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Kampf und Krampf auf dem Acker

WELT AM SONNTAG Better Future Conference Berlin 23.04.24 WELT AM SONNTAG Better Future Conference Berlin 23.04.24
Cem Özdemir kann es drehen und wenden, wie er will: Seinen Job als Landwirtschaftsminister sieht er als Sisyphosarbeit
Quelle: Philip Nürnberger
Was passiert, wenn man den grünen Bundeslandwirtschaftsminister und engagierte Bauern miteinander diskutieren lässt? Das war einer der Höhepunkte auf der achten „Better Future Conference“ der WELT AM SONNTAG in Berlin.

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Auf die Frage von WELT-Wirtschaftsredakteur Christoph Kapalschinski, was er aus den Bauernprotesten der vergangenen Monate gelernte habe, antwortete Cem Özdemir: „Man soll sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.“ Und fast resigniert stellte der Bundeslandwirtschaftsminister der Grünen im Interview auf der „Better Future Conference“ fest: „Manchmal bekommt man auch Prügel für Dinge, die man nicht verursacht hat.“ In Zeiten, in denen mehr Menschen AfD wählten, müsse man sich bei jedem politischen Schritt fragen: „Wo zahlt der ein?“

Özdemir betonte, dass die Themen Ernährungssicherheit, Artenvielfalt und Klimaschutz für ihn keine Gegensätze seien. Wer das eine gegen das andere priorisiere, „verliert alles“. Die Einsparbeschlüsse der Ampelregierung zulasten der Bauern bezeichnete der Minister als „Fehler“: „Erstens, weil ein Berufsstand über Gebühr belastet wurde, zweitens, weil man mit ihnen nicht vorher gesprochen hat.“ Und drittens: Als man gemerkt habe, dass die Beschlüsse korrigiert werden müssten, sei das zu spät passiert.

Ein Grüner als Bauern-Lobbyist

Sein Gegenüber fragte, wie sich der Minister in seiner neuen und, für einen Grünenpolitiker, unerwarteten Rolle als „Oberster Lobbyist der Bauern“ fühlen würde. Özdemir nannte als ein Beispiel für seinen inneren Zwiespalt die von der EU geforderten „Blühstreifen“ an Feldern zur Verbesserung der Biodiversität. Diese seien bei Bauern „generell nicht sehr beliebt“. Aber selbst Ökolandwirte würden sich dagegen wehren mit dem Hinweis, dass sie ohnehin auf „100 Prozent der Flächen Artenvielfalt fördern“ würden. Die Bauernproteste würden dann die Gefahr bergen, solche positiven Entwicklungen zurückdrehen zu wollen.

WELT AM SONNTAG Better Future Conference Berlin 23.04.24
Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands
Quelle: Philip Nürnberger

Der Minister will gegen derartige Widerstände mit „positiven Anreizen“ wie einer „Grünlandprämie“ reagieren. Ziel sei, sowohl die Einkommen der Landwirte zu sichern als auch die Naturschutzziele zu erreichen. Diese könnten in ihrer Gesamtheit nur „branchenübergreifend“ betrachtet werden. Özdemir sprach sich auch gegen einen „ruinösen Preiswettbewerb“ bei Lebensmitteln aus: „Damit werden alle verlieren.“ Alle Agrarbetriebe müssten „nachhaltiger werden, aber nicht alle bio“. Das sei eine „Generationenaufgabe“ und müsse über Legislaturperioden hinaus gedacht werden.

Mikromanagement lähmt Landwirtschaft

Die konträren Sichtweisen der beteiligten Akteure zeigten sich in der Paneldiskussion: „Nachhaltig und wirtschaftlich – Strategien für eine zukunftsfähige Landwirtschaft“. Bernhard Krüsken, seit elf Jahren Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, hat dazu eine klare Meinung: „Landwirte wollen investieren, sind aber mit einem kleinteiligen, gesetzlichen Mikromanagement konfrontiert, das sich alle zwei, drei Jahre ändert.“ Das sei Gift für Investitionen. „Wir brauchen regulatorische Nachhaltigkeit. Alle warten darauf, dass man die handwerkliche Umsetzung von der Politik ändert.“

Benedikt Bösel
Benedikt Bösel, Landwirt und Gründer aus Brandenburg
Quelle: Benedikt Bösel

In einer Zukunftskommission sei „ohne Politik ein Konsens zwischen Landwirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Naturschutz“ geschaffen worden, der jetzt umgesetzt werden müsse. Der Landwirt Benedikt Bösel bewirtschaftet seit 2016 sein Gut im brandenburgischen Oder-Spree-Kreis ökologisch. Er hält die aktuelle Situation der Bauern für katastrophal: „Sie sind am Ende. Sie haben Angst vor Hofnachfolgeproblemen, vor fehlender Planungssicherheit. Sie haben jahrelang gemacht, was sie sollten, immer weiter investiert.“ Jetzt seien sie „Gefangene ihres Systems“, abhängig von Investitionen, Subventionen, Weltmarktpreisen. „Aus dieser Misere herauszukommen ist ein Riesenproblem.“ Krüsken wollte das so nicht gelten lassen: „Es gibt viele engagierte Landwirte, die sich nicht verstecken müssen.“

Agroforst kombiniert Anbauformen

Den Blick auf die Fortschritte richten – das empfiehlt auch Nikola Steinbock, CEO der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt: „Wir wollen Lust auf Transformation machen und anregen, neue Wege zu gehen.“ Da sei auch egal, ob es sich um einen Biobetrieb oder einen konventionellen Hof handele, „wobei die Übergänge fließend sind“. Darauf jedenfalls passe man die Fördermittel an. Sie betonte: „Dabei muss der Aspekt der Ökonomie mitgedacht werden.“ Die Landwirte und ihre Familien müssten von ihrer Arbeit leben können.

WELT AM SONNTAG Better Future Conference Berlin 23.04.24
Nikola Steinbock von der Landwirtschaftlichen Rentenbank Frankfurt war dem Panel zugeschaltet
Quelle: Philip Nürnberger

Landwirt Bösel berichtete über sein Gut: „Wir wollen wegkommen von der industriellen Logik.“ Ziel sei es, die auseinandergerissenen Ökosysteme wieder zusammenführen. „Erst durch komplexe Ökosysteme erhalten wir die Resilienz.“ Als Beispiel nannte er das Konzept des „Agroforstes“, wo Felder, Wälder und Weiden kombiniert werden. „Nährstoffkreisläufe werden so geschlossen, Biodiversität wieder hergestellt.“ Diese Methode habe in den letzten Jahrzehnten aufgrund der „Ausrichtung, Masse günstig zu produzieren, keine Beachtung gefunden.“ Der Ökolandwirt ist fokussiert: „Die Landwirtschaft muss die Lösung für die großen Probleme bei Wasser, Luft, Gesundheit und Biodiversität sein.“ Und fordert von allen Akteuren: „Wir müssen ins Risiko gehen.“

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