gesundheitszustand im Alter aus. Der Alternsforscher Frieder Lang von der Universität Erlangen-Nürnberg hat gemeinsam mit Kollegen den Einfluss von Pessimismus und Optimismus auf die Gesundheit untersucht. Demnach treffen realistisch-pessimistische Menschen eher gesundheitliche Vorsichtsmaßnahmen. Sie können sich außerdem besser an gesundheitliche Einschränkungen im Alter anpassen und sogar besser mit Verlusten umgehen. Eine 2019 veröffentlichte Studie zeigte außerdem, dass kranke Menschen gesundheitliche Beeinträchtigungen psychisch besser verarbeiten, wenn sie ihren Gesundheitszustand realistisch einschätzen. In diesem Zusammenhang sprechen die Forscher von einem realistischen Pessimismus, der aber nicht gleichzusetzen ist mit Fatalismus, Zynismus oder Resignation. Blicken Patienten übertrieben optimistisch einer möglichen Genesung entgegen, ginge dies häufiger mit einem schlechteren Krankheitsverlauf einher. Ein möglicher Grund: Wenn man das Beste erwartet, kann das Enttäuschungen auslösen, die wiederum Stress zur Folge haben. Stresshormone wie Cortisol können sich negativ auf die Gesundheit und den Genesungsprozess auswirken.

Optimisten seien aber evolutionär im Vorteil, meint Henning Beck. "Wenn wir alle pessimistisch wären, könnten wir nicht überleben: Niemand würde Beziehungen eingehen oder heiraten, denn statistisch halten viele Ehen nicht. Wenn wir alle Pessimisten wären, kämen wir nicht mehr ins Handeln. Dann müssten wir nur noch auf die Apokalypse warten. Der Optimist nimmt die Herausforderungen an und versucht, Probleme zu lösen", erläutert der Neurowissenschaftler.

Zitat: Warum Optimismus besser als Pessimismus ist

"Pessimisten schreiben Probleme der Menschheit in die Zukunft fort, ohne zu berücksichtigen, dass sich die Menschheit entwickelt und neue Lösungen für Problemfelder hervorbringen wird. Wenn vor vierzig Jahren jemand gesagt hätte, dass wir für viele Probleme heute Lösungen gefunden haben, hätten das wahrscheinlich wenige geglaubt. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen naiv-optimistischen und optimistisch-unzufriedenen Menschen. Letztere geben sich nicht mit einem Problem zufrieden, sondern arbeiten in Aussicht auf Besserung an einer Lösung. Sie gehen davon aus, dass ihre Handlungen einen positiven Effekt haben. Die größten Genies waren deshalb immer Optimisten."

Henning Beck, Neurowissenschaftler und Autor

Video: Warum Zukunftsentwürfe pessimistisch oder optimistisch sein können

Unterschied pessimistisch und depressiv: Ist Pessimismus eine Krankheit?

Pessimismus ist keine Krankheit, sondern eine Haltung, die sich in verschiedenen Emotionen wie Trauer oder Hoffnungslosigkeit äußern kann. Pessimismus kann auch ein Symptom einer Depression sein. Die Begriffe depressiv und Depression werden aber häufig umgangssprachlich und populärwissenschaftlich verwendet. Eine Depression ist jedoch eine Diagnose aus der klinischen Psychologie, die an bestimmte Kriterien geknüpft ist, sagt der Alternsforscher Frieder Lang. Alle Menschen seien mal pessimistisch und nicht jeder ist immer gut gelaunt. Das sei aber nicht gleichzusetzen mit der Krankheit Depression. Auf der Seite der Deutschen Depressionshilfe findet ihr weitere Infos über Depressionen und Hilfsangebote.

