Depressionen Wie ihr aus dem seelischen Tief kommt

Stand: 16.07.2024

Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Die Zahl der psychisch Erkrankten steigt, auch unter Jugendlichen. Was können Betroffene und Angehörige tun? Hier findet ihr Infos und Anlaufstellen.

Depressionen gehören zu den häufigsten und am meisten unterschätzten Erkrankungen. Jeder fünfte Bürger erkrankt ein Mal im Leben an einer Depression. | Bild: picture alliance/Westend61/Francesco Buttitta

Depressionen können den Alltag unerträglich machen, Beziehungen ruinieren und Betroffene sozial isolieren. Sie sind mittlerweile die Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit oder Frührente und die wichtigste Krankheitsursache überhaupt, wenn es um den Verlust von gesunden Lebensjahren durch gesundheitliche Einschränkungen geht. Mit der Zahl der Betroffenen steigt auch das Bewusstsein für die Depression als ernstzunehmende Krankheit. Und trotzdem rückt sie erst allmählich aus der Tabuzone.

Depressionen: Nicht immer leicht zu diagnostizieren

Eine Depression zu diagnostizieren ist nicht immer einfach. Die Krankheit ist "ein Chamäleon unter den Erkrankungen", so das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Sie kann sich in ganz unterschiedlichen Anzeichen mehr oder weniger bemerkbar machen. Sind körperliche Symptome dominant, ist der Rückschluss auf eine Depression auch für Ärzte oft nicht sofort naheliegend.

Zitat: Wann spricht man von einer Depression?

"Eine Depression ist eine häufige und schwere Erkrankung. Man spricht - rein formal - von einer Depression, wenn mehrere Krankheitszeichen für mindestens 14 Tage vorliegen."

Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Depressionshilfe

Video: Wie sich eine Depression zeigt

Symptome: Welche Anzeichen begleiten eine Depression?

  • gedrückte Stimmung
  • Interesse- und Freudlosigkeit
  • Antriebslosigkeit, bleierne Müdigkeit
  • Ängste, innere Unruhe
  • geringes Selbstwertgefühl, vermehrte Selbstkritik
  • Konzentrationsprobleme, Grübelneigung, Entschlussunfähigkeit
  • Schuldgefühle
  • Zukunftsangst
  • Schlafstörungen oder erhöhtes Schlafbedürfnis
  • Gefühl "alles wird zu viel"
  • "Gefühl der Gefühllosigkeit", innere Leere
  • Appetitlosigkeit
  • tiefe Verzweiflung, Todesgedanken
  • körperliche Symptome, für die es keine Erklärung gibt (Infos der Deutschen Depressionsliga)

Auswirkungen: Depressionen bei Frauen und bei Männern

Männer sind hart im Nehmen, tapfer und willensstark, Frauen sanft und empfindsam - so die Stereotypen, die in der Gesellschaft zum Teil noch vorherrschen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Männer sich bei psychischen Problemen seltener Hilfe holen oder nicht darüber sprechen können. Untersuchungen zufolge erleben Männer Depressionen anders: Sie können gereizt sein, zu Aggressionen neigen, zu Alkohol oder Drogen greifen. Auch ist die Zahl der Suizide - Hauptrisikofaktor dafür sind Depressionen - bei ihnen höher als bei Frauen.

"Winterdepression": Welche Rolle spielen Jahreszeit und Wetter?

Vielleicht kennt ihr das: Mit der dunklen Jahreszeit kommt die Antriebslosigkeit, mit den Temperaturen fällt auch das Stimmungsbarometer. Viele sprechen dann vom Winterblues, oder gar: einer Winterdepression. Eine saisonal abhängige Depression (SAD) gibt es tatsächlich - doch nur etwa 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung leiden darunter. In den meisten Fällen handelt es sich um typische Depressionen, die schlicht im Winter auftreten. Noch wahrscheinlicher ist es eine ganz normale Reaktion. Im Winter gibt es weniger Tageslicht, wir benötigen im Schnitt mehr Schlaf und kommen wegen der Kälte zu weniger Bewegung an der frischen Luft. Das alles wirkt sich negativ auf die Ausschüttung von Glückshormonen aus. Dazu kommen Feiertage wie Weihnachten und Neujahr, die belastend für Menschen sein können, welche sich vielleicht ohnehin einsam fühlen.

