„Verpasste Chance“, „kein großer Wurf“: Die Kritik an Lauterbachs Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz

Christian Beneker

Interessenkonflikte

29. Mai 2024

Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), dessen Kabinettsentwurf am 22. Mai von der Berliner Ampel-Regierung beschlossen wurde, hat ordentlich Federn lassen müssen. So stehen auf Protest auch der Hausärzte die 1.000 Gesundheitskioske nicht mehr im Gesetz, während Wohlfahrtsverbände eben diese jetzt vermissen. Auch die Entbudgetierung der Hausarztpraxen, die von den Hausärzten und von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sehr begrüßt wird, fällt bei den Krankenkassen durch. Der AOK-Bundesverband kritisierte das Gesetz als „Vergütungssteigerungsgesetz“.

Zwar sehe der Entwurf  spürbare Verbesserungen für die Hausarztpraxen vor, aber „der große Wurf ist das Gesetz nach den letzten Streichungen nicht mehr“, so der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) in einer Stellungnahme. Besonders begrüßte der Verband, die Entbudgetierung der Hausarztpraxen. Schließich erhielten die Praxen in manchen Regionen derzeit nur 70% ihres Honorars. Allerdings: Die Entbudgetierung allein werde das Ruder nicht herumreißen, sagte Markus Beier, Co-Vorsitzender des Verbandes.

 
Der große Wurf ist das Gesetz nach den letzten Streichungen nicht mehr. Hausärztinnen- und Hausärzteverband
 

Grundsätzlich begrüßt der Verband die Abschaffung der Quartalspauschalen, fordert aber Nachbesserungen. „Zwar sind einige Böcke wie die Samstagssprechstunde abgeräumt worden“, so Beier. „Dafür hat man an anderer Stelle wieder neue gebaut.“

Hausärzteverband: Das Gesetz hat die Chance zur Patientensteuerung verpasst

Auch, dass der 30-Euro-Bonus gestrichen wird, den die Ärzte für jeden neuen HzV-Patienten erhalten, missfällt dem Verband: „Die Streichung des HzV-Bonus ist aus versorgungspolitischer Sicht nicht nachzuvollziehen. Er wäre die Chance, das Thema Patientensteuerung voranzutreiben“, kommentierte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des HÄV. Man werde im weiteren parlamentarischen Verfahren darauf dringen, dass dieser Fehler erkannt und korrigiert wird hieß es.

Zwar begrüßte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Entbudgetierung der Hausarztpraxen. Einige Vorschläge der KBV seien aufgegriffen worden. Aber die KBV fordert sogleich mehr Geld. Es sei unlogisch, wenn mit der Entbudgetierung nicht auch eine bessere finanzielle Ausstattung verbunden wäre, erklärten die Vorstände der KBV, Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner.

Das Ziel, die Versorgung zu verbessern, sei „ein richtiger rund notwendiger Schritt“, kommentierte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand des GKV Spitzenverbandes (GKV-SV), in einer Stellungnahme des Verbandes. „Dieses Ziel wird mit dem GVSG jedoch vereitelt, da durch die vorgesehene Entbudgetierung künftig weniger Anreize bestehen werden, ärztliche Praxen in ländlichen Räumen zu führen“, so Stoff-Ahnis. „Die Budgetierung hat sich als Steuerungsinstrument gerade im Bereich der hausärztlichen Versorgung bewährt, um bedarfsnotwendige Praxen besser zu honorieren.“

GKV-Spitzenverband: „Gesundheitskioske sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben“

Genauso wie der Hausärzteverband lehnt auch der GKV-SV die Einrichtung von Gesundheitskiosken zu Lasten der Kassen ab; er begrüßt die Streichung der Kioske aus dem Gesetz. Ebenso wie die Förderung von Medizinstudienplätzen seien die Kioske gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Beitragszahler mit jährlich hunderten von Millionen Euro belastet hätten, argumentiert der GKV-SV.

Auch die Diakonie Deutschland hält das Gesetz für „unzureichend“, aber aus anderen Gründe als die Kassen. „Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen sind wichtige Bausteine, um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig und niedrigschwellig auszurichten“, sagte Maria Loheide, Sozialvorstand der Diaonie Deutschland. „Ein gutes Vorbild sind hier die kanadischen Community Health Centers, die genau das vereinen und im dortigen Gesundheitssystem nicht mehr wegzudenken sind.“

 
Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen sind wichtige Bausteine, um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig und niedrigschwellig auszurichten. Maria Loheide
 

Lauterbach will Hausärzte stärken

Bei der Vorstellung des Kabinettsbeschlusses verteidigte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) den Entwurf und sagte, man dürfe auf dem Land oder den ärmeren Vierteln der Städte keine medizinisch verwahrlosten Viertel zulassen. Lauterbach sprach von „medizinischen Banlieues“, in denen die medizinische Versorgung stark ausgedünnt ist oder ganz verschindet.

Es fehlen derzeit in Deutschland 5.000 Hausärztinnen und Hausärzte. Hier schaffe das Gesetz Erleichterung, unter anderem, indem die Quartalspauschale durch eine Jahrespauschale ersetzt wird. „Wir werden den Hausarztberuf lukrativer und unbürokratischer und attraktiver machen“, so Lauterbach. In Summe sei das Gesetz ein großes Gesetz, das die Versorgung dort verbessere, wo schon jetzt Unterversorgung herrsche.

 
Wir werden den Hausarztberuf lukrativer und unbürokratischer und attraktiver machen. Prof. Dr. Karl Lauterbach
 

 

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