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Wirtschaft Drohende Insolvenz

Der unbegreifliche Abstieg der Meyer Werft

Korrespondent
Eine Luftaufnahme der Meyer-Werft Eine Luftaufnahme der Meyer-Werft
Die Meyer Werft ist der größte Hersteller für Kreuzfahrtschiffe in Europa
Quelle: dpa
Die Papenburger Meyer Werft steht vor enormen finanziellen Schwierigkeiten. Trotz mehrerer Aufträge für die nächsten Jahre droht Deutschlands wichtigstem zivilen Schiffsbauer die Insolvenz. Ein Sanierungsplan könnte die Werft noch retten – doch es bleiben nur wenige Wochen Zeit.
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Bernard Meyer ist der wohl wichtigste Unternehmer Deutschlands im zivilen Schiffbau. Seiner Familie gehört die größte Werft für Kreuzfahrtschiffe in Europa. Kürzlich hat sie die „Icon of the Seas“ an die weltweit zweitgrößte Kreuzfahrtreederei Royal Caribbean abgeliefert. Mit Platz für 10.000 Passagiere und Crewmitglieder an Bord ist es das größte und technisch aufwendigste jemals gebaute Schiff für den Urlaub auf dem Meer.

Vor gut zwei Jahren, als die Corona-Pandemie den Schiffbau praktisch lahmlegte, sagte der heute 76-jährige Ingenieur Meyer im Interview: „Das Glas ist halb voll und nicht halb leer. Wenn wir Corona einmal bewältigt haben, wird die Nachfrage nach einer Kreuzfahrt groß sein.“ Und mit Blick auf seine Werft in Papenburg an der Ems fügte er hinzu: „Wir müssen uns gewaltig umstellen und anpassen.“

Das alles ist wichtig zur Einordnung der dramatischen Lage, in der sich die Meyer Werft befindet. In dem Auftragsbuch der Werft mit ihren Hauptstandorten in Papenburg und Turku in Finnland und rund 3300 eigenen Beschäftigten sowie ebenso vielen Mitarbeitern von Fremdfirmen stehen diese Bestellungen: fünf Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff und der Stahlbau für vier Konverterplattformen für Windkraftanlagen auf dem Meer. Bis zum Jahr 2028 gibt es Arbeit. Und doch ist eine Insolvenz der Werft nicht mehr ausgeschlossen.

Das Familienunternehmen braucht in sehr kurzer Zeit eine Menge Geld. Nach Informationen der IG Metall Küste wie auch aus dem Unternehmen benötigt die Werftengruppe spätestens Mitte September Anschlusskredite für die Aufrechterhaltung des Betriebes. Dafür wiederum muss das Eigenkapital aufgestockt werden, die Rede ist von 450 Millionen Euro, die dafür notwendig sind. Insgesamt hat die Traditionswerft einen Finanzierungsbedarf von bis zu 2,8 Milliarden Euro.

Der größte Teil davon betrifft die Vorfinanzierung der Schiffsneubauten. In dieser Industrie ist es bislang weltweit üblich, dass der Käufer des Schiffs hohe 80 Prozent des Kaufpreises erst bei der Ablieferung bezahlt. Zwischen Baubeginn und Fertigstellung vergehen in der Regel vier Jahre. Die Werft muss die Arbeitskosten und Materialkosten, die dazwischen liegen, für den Zeitraum finanzieren.

Es ist offen, woher das Geld zur Rettung der Werftengruppe kommen soll. In der Eigentümerfamilie Meyer scheint es kaum ausreichend finanziellen Spielraum zu geben. Bernard Meyer soll nur noch am Rande an den Gesprächen etwa mit den Banken oder der Landespolitik Niedersachsens beteiligt sein. Die Söhne Tim Meyer und Jan Meyer, die bislang in der Geschäftsführung wichtige Positionen eingenommen hatten, sollen ebenfalls keine wesentlichen Rollen mehr innehaben. Die entscheidenden Personen aufseiten von Meyer Werft sind der als Sanierer geholte Ralf Schmitz sowie Vorstandschef Bernd Eikens.