Im Gegensatz zur (echten) Winterdepression gibt es die Diagnose "Sommerdepression" nicht. Und doch kann auch die warme Jahreszeit depressiven Menschen zu schaffen machen. Denn während im Winter gefühlt kollektiv das Leben um einen herum einschläft, ist im Sommer der Kontrast größer, der Vergleich womöglich schmerzhafter. Draußen das blühende Leben, Menschen in Biergarten- und Urlaubsstimmung. Dinge, die man sich selbst gerade schwer vorstellen kann. Und längere Tage, die es gilt zu bewältigen.

Video: Warum über Depressionen noch zu wenig gesprochen wird

Zahlen: Wie viele Menschen sind von Depressionen betroffen?

Absolute Zahlenangaben zu den Betroffenen schwanken, je nach Quelle: Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO haben weltweit etwa 280 Millionen Menschen Depressionen (Stand: 2023). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung geht sogar von 350 Millionen Menschen weltweit aus, die an einer Depression leiden. Nur jeder vierte Betroffene werde demnach adäquat behandelt. Die Gefahr, im Laufe des Lebens eine behandlungsbedürftige Depression zu entwickeln, liegt bei 16 bis 20 Prozent, meint die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Generell sind Frauen häufiger betroffen als Männer, ältere Menschen häufiger als junge. Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der jungen Betroffenen angestiegen, ein Trend, der sich auch in der Gesamtbevölkerung bemerkbar macht.

Ursachen: Wie kann es zu einer Depression kommen?

Experten haben verschiedene Theorien, wie eine Depression entstehen kann. Man vermutet, dass dabei oft mehrere Faktoren zusammen kommen. Zu diesen auslösenden Faktoren zählen laut der Stiftung Gesundheitswissen:


Auch ein Mangel oder Ungleichgewicht des Botenstoffs Serotonin wurde lange zu diesen Faktoren gezählt. Doch die Rolle des Serotonin-Haushalts wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2022 kam zum Schluss, dass die Konzentration des Botenstoffs im Gehirn mit der Entstehung von Depressionen wenig zu tun hat.

Zitat: Depressionen - Stigmatisierung und Vorurteile

Mai Thi Nguyen-Kim und der Schriftzug "Depression". Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Obwohl viele an der psychischen Erkrankung leiden, wird nur wenig darüber gesprochen. Hier findet ihr Infos und Anlaufstellen. | Bild: Funk

"Auch wenn immer häufiger über psychische Gesundheit gesprochen wird, leidet das Thema Depressionen immer noch unter viel Stigmatisierung oder falschen Vorurteilen. Depressionen werden häufig gar nicht als Krankheit ernst genommen." Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in ihrem Video "Antidepressiva - ja oder nein?"

Selbsttest: Seid ihr von einer Depression betroffen?

Jeder ist mal "mies drauf" oder bedrückt. Gründe dafür gibt es genug: Ärger im Beruf, Streit mit dem Partner oder der Partnerin, Stress oder auch nur das schlechte Wetter. Auch bei solchen normalen und vorübergehenden Stimmungstiefs spricht man schnell davon, "deprimiert" zu sein. Mit einer Depression im medizinischen Sinne hat das aber nichts zu tun. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet zur ersten Einordnung einen Selbsttest an. Bei Verdacht auf eine depressive Erkrankung solltet ihr in jedem Fall ärztliche Beratung aufsuchen.

Video: Wege aus der Depression

Therapie: Depressionen lassen sich behandeln

Depressionen verschwinden nicht von alleine. Deshalb ist es wichtig, nicht zu resignieren. Denn die Krankheit hat gute Heilungschancen. Ihr solltet euch schnell Hilfe suchen und dann auch sobald wie möglich mit einer Behandlung beginnen. Gegen Depressionen gibt es zwar kein Allheilmittel, doch eine individuelle Therapie und/oder Medikamente helfen den Betroffenen in sehr vielen Fällen, die Krankheit gut in den Griff zu bekommen.

Antidepressiva sollen laut aktuellen ärztlichen Leitlinien nur bei schweren Depressionen eingesetzt werden. Bei leichten und mittelschweren Depressionen sind sie wenig oder kaum wirksam. Hier können Psychotherapie und Veränderungen in der Lebensführung, wie ein ausgeglichener Tag-Nacht-Rhythmus oder Sport, helfen. In der Behandlung mit Medikamenten geht man inzwischen auch neue Wege - zum Teil mit sehr guten Ergebnissen. So werden psychoaktive Substanzen, aber auch Botox oder Ketamin eingesetzt.

Video: Wann und wo ihr euch Hilfe suchen solltet

Depressiv im Beruf: Die Rolle der Arbeit bei Depressionen

Bei jedem und jeder fünften Beschäftigten in Deutschland wurde schon einmal eine Depression diagnostiziert. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Untersuchung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, bei der 5.283 Personen im September 2021 befragt wurden. Doch die Rolle der Arbeit bei der Entstehung einer depressiven Erkrankung wird bei den Befragten überschätzt. Häufig werde Überforderung "als Ursache und nicht als Folge der Depression angesehen", erklärt Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Depressionshilfe.

Grafik zu Depression in Unternehmen. Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit, Erschöpfung - das können Symptome einer Depression sein. Obwohl viele an der psychischen Erkrankung leiden, wird nur wenig darüber gesprochen. Hier findet ihr Infos und Anlaufstellen. | Bild: Deutschland Barometer Depression: Simple Line / stock.adobe.com

Hilfsangebote: Auch das Umfeld ist bei depressiven Erkrankungen gefragt

Für Ulrich Hegerl sind beim Thema "Depressionen und Job" die Arbeitgebenden gefragt: Ein offener Umgang mit der Erkrankung, Anlaufstellen im Betrieb, Schulungen für Personalverantwortliche und Informationen für alle Mitarbeitenden könnten dazu beitragen, dass Betroffene rasch professionelle Hilfe bekämen.

Auch Schulen und andere Bildungsreinrichtungen stocken ihre Angebote zur psychischen Gesundheit immer mehr auf. Im Herbst 2023 startete ein bundesweites Modellprojekt mit Mental Health Coaches: Fachkräfte aus Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Psychologie, die an Schulen im Einsatz sind. Dort sollen sie präventiv aufklären, Resilienz fördern und im Fall vorhandener psychischer oder sozialer Probleme erste Kontakte für Hilfs- und Beratungsangebote vermitteln.

Angehörige: Depressionen erkennen und Hilfe leisten

Im Zweifel sind Partner, Familie und Freunde die ersten, die Veränderungen mitbekommen. Fallen euch länger anhaltende Depressionssymptome bei Angehörigen auf, solltet ihr diese ernstnehmen. Wichtig ist, dass ihr Vorwürfe wie "Reiß dich zusammen", aber auch Verharmlosungen à la "Das wird schon wieder" oder "Alles halb so wild" vermeidet. Unterstützen könnt ihr, indem ihr Betroffene auf Hilfs- und Beratungsangebote aufmerksam macht oder zum Arztbesuch begleitet. Nach einem erfolgreichen australischen Modell werden inzwischen auch in Deutschland sogenannte "Mental Health First Aid"-Kurse angeboten, um in Notfällen erste Hilfe für die psychische Gesundheit leisten zu können. Was ihr nicht unterschätzen solltet: Auf Dauer kann die Erkrankung auch für Angehörige sehr belastend sein. Achtet daher auch auf euch selbst.

Video: Resilienz für die psychische Gesundheit

Angebote: Hilfe für Menschen mit Depressionen

  • Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe - Das bundesweite Info-Telefon Depression soll Betroffenen und Angehörigen den Weg zu Anlaufstellen im Versorgungssystem weisen: 0800 - 334 45 33 (Mo, Di, Do: 13 - 17 Uhr - Mi, Fr: 8.30 - 12.30 Uhr). Infos, wo ihr Hilfe bei Depressionen findet, sind hier zusammengefasst.
  • Telefon-Seelsorge in Deutschland: 0800 - 111 01 11 / 0800 - 111 02 22 (täglich rund um die Uhr). Weitere Infos findet ihr hier: telefonseelsorge.de
  • Die Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116 111. Beratung anonym und kostenlos in ganz Deutschland von montags bis samstags von 14 Uhr bis 20 Uhr. Mehr Infos findet ihr hier.
  • ApK - Aktionsgemeinschaft der Angehörigen psychisch Kranker e.V.: 089 - 502 46 73 (Mo, Mi, Do: 8.30 - 12.30 Uhr | Di: 12.00 - 18.00 Uhr | Fr: 10.00 - 12.00 Uhr). Mehr Infos unter: apk-muenchen.de
  • Deutsche Depressionsliga: Eine umfassende Sammlung von Hilfsangeboten und Adressen gibt es auf der Seite der Deutschen Depressionsliga. Zudem bietet sie eine Mailberatung an.

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