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Prozess in München

„Ist das Ihr Blut?“, fragt die Richterin die Ex-Freundin von Boateng

Autorenprofilbild von Christoph Lemmer
Von Christoph LemmerFreier Mitarbeiter
Veröffentlicht am 26.06.2024Lesedauer: 5 Minuten
Jérôme Boateng, Fußball-Profi, im Landgericht München I
Jérôme Boateng, Fußball-Profi, im Landgericht München IQuelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Gewaltvorwürfe gegen Fußballprofi Jérôme Boateng sollen neu aufgerollt werden. Nun äußert sich seine frühere Partnerin vor Gericht – und wiederholt ihre Schilderungen. Fragen der Staatsanwältin erzürnen am Ende die Richterin.

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Eigentlich sind die beiden Kontrahenten vor Gericht der Fußballprofi Jérôme Boateng und seine Ex-Freundin Sherin S. Boateng ist vor dem Landgericht München angeklagt, weil er Sherin S. vor sechs Jahren während eines Urlaubs angegriffen und verletzt haben soll. Aber immer mehr erweisen sich als die eigentlichen Kontrahenten in diesem Verfahren die Vorsitzende Richterin Susanne Hemmerich und Staatsanwältin Stefanie Eckert.

Beide geraten in der Verhandlung am Freitag immer schärfer aneinander. Im Zeugenstand sitzt Sherin S. Als die Staatsanwältin sie schon später am Tag fragt, wie sie mitbekam, dass sich bei Jérôme Boateng eine neue Beziehung mit einer Frau B. anbahne, da reicht es der Richterin. „Was hat Frau B. mit dem Vorfall zu tun?“, geht sie die Staatsanwältin an.

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Auch Boatengs Verteidiger sagt etwas, was aber niemand versteht, weil sein Mikrofon nicht funktioniert. Und auch, weil Richterin Hemmerich ihn übertönt: „Ich glaube nicht, wenn wir in die Eifersuchtsszenen tiefer einsteigen, dass das mit dem Vorfall in der Karibik zu tun hat.“ Und noch mal zur Klarstellung, worum es gehe: „Es geht um einen Vorfall 2018 in der Karibik.“

Genau dieser „Vorfall“ wurde schon dreimal von Gerichten beurteilt: Beim ersten Mal verhängte das Amtsgericht München 2021 eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30.000 Euro, mithin 1,8 Millionen Euro. Beim zweiten Mal gab es 120 Tagessätze à 10.000 Euro, mithin 1,2 Millionen Euro. Und das dritte Mal verhandelte das Bayerische Oberste Landgericht hinter verschlossenen Türen und hob das letzte Urteil auf – weshalb jetzt erneut verhandelt wird und Sherin S. „den Vorfall“ noch einmal schildert.

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„Ist das Ihr Blut?“, fragt die Richterin

Sie seien mit Freunden in den Urlaub geflogen. Jérôme, sie, ihre gemeinsamen Kinder (Zwillinge), ein alter Jugendfreund von Jérôme, eine Freundin. Sherin S. hat für die Kinder nur Besuchsrecht, sie leben beim Vater. Zuerst ging es nach New York, wo sie eine Woche verbrachten, dann für eine weitere Woche auf die Turks-and-Caicos-Insel in der Karibik. Sie hätten in der Hotelanlage vier Bungalows gehabt, für jeden der Erwachsenen einen, Sherin S. zusammen mit den Kindern.

Eines Abends hätten sie Karten gespielt, „Zippo“. Jérôme habe geschummelt und zwei Karten abgelegt, obwohl nur eine erlaubt sei. Sie habe ihn ertappt. Er habe sich geärgert, sei aufgestanden und zu seinem Bungalow gegangen. Die drei anderen sich in eine Sitzecke verzogen.

Dann sei Jérôme zurückgekommen. „Er hat geschrien und gewütet, dass ich den Urlaub für alle kaputt machen will“. Er habe sie an den Haaren von ihrem Sofaplatz gerissen, sie sei nach unten auf die Knie gefallen. Er habe in ihren Kopf gebissen und angespuckt. Ihr T-Shirt sei voller Blut gewesen. Die Freundin fotografierte das später. Im Gericht wird das Bild gezeigt. Das T-Shirt ist voller Blutspritzer.

„Ist das Ihr Blut?“, fragt Richterin Hemmerich.

„Sein Blut“, antwortet Sherin S. Seine Lippe sei verletzt gewesen.

„Wie ist die Verletzung an der Lippe entstanden?“

„Er hat gesagt, ich hätte ihm mit meinem Armband die Lippe geschlagen.“

Die Richterin fragt nach: „Das wissen Sie selber aber nicht?“

„Nein, ich habe nur gesehen, dass die Spucke blutig ist.“

Ob sie bis zur Abreise nochmal eine Nacht bei Boateng verbrachte, wisse sie nicht mehr. Am letzten Abend hätten sie alle wieder gefeiert. Die Richterin hält ihr ein Video vor, auf dem zu sehen sei, wie sie „relativ ausgelassen“ tanze. „Ich war bedrückt“, sagt Sherin S. dazu, aber sie habe den Abend für die Kinder so angenehm wie möglich gestalten wollen.

Schlagabtausch zwischen Richterin und Staatsanwältin

Nach der Richterin ist Staatsanwältin Eckert mit Fragen an der Reihe. Ob es mal einen „Vorfall mit Highheels“ gegeben habe. Sherin S. bestätigt: Boateng habe vom Fahrersitz seines Autos nach hinten gegriffen und habe sie am Hals gepackt. „Ich habe versucht, mit meinen Beinen seine Hand wegzuschieben. Ich hatte so Plateauheels an und bin dann wohl an seine Lippe gekommen.“ Die habe dann wohl geblutet. Er habe sie „ums Auto gejagt“, sie sei auf den Bordstein gefallen und habe sich einen Handknochen gebrochen.

„Ich verstehe nicht, warum das hier eingebracht wird“, protestiert die Richterin. „Das hier ist kein Schwurgerichtsprozess. Der Vorgang mit den Highheels hat nichts mit dem Verfahren zu tun“.

Die Staatsanwältin fragt, ob Sherin S. sich an ein Gespräch mit Anwälten erinnere, bei dem es darum ging, ob sie ihre Anzeige gegen Boateng zurückziehe. Sherin S. versteht die Frage nicht. „Wann jetzt?“ Die Richterin rollt die Augen und sagt: „Wir sind alle sehr, sehr, sehr, sehr geduldig, aber diese Frage war schon gestellt.“ War sie tatsächlich. „Ich weiß“, sagt die Staatsanwältin. „Warum stellen Sie sie dann noch mal?“, fragt die Richterin.

Jérôme Boateng, Fußball-Profi, im Landgericht München I
Jérôme Boateng, Fußball-Profi, im Landgericht München IQuelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Staatsanwältin fragt zum nächsten Thema: Ob Sherin S. Boateng mal in einer Nachricht beleidigt habe, und sie hält ihr Formulierungen vor: „Bastard, ekliger Hund, in Afrika gebe es keine Liebe und keine Treue, Scheißnigger.“

„Ich kann mich an die Nachricht erinnern, das war 2015 nach dem ersten Familiengerichtsverfahren. Da war ich so wütend, dass ich das so gesagt habe. Das tut mir auch sehr leid“, sagt Sherin S.

Nächste Frage der Staatsanwältin an Sherin S.: Habe sie mal über eine Anwältin ein Interview mit einer Frauenzeitschrift vereinbart?

Richterin Hemmering unterbricht: „Ich verstehe es wirklich nicht.“ Gemeint ist die Frage und was sie mit dem Verfahren zu tun habe.

„Für mich sind die Fragen sehr wohl wichtig“, erwidert die Staatsanwältin.

„Ich fasse es nicht, wie dieses Verfahren hier aufgebauscht wird“, sagt die Richterin und unterbricht für diesen Tag. Der Prozess und die Vernehmung von Sherin S. werden zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt.