Die Vorrunde der Fußball-EM ist fest beendet, die deutschen Fernsehsender senden seit knapp zwei Wochen etliche Stunden Fußball. Auf insgesamt vier Stationen wird das Turnier übertragen. In ARD, ZDF, MagentaTV und RTL, das die Magenta-Übertragung übernimmt, ordnen etliche Experten die Spiele für die Zuschauer ein.
Doch wie gut sind sie? Wir haben sie unter die Lupe genommen.
Die ARD-Experten
Bastian Schweinsteiger: Der Weltmeister von 2014 macht Spaß durch die gute Chemie mit Moderatorin Esther Sedlaczek – manchmal ist er aber etwas zu abgelenkt. Lustig sind seine Formulierungen, wenn er aus dem Nähkästchen plaudert. Nach Siegen trinke man „ein Schluck Wasser plus irgendwas“. Die Analysen sind gut. Nur manche Namen – wie Ungarns Nagy („Weiß nicht, wie man es ausspricht.“) – bereiten ihm Probleme. Note 3
Thomas Hitzlsperger: Der Ex-Nationalspieler steht für gerade Analysen ohne Schnörkel, ruhig vorgetragen – Emotionen übernehmen andere. Er weist gut auf Dinge hin, die nicht jedem sofort ins Auge fallen. Beim Sieg der Deutschen über Ungarn hebt er Tah hervor: „Er verkörperte das Gegenpressing.“ Note 2
Almuth Schult: Die Torhüterin muss im Co-Kommentar aufpassen, dass sie nicht zu viel redet, fällt dem Hauptkommentar öfter mal ins Wort, aber es wird besser. Analysiert natürlich die Torhüter besonders genau: „Pentz spekuliert viel, ob er Bälle ablaufen kann.“ Aber schaut auch auf die Gesamttaktik. Note 3
Thomas Broich: Der Co-Kommentator bringt Mehrwert, weil er auf Kleinigkeiten wie eine starke Ballannahme von Modric, Statistiken und taktische Feinheiten hinweist. Manchmal hält er sich aber fast zu sehr zurück. Note 2
Die ZDF-Experten
Moritz Volz: Als Co-Kommentator ist der Ex-Verteidiger ein Gewinn, weil er auch mal Dinge sagt, die man nicht auf Anhieb weiß: „Declan Rice ist einer der wenigen, die eine alleinige Sechs spielen können.“ Allerdings redet er oft in Trainer-Slang und überfrachtet Zuschauer, die sich nicht mit „Halbräumen“ auskennen. Note 3
Friederike Kromp: Die Trainerin der U20-Frauen von Eintracht Frankfurt (Spitzname: „Fritzy“) kennt sich gut aus, erklärt den Defensivstil der Slowaken mit mehr als zwei Innenverteidigern. Sie ahnt schon, dass sich Belgien dort schwertun wird. Geht zwischen Kramer/Mertesacker nicht unter. Note 2
Laura Freigang: Frankfurts Nationalspielerin bringt wenig Erhellendes, liegt vor dem Auftakt gegen Deutschland falsch: „Die Schotten können auch sehr gut mit dem Ball agieren.“ Sie bleibt bei Einschätzungen allgemein, wird selten konkret. Note 5
Per Mertesacker: Der Ruhepol der ZDF-Runde analysiert mit Auge aus dem Hintergrund. Gut, wenn er von früher erzählt: Vor dem Eröffnungsspiel 2006 hatte er die „Hosen voll“. Oder Christoph Kramer aufzieht: „Hast du nie gegen England gespielt?“ Kramer: „Nein.“ Note 1
Christoph Kramer: Der Weltmeister lebt den Fußball und bringt genau das rüber („Ich bin ein Gefühlsmensch“). Er ärgert sich über mutlose Serben. Und über die Engländer „seit sechs Jahren“. Und spricht Dinge klar an: „Wahnsinn, dass wir eine Torwartdiskussion über Manuel Neuer führen.“ Bei Taktiken ist er in seinem Element: „Wir brauchen einen Zwischenraum zwischen den Ketten durch tiefe Läufe. Daher permanent die Tiefe attackieren.“ Top! Note 1
Hanno Balitsch: Der Co-Kommentator erkennt bei Belgien eine gute Mischung und wird zumindest gegen die Slowakei (0:1) widerlegt. Bei einer klaren Abseits-Szene von Lukaku legt er sich nicht fest, schweigt einfach. Da geht mehr Mut! Ein generelles Manko: Er hält sich zurück, selbst wenn der Kommentator Freiraum für eine Analyse bietet. Oft sieht er nicht mehr als der Kommentator neben ihm, bleibt zu oberflächlich bei Beobachtungen. Note 4
Die MagentaTV (und RTL)-Experten
Lothar Matthäus: Der Weltmeister von 1990 versteht die Mannschaften und Taktiken wie kaum ein anderer. Er sieht sofort, wenn Holland ein zentraler Mittelstürmer guttun würde (Weghorst trifft nach Einwechslung gleich) und spricht an, was nicht passt: „Im Mittelfeld Hollands sehe ich noch nicht diesen Unterschied. Wer ist da der Unterschiedsspieler?“ Seine Meinung hat das größte Gewicht der Experten. Note 1
Robin Gosens: Als Nationalspieler kennt er die Kollegen sehr gut, liefert Einblicke, könnte aber durchaus noch mehr verraten. Durch seine Zeit in der Serie A weiß er extrem viel über alle Spieler, die in Italien aktiv sind („Beim Schweizer Aebischer sieht man die Thiago-Motta-Schule von Bologna“). Note 2
Tabea Kemme: Die Entdeckung der WM 2022 – damals mit starken politischen Statements – ist jetzt weniger auffällig. Sportlich zwar gut informiert, doch sie sorgt weit seltener für echte Aha-Momente. Ihr Lieblingswort ist „Fokus“, der stets wichtig ist. Note 3
Tim Borowski: Der Ex-Nationalspieler wirkt etwas steif, liefert auch mal Banales wie „Der Beginn ist entscheidend“. Besser im Taktik-Kanal als im Studio aufgehoben. Note 5
Michael Ballack: Der „Capitano“ entwickelt sich von Turnier zu Turnier weiter. War er früher zaghaft, zeigt er immer mehr Meinung und legt sich fest (zum Handspiel des Belgiers Openda: „Der Eingriff des VAR ist eben nicht richtig.“). Erklärt die Taktiken anschaulich: Das deutsche Spiel wurde „auf Kroos angepasst“, indem man Andrich einsetzt. Mit einer offensiveren Sechs hätte die Balance nicht gestimmt. Auf den Punkt! Note 2
Owen Hargreaves: Der Engländer sagt zu oft, was der gut informierte Fußball-Fan ohnehin schon weiß. Da bleibt dann wenig hängen. Am besten ist er, wenn er über alte Weggefährten spricht: Das England-Team von 2004 hätte „etwas gewinnen müssen“. Sonst etwas blass. Note 4
Steffen Freund: Bei ihm quillt Leidenschaft aus jeder Pore. Er traut sich schnelle Aussagen (z. B. zum VAR), auch wenn er mal danebenliegt. Taktisch ständig am Formationen-Gucken („4-3-2-1 wird zu 4-1-4-1“). Redet punktuell fast zu viel. Note 2
Shkodran Mustafi: Vom 2014er-Weltmeister kommt zu wenig Tiefe. Auf die Frage „Offensive oder Defensive stärken?“ sagt er: „Beides.“ Note 5
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) recherchiert und zuerst in BILD veröffentlicht.