Warum kleinzelliger Lungenkrebs so schwer zu behandeln ist; PSMA-Diagnostik beim Prostata-Ca wird zur Kassenleistung

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

19. März 2024

Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir unter anderem, dass sich Zellen eines kleinzelligen Lungenkarzinom unter der Therapie rasch verändern können, was die Behandlung schwierig macht. Für gesetzlich Versicherte mit hohem Risiko für ein metastasiertes Prostatakarzinom steht jetzt auch die PSMA-PET/CT zur Verfügung. Erstmalig ist eine S3-Leitlinie zum Oro- und Hypopharynxkarzinom erschienen. 

  • Kleinzelliges Lungenkarzinom: Warum es so schwierig zu behandeln ist

  • Prostatakarzinom: Relugolix plus Bestrahlung als neue Therapiealternative?

  • Prostatakarzinom: Kassenpatienten steht jetzt auch PSMA-Diagnostik zu

  • Leberkarzinom: Erste Daten zu MKK4-Inhibitor HRX-215

  • Oro- und Hypopharynxkarzinom: S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Nachsorge

  • CAR-T-Zelltherapie: Sekundäre maligne T-Zellerkrankungen selten

Kleinzelliges Lungenkarzinom: Warum es so schwierig zu behandeln ist

Kölner Wissenschaftler haben in einem langjährigen Forschungsprojekt die Tumorentwicklung des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC) im Therapieverlauf untersucht. Wie sie in  Nature  berichten, identifizierten sie verschiedene Populationen von Tumorzellen, die sehr unterschiedlich auf die Chemotherapie in der Frühphase der Krankheit sowie auf weitere Therapien im Krankheitsverlauf reagieren.

Auf eine Chemotherapie reagiert ein hochaggressives SCLC häufig zunächst sehr gut, oft kommt es jedoch dann zu einem Rezidiv. Die Kölner Arbeitsgruppe hat nun dafür einen möglichen Grund identifiziert: Aufgrund einer bei Diagnosestellung vorherrschenden Population an therapieempfindlichen Krebszellen ist die Therapie zu Beginn sehr wirksam. Unter dieser großen empfindlichen Zellpopulation verbergen sich zahlreiche weitere, sehr unterschiedliche Krebszellen. Sie entstehen meist aus frühen Vorstufen der ursprünglichen Zellen, sind therapieresistent und können sich nach einer erfolgreichen Behandlung ungebremst vermehren. 

Bei weiteren Behandlungen im Erkrankungsverlauf, zum Beispiel mit Bestrahlung, wiesen die Krebszellen genetische Schädigungen durch die 1. Chemotherapie auf. Außerdem konnten Forscher in den Tumorzellen einzelne genetische Merkmale nachweisen, die mit einer Resistenz gegen Chemotherapie einhergehen.

Die Erkenntnisse der Studie legen nahe, dass mögliche Erfolge weiterer Therapieentwicklungen immer durch die große Zahl therapieresistenter Tumorzellen begrenzt sein könnte. Ein Therapieansatz wäre demnach eine möglichst intensive Erstbehandlung, um die Zahl der Krebszellen, aus denen sich später Resistenzen entwickeln können, so gering wie möglich zu halten.

Prostatakarzinom: Relugolix plus Bestrahlung als neue Therapiealternative?

Der oral applizierbare GnRH-Rezeptorantagonist Relugolix führt zusammen mit einer Bestrahlung bei Patienten mit lokalisiertem, fortgeschrittenem Prostatakarzinom zu einer raschen und anhaltenden Senkung der Testosteron-Spiegel auf unter 50 ng/dl. Dies ergab eine Post-hoc-Analyse von 2 randomisierten Phase-2-Studien, die eine internationale Arbeitsgruppe in  JAMA Oncology  publiziert hat.

