Die Region Schären-Finnland
Sind es 20.000 oder doch 50.000 Inseln im Südwesten Finnlands? Die Schätzungen schwanken in Abhängigkeit davon, ob jede Felsenkuppe mitgezählt wird. Doch eines ist sicher – Saaristomeri, das Schärenmeer zwischen dem finnischen Festland und der Inselgruppe Åland, ist in seiner Vielgestaltigkeit einzigartig.
Er gilt als größter Archipel der Welt und wird im Deutschen meist Schärengarten genannt, abgeleitet vom schwedischen Wort skärgård, das in der finnischen Inselwelt mit seinen zweisprachigen Ortsschildern aber auch geläufig ist. Eigentlich bedeutet Gård nicht Garten, sondern Vorhof. Doch Schärengarten passt viel besser zu dieser karibisch anmutenden Szenerie, in der im Sommer die Segelboote fast im Konvoi kreuzen.
Die meisten Skipper bevorzugen die Innenschären; sie liegen nördlich der großen Inseln Kyrklandet, Storlandet und Lillandet. Wie ein Riff schirmen diese schroffen Außenschären die kleinen, kreisrunden Innenschären vom stark befahrenen Finnischen Meerbusen ab. Und bestens geeignet für Inselhopping per Segel- oder Paddelboot ist Iniö, eine Schärengemeinde mit über 1000 Eilanden, deren Küstenlinie sich auf 700 Kilometer addiert.
Es ist eine Welt aus Meer, Felsen, Wald, Stille – und sehr sauberer Luft; nach Angaben von Visit Finland hat sie einen Feinstaubgehalt von nur sechs Mikrogramm pro Kubikmeter. Es sei der niedrigste Wert, der sich bei einer Messung mit 100 beteiligten Ländern ergab, so das Fremdenverkehrsamt. Die Finnen haben für das Atmen frischer Luft sogar ein Wort: Happihyppely, Sauerstoff-Hopping. Und Happihyppely wiederum spielt eine große Rolle für das Stärken des persönlichen Sisu, ein unübersetzbares Wort, das für innere Kraft steht. Sie soll die Finnen besonders widerständig und zielorientiert machen. Das Wasser und die Weite der Schärengärten tun noch ein Übriges zur Sisu-Stärkung.
In dieser abwechslungsreichen, von lediglich 30.000 Menschen besiedelten Inselwelt können Reisende vielleicht am besten nachfühlen, warum Finnland seit mehreren Jahren in Folge den Titel glücklichstes Land der Welt erringt. Und wem es mal zu viel wird mit all dieser Ruhe und Beschaulichkeit? Zu Schären-Finnland – so nennen die Touristiker die aus den zwei Provinzen Varsinais-Suomi und Satakunta bestehende Region – gehören sieben Städte. Darunter ist mit Turku die älteste, mit Rauma die schönste und mit Naantali die sonnigste Stadt des Landes.
Radtour durchs Schärenmeer
Der „Archipelago“, wie Nordländer das Schärenmeer nennen, mutet aus der Vogelperspektive an, als würde man auf eine blaue Petrischale mit rot-grünen Zellkulturen schauen. Denn fast jede der Abertausenden Inseln und Kleinst-Eilande ist üppig bewachsen, etliche mit falunroten Häusern bebaut. Und das Besondere: Nicht nur Segler können diese Wasserwunderwelt erkunden, sondern auch Biker und Camper – dank der 1996 eröffneten Schärenringstraße.
Wer ihr auf 250 Kilometern folgt, wird oft auf schwankendem Untergrund stehen, denn der Archipelago Trail (unter diesem Namen wird die Straße touristisch vermarktet) schließt acht Fährfahrten ein; bis auf eine sind alle kostenlos. Die Schärenringstraße verbindet fünf große Inseln miteinander. Überall können Reisende Stopps einlegen, auf Campingplätzen und in der freien Natur übernachten (das ist in Finnland erlaubt) oder einen Fährabstecher machen auf noch weiter entfernte Inseln wie Jurmo und Utö. Letztere ist das südlichste bewohntes Eiland in Schären-Finnland.
Hunde mit Tradition in Rauma
Wer durch die Altstadt von Rauma bummelt, sieht sie in vielen Fenstern stehen: Porzellanhunde. Meist sind es schneeweiße Spaniel oder Pudel mit goldenem Geschirr und großen Augen, die die Passanten treuherzig anschauen – allerdings nur dann, wenn der Hausherr einen Segeltörn macht. Ist der Familienpatron hingegen anwesend, dann wird der Porzellanhundekopf in Richtung Stube gedreht.
Solche Seefahrertraditionen werden in der Küstenstadt, die einst als Händlermetropole zu Reichtum kam, noch genauso gepflegt wie das pittoreske Zentrum mit seinen 600 mittelalterlichen Gebäuden. Seit 1683 von Stadtbränden verschont geblieben, besitzt Rauma den größten zusammenhängenden Holzhauskomplex der nordischen Länder und steht seit 1991 auf der Unesco-Weltkulturerbeliste.
Was die Insel Isokari so besonders macht
Unter Finnen genießt die Insel Isokari einen legendären Ruf. Denn es ist eines der wenigen Eilande im Schärenmeer, auf dem man barfuß laufen kann, ohne Angst haben zu müssen, einer Kreuzotter zu begegnen. Die Giftschlange ist in ganz Finnland einschließlich Lappland heimisch und fühlt sich auf den sonnengewärmten Steinen der Turkuer Schäreninseln besonders wohl. Doch bis nach Isokari haben es die Kreuzottern nicht geschafft. Offenbar, weil die 180 Hektar große Insel 25 Kilometer von der Küste entfernt ist.
Seit 1838 ist die Insel dauerhaft „beleuchtet“, damals wurde das fast 50 Meter hohe Isokari-Leuchtfeuer in Betrieb genommen. Von der obersten Plattform des Leuchtturms können Touristen weit über den Bottnischen Meerbusen schauen; Tageskreuzfahrten ab/an Uusikaupunki schließen Leuchtturmbesuche ein. Wer länger bleiben will: Von Juni bis September empfängt das Sommerhotel Gäste.
Und das ehemalige Lotsenhaus steht Urlaubshirten zur Verfügung – als einzige finnische Leuchtturminsel bietet Isokari sogenannte Schafhirtenwochen bei (fast) freier Logis an. Die Nachfrage ist enorm. Dass der sonnenverwöhnte Außenposten frei von Kreuzottern ist, dürfte ein Grund sein; der zweite ist das überschaubare Arbeitspensum: „Zu den Aufgaben gehört es, die Schafe zu zählen, auf ihr Wohlergehen zu achten und jede Menge Streicheleinheiten zu verteilen“, heißt es dazu auf der Insel-Website.
Vorsicht bei der Zubereitung dieser Suppe
Bis in den Juni hinein kann man sie in den Nadelwäldern am südfinnischen Küstenstreifen aufstöbern: Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta). Hat man kein Finderglück, kauft man die Pilze auf den Wochenmärkten, wo sie unter dem Namen Korvasieni (Ohrenpilze) angeboten werden. Besser ist es jedoch, im Restaurant eine Ohrenpilzsuppe, Korvasienikeitto, zu bestellen. Denn falsch zubereitet, sind Frühjahrslorchel – ähnlich wie der Fugu-Fisch in Japan – giftig und potenziell tödlich.
Gefahr lauert schon beim Einkauf am Gemüsestand, dort warnen Schilder davor, den Pilz mit bloßen Händen anzufassen. Auch die Zubereitung hat ihre Tücken. So sollten die Pilze mindestens dreimal abgekocht und das Wasser später abgeschüttet werden. Dabei nicht vergessen, die Fenster zu öffnen, die Dämpfe können Übelkeit verursachen. Touristen, die selbst kochen, aber auf Nummer sicher gehen wollen, sollten im Supermarkt nach gebrauchsfertigen Frühjahrslorcheln fragen, denn in Finnland gibt es diese besonderen Pilze auch in der Dose.
Das Zitat
„Hänellä ei ole kaikki muumit laaksossa“
Wörtlich übersetzt lautet diese finnische Redewendung „Er hat nicht alle Mumins im Tal“, sie drückt das Gleiche aus wie die deutsche Redensart „Er hat nicht alle Tassen im Schrank“ – nur mit dem Unterschied, dass die Finnen die Tassen durch Mumins ersetzen, jene lustigen hippoartigen Comic-Figuren, die mit den Kinderbüchern von Tove Jansson weltweite Bekanntheit erlangt haben.
Die Schriftstellerin lebte und schrieb jeden Sommer auf der kleinen Schäreninsel Klovharu; 2001 verstarb Jansson. Fans ihrer Bücher können in der Muumimaailma in die Welt der charmanten Mumins eintauchen; der nur in den Sommermonaten geöffnete Themenpark liegt auf der Insel Kailo im Meer vor Naantali und ist über eine Brücke zu Fuß erreichbar.
Das Mittsommerfest in Finnland
Drei Tage dauert das Raumanmeren Juhannus, das längste Mittsommerfest in der Schärenregion. In Finnland ist Mittsommer ein Feiertag, der immer an jenem Sonnabend begangen wird, der dem 24. Juni am nächsten ist.
Der Grund: Am 24.6. findet nach dem alten Julianischen Kalender die Sommersonnenwende statt; so feiern die Finnen in diesem Jahr am 22. Juni offiziell Mittsommer – obwohl die astronomische Sommersonnenwende nach dem heute gültigen gregorianischen Kalender schon zwei Tage früher ist, am 20. Juni. Den Festteilnehmern sind solche kalendarischen Spitzfindigkeiten egal, am Otanlahti-Strand bei Rauma tanzen sie einfach drei Tage durch.
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