Entscheidend, „ob sich Niedersachsen und Bund engagieren werden“

Schon bis Mitte Juli sollen Sanierer Schmitz und die beauftrage Beratung Deloitte ein Gutachten vorlegen. Darin soll die Frage einer „Fortführungsperspektive“, wie es im Unternehmen heißt, beantwortet werden. Das Papier soll die Grundlage bilden für Verhandlungen über Kredite, öffentliche Bürgschaften oder gar über den Einstieg des Landes Niedersachsen und des Bundes bei der Werft.

„Entscheidend für das Überleben der Werft wird sein, ob sich das Land Niedersachsen und der Bund finanziell engagieren werden“, sagt Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, im Gespräch mit WELT.

Die Werft habe keine Auftragskrise, sondern eine Finanzierungskrise. Um jedoch die Möglichkeit von öffentlichen Hilfen zu schaffen, müsse sich dies ändern: „Für eine Rettung der Werft unter einer Beteiligung des Landes Niedersachsen und des Bundes muss der Unternehmenssitz aus dem Ausland wieder nach Deutschland verlegt werden. Das verlangen auch die verantwortlichen Politiker“, sagt Friedrich.

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Die Sitzverlegung von Luxemburg zurück nach Deutschland hätte zur Folge, dass die Meyer Werft wieder einen Konzernbetriebsrat nach deutschem Recht und damit veränderte Mitbestimmungsrechte bekommt.

Im Jahr 2015 hatte Bernard Meyer aus dem entgegengesetzten Grund die Umwandlung der Werftengruppe in zwei Stiftungen mit Sitz in dem Nachbarland veranlasst. Seither gibt es darüber Auseinandersetzungen mit der Belegschaft der Werft sowie der Gewerkschaft.

Ob im Betriebsrat, in der Landespolitik Niedersachsens oder im Team des Sanierers Schmitz – viel ist von Neuanfang und Neuorganisation der Meyer Werft die Rede. Die Familie Meyer wird dabei kaum genannt. Schließlich gilt die Übergabe der Verantwortung an die nächste Generation – an Tim Meyer und Jan Meyer, zwei der fünf Kinder von Bernard Meyer – zumindest bislang als missglückt.

Aufträge zu Vor-Corona-Preisen verhandelt

Als Hauptgrund für die Finanzierungsprobleme nennt die Werftleitung Kostensteigerungen bei Material und Arbeit. Tatsächlich sind die Schiffe, die in diesen Jahren gebaut werden, zu Preisen vor der Corona-Pandemie verhandelt und abgeschlossen worden. Eine Anpassungsklausel in den Verträgen gibt es nicht. Lediglich zu Nachverhandlungen mit den Kreuzfahrtreedereien ist es bislang gekommen. In dem anstehenden Sanierungsplan wird es daher auch um eine Beteiligung von Auftraggebern wie Royal Caribbean oder TUI Cruises an der Rettung der Werft gehen.

„Bei der Meyer Werft sind auch Fehler gemacht worden“, sagt IG-Metall-Bezirkschef Friedrich. Zum einen betrifft dies Verträge für Neubauten aus den vergangenen Jahren. Zum anderen dürfte damit die weit verzweigte Organisation des Unternehmens mit Dutzenden Firmenteilen gemeint sein. Dazu gehört auch die Vergabe von immer mehr Aufgaben im Schiffbau an Fremdfirmen aus mehreren europäischen Ländern.

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Ein Beispiel für die Misere zeigt der zweitgrößte Werftstandort im finnischen Turku auf. Dort hat die Meyer Werft nach einem Bericht der Cruise Industry News im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden Euro einen Verlust von 104 Millionen Euro gemacht.

Begründet wird dies mit gestiegenen Kosten. Dort wird Tim Meyer zitiert: „Mit jeder Fortsetzung der Serie verbessert sich unsere Kosteneffizienz und dies führt zu profitableren Schiffen. Deshalb bleiben wir für die Zukunft optimistisch.“ Meyer Turku hat die „Icon of the Seas“ an Royal Caribbean abgeliefert. Das zweite Schiff der „Icon“-Klasse, die „Star of the Seas“, soll bis 2025 fertig werden – wenn die Werft gerettet werden kann.

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