Video: Was ihr gegen pessimistische Gedanken tun könnt

Tipps: Wie ihr pessimistische Gedanken bekämpfen könnt

  • Sucht nach Möglichkeiten, euer Leben aktiv zu gestalten. Das schafft Perspektiven. Je aktiver ihr euer Leben gestaltet, desto weniger überkommt euch das Gefühl der Hilflosigkeit oder Ohnmacht. Eventuell kommt auch ein beruflicher oder privater Neuanfang infrage. Informiert euch über Freizeitmöglichkeiten, Hilfsangebote bei Einsamkeit oder Weiterbildungsmöglichkeiten in eurer Nähe.
  • Blickt ihr pessimistisch auf bestimmte Lebenssituationen wie Abschlussprüfungen in der Schule und im Studium oder berufliche Stationen, solltet ihr die Gründe hinterfragen. Vertrauenslehrer, Studienberatungen und Psychologen können euch dabei helfen, mögliche Blockaden und Hindernisse wie Perfektionismus oder Prüfungsangst zu überwinden und Erfolgsstrategien zu entwickeln.
  • Die Glücksforschung geht davon aus, dass vor allem intakte Beziehungen glücklich machen. Baut ihr glückliche Beziehungen auf, kann das in Zukunft zu mehr Zufriedenheit führen. Auch Körperkontakt macht nachweislich glücklich. Aber nicht nur Partnerschaften, auch oberflächlichere Bekanntschaften wie im Sportverein, mit Nachbarn oder ein gutes Kollegenteam können zufriedener machen.
  • Trauert verpassten Chancen nicht hinterher. Eine Studie der Universität Hamburg kam zu dem Schluss, dass Menschen, die verpassten Chancen weniger hinterhertrauern, im Alter glücklicher und resilienter sind.
  • Akzeptiert, dass sich mit zunehmendem Alter das Risiko für Erkrankungen steigert oder ihr mit Verlusten konfrontiert seid. Setzt ihr euch damit auseinander, dass ihr im Alter vielleicht mit Einschränkungen konfrontiert seid, kann das sogar zu mehr Zufriedenheit und einer besseren Gesundheit in der Zukunft beitragen.
  • Versucht, eure Aufmerksamkeit auf positive und angenehme Aspekte in eurem Leben zu richten. Das können Pausen vom Alltag wie ein Treffen mit Freunden oder ein Kinobesuch sein. Auch Spaziergänge in der Natur helfen dabei, Stress abzubauen.
  • Strategien aus der Positiven Psychologie können euch dabei helfen, den Fokus stärker auf positive statt auf negative Emotionen und Grübeleien zu legen. Zu den Methoden der Positiven Psychologie gehört auch das Führen eines Dankbarkeitstagebuches, das den Blick auf die positiven Aspekte in eurem Leben schärfen soll. Dafür könnt ihr euch jeden Tag drei positive Erlebnisse oder Emotionen aufschreiben.
  • Schätzt das Positive in eurem Leben wert: So könne die eigene Situation im Vergleich zur Weltlage auch in einem helleren Licht erscheinen, meint der Psychologe und Alternsforscher Frieder Lang.
  • Wenn ihr das Wort "Krise" hört oder lest, ist das noch kein Grund zu verzweifeln. Das Wort beschreibt zwar einen Ausnahmezustand, der jedoch noch nicht ausweglos ist. Das bedeutet, die Gesellschaft kann eine Krise auch positiv bewältigen. Beispiele sind die Klimakrise oder das Artensterben. Hier findet ihr Tipps, wie ihr achtsam mit sozialen Medien und negativen Nachrichten umgehen könnt.
  • Wenn ihr euch in der Gesellschaft engagiert, fühlt ihr euch weniger ohnmächtig. Stimmt euch beispielsweise das Wort Klimakrise pessimistisch, könnt ihr stärker auf euren Konsum achten. Seid ihr wegen des Ukrainekrieges besorgt, könnt ihr euch für ukrainische Geflüchtete engagieren. Auch kleine Gesten helfen: Beispielsweise könnt ihr Kleider spenden.
  • Werdet aktiv in Bereichen, in denen ihr etwas verändern könnt: Eine Möglichkeit ist, Benachteiligten und Geflüchteten zu helfen, zum Beispiel durch Nachhilfe- oder Deutschunterricht und beim Lesenlernen. Bildungserfolge wirken sich langfristig auch positiv auf die Wirtschaft aus.
  • Um Probleme nicht zu über- und nicht zu unterschätzen, solltet ihr euch umfassend auf zertifizierten Webseiten über ein Problem informieren.
  • Findet eine Balance zwischen Pessimismus und Optimismus. Weder naiv-optimistische noch dystopisch-pessimistische Einstellungen sind besonders zielführend.

Quellen und Sendungen: Weitere Infos über Pessimismus und Tipps für mehr Optimismus