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Österreich bekommt sein erstes „dezidiert queeres“ Hotel

Ein Künstlerpaar eröffnet in der Steiermark die „Absteige zur bärtigen Therese“. Das Hotel, ein umgebautes Chalet in einem Bergdorf, richtet sich bewusst an die LGBT-Community – und hält für die Gäste einige Überraschungen bereit.
Reiseredakteurin
Das Wandbild an der Fassade des Hotels wurde von PABUKU gestaltet und trägt den Titel „Fred“ Das Wandbild an der Fassade des Hotels wurde von PABUKU gestaltet und trägt den Titel „Fred“
Das Wandbild an der Fassade des Hotels wurde von PABUKU gestaltet und trägt den Titel „Fred“
Quelle: itshe + io

Seit 2020 leben und arbeiten Io Tondolo und Itshe Petz im Bergdorf Trahütten, wo sie ein altes Alpen-Chalet ausgebaut und als Künstlertreff über die Grenzen der Steiermark hinaus bekannt gemacht haben. Nun wagen sie den nächsten Schritt: Sie eröffnen die „Absteige zur bärtigen Therese“ als Österreichs „erstes dezidiert queeres Hotel“.

WELT: Was genau ist ein dezidiert queeres Hotel?

Itshe Petz: Viele Hotelbetriebe haben den Marktwert von LGBT-Reisenden erkannt und bezeichnen sich als „LGBT-freundlich“. Sprich: Sie wollen mit unserer Community Geld machen, dabei sind es jedoch reine hetero-gedachte Betriebe. Oft finden wir auch Reise-Suchmaschinen, die für angeblich queerfreundliche Hotels Werbung machen. Die queerfreundliche Seite ist dann aber auf der Website des Hotels gar nicht zu finden. Diese Praktik empfinden wir als verlogen; es sollte der LGBT-Community bewusst sein, was da mit ihnen gemacht wird.

WELT: Und Sie wollen es besser machen?

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Petz: Ja, wir sind selbst Teil der queeren Community und nicht nur LGBT-freundlich. In unserem Hotel möchten wir ein Safe Space für queere Lebensweisen und queere Kultur sein. Im Haus hängt von uns produzierte queere Kunst, und es gibt eine queere Bibliothek. Für uns ist die „Absteige zur bärtigen Therese“ auch eine Möglichkeit, im Prozess mit unseren Gästen zu erkunden, wie sich Unterschiede entfalten.

Io Tondolo (l.) und Itshe Petz wollen mit ihrem Hotel einen sicheren Ort für queere Lebensweisen schaffen
Io Tondolo (l.) und Itshe Petz wollen mit ihrem Hotel einen sicheren Ort