Zur Kurzzeittherapie erhielten Patienten Relugolix oder Degarelix über 24 Wochen, in der Langzeitstudie Relugolix oder Leuprorelid über 48 Wochen. Relugolix führte zu einer Kastrationsrate von 95% bzw. 97% bei Kurz- bzw. bei Langzeitbehandlung. Nach Ende der Behandlung erreichten Patienten in der Relugolix-Gruppe rascher wieder die Ausgangswerte als die Vergleichsgruppen. Diese schnelle Erholung könnte nach Meinung der Autoren die negativen Auswirkungen einer langfristigen Testosteronhemmung, vor allem kardiovaskuläre Effekte und eine Verringerung der Knochendichte, erheblich reduzieren. 

Außerdem konnte in der Studie gezeigt werden, dass sich die Zeit bis zur Entstehung einer Kastrationsresistenz mit Relugolix und Leuprorelid nicht unterschied. 

Prostatakarzinom: Kassenpatienten steht jetzt auch PSMA-Diagnostik zu

Gesetzlich Versicherte, bei denen ein hohes Risko für einen metastasierten Prostatakrebs festgestellt wurde, können mit der PSMA-PET/CT eine hochsensitive Ausbreitungsdiagnostik in Anspruch nehmen. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im vergangenen Jahr beschlossen, wie einer Pressemitteilung des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner e. V. zu entnehmen ist. 

Mit der Methode gelingt es, selbst kleinste Tumorabsiedlungen im Körper aufzuspüren. Sie kann allerdings nur im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) erfolgen. 

ASV-Teams stehen in den meisten größeren Städten zur Verfügung. Die ASV-Servicestelle bietet unter dem Menüpunkt „Für Patienten“ mit dem „ASV-Verzeichnis“ eine regionale Suchmöglichkeit.

Die PSMA-PET/CT besteht aus einer Kombination von Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Computertomographie (CT). Damit können Ärzte gezielt Zellen sichtbar machen, die Prostata-spezifisches Membran-Antigen (PSMA) auf ihrer Oberfläche tragen. 

Dieser Oberflächenmarker kommt auf gesunden Prostatazellen nur in geringen Mengen vor, auf Prostata-Krebszellen ist PSMA jedoch vermehrt nachweisbar. Je aggressiver der Tumor wächst und Metastasen bildet, desto höher sind die PSMA-Werte. Der Marker sei damit hervorragend dafür geeignet, Tumorherde sowohl in der Prostata selbst als auch in Lymphknoten oder an anderen Stellen des Körpers ausfindig zu machen, heißt es in der Pressemitteilung.

Leberkarzinom: Erste Daten zu MKK4-Inhibitor HRX-215

Der in Tübingen entwickelte MKK4-Inhibitor HRX-215 hemmt das in Leberzellen vorkommende Protein MKK4 und steigert die Regeneration von Leberzellen, wie die Arbeitsgruppe in  Cell  berichtet. Ergebnisse einer Phase-1-Studie mit 48 Probanden zeigten eine gute Verträglichkeit. Deshalb hoffen die Forscher, dass mit dem Wirkstoff eine neue Ära in der onkologischen Leberchirurgie und der Lebertransplantation eingeläutet werden könnte.

In Tierexperimenten ist es mit HRX-215 gelungen, die Leberregenation so zu steigern, dass bislang nicht mögliche Operationen durchgeführt werden konnten. So könnte HR-215 aufgrund erweiterter Teilresektionen dazu führen, dass auch Lebertumoren in fortgeschrittenem Stadium vollständig entfernt werden könnten. Eventuell wäre bei mehr Menschen eine Lebertransplantation möglich, weil das Medikament eine Transplantation von kleinen linken Leberlappen ermöglichen könnte. 

Oro- und Hypopharynxkarzinom: S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Nachsorge

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat erstmalig eine S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Nachsorge des Oro- und Hypopharynxkarzinoms veröffentlicht. Für Kehlkopf- und Mundhöhlenkrebs liegen bereits S3-Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie vor. 

Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNOKHC) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO) unter Mitwirkung von 31 Fachgesellschaften und Organisationen.

„Die neue S3-Leitlinie zu Oro- und Hypopharynxkarzinomen ist eine wichtige Ergänzung zu den beiden bisherigen Leitlinien zu Kopf-Hals-Tumoren und gibt behandelnden Ärzten, Ärztinnen und medizinischem Fachpersonal konkrete Empfehlungen an die Hand, mit diesen Krebsarten besser umzugehen“, so Prof. Dr. Andreas Dietz in einer Pressemitteilung. Er ist Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig und Sprecher der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren in der Deutschen Krebsgesellschaft. 

Die S3-Leitlinie umfasst Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, zu psychosozialer Versorgung, supportiver Therapie und Nachsorge. Bei den Therapieempfehlungen wurde der Fokus neben Gesamtüberleben, progressionsfreiem Überleben und Therapieansprechen gleichermaßen auf Funktionalität und Lebensqualität gerichtet. 

Die Empfehlungen zur Primärtherapie sind jeweils abhängig von den Stadien der Karzinome, etwa der Größe und der lokalen Ausbreitung, dem Befall von Halslymphknoten und der Existenz von Fernmetastasen.

CAR-T-Zelltherapie: Sekundäre maligne T-Zellerkrankungen selten

Eine in Blood  veröffentlichte Analyse ergab, dass unerwünschte Ereignisse nach einer CAR-T-Zelltherapie, die Ärzte der US-amerikanischen FDA gemeldet haben, zu 4,3% sekundäre Krebserkrankungen waren. Maligne T-Zell-Erkrankungen machten jedoch nur 0,1% der Meldungen aus.

Im November 2023 hatte die FDA vor dem Risiko sekundärer T-Zell-Malignome bei Patienten gewarnt, die mit einer CAR-T-Zell-Therapie behandelt werden. Daher versuchten Forscher, die Prävalenz von malignen T-Zell-Erkrankungen im Zusammenhang mit CAR-T-Zell-Therapien zu analysieren.

Im Event Reporting System (FAERS) der FDA identifizierten sie 12.394 Berichte über unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der CAR-T-Zell-Therapie. 536 (4,3%) Berichte führten sekundäre Primärmalignome neben anderen unerwünschten Ereignissen auf. Von 536 Berichten hingen 51,7% bzw. 33% mit dem Einsatz von Axicabtagen Ciloleucel bzw. Tisagen Lecleucel zusammen.

Die häufigsten sekundären Krebserkrankungen, die bei der CAR-T-Zelltherapie beobachtet wurden, waren Leukämien, sie betrafen 2,7% aller Meldungen. Hautkrebs kam am zweithäufigsten vor und umfasste 0,4% aller unerwünschten Ereignisse. In den Berichten wurden 17 T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome identifiziert, wobei es sich bei der Mehrzahl um anaplastische großzellige T-Zell-Lymphome handelte. Außerdem wurden 2 Fälle von großgranulärer T-Zell-Leukämie gemeldet, wodurch sich die Gesamtzahl der malignen T-Zell-Erkrankungen in der FAERS-Datenbank auf 19 erhöhte.

„Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie erhalten, sind oft stark mit anderen Medikamenten vorbehandelt, was ebenfalls zur Entstehung von sekundären Malignomen beitragen kann“, so Dr. Marcela Maus, Massachusetts General Hospital, Boston, in einer Pressemitteilung. „Zu diesem Zeitpunkt kann das Risiko sekundärer Krebserkrankungen nach einer CAR-T-Zelltherapie nicht eindeutig den CAR-T-Zellen zugeschrieben werden, da alle diese Patienten zuvor mehrere Chemotherapeutika erhalten haben, von denen bekannt ist, dass sie das Risiko sekundärer Krebserkrankungen erhöhen.“

Kommentar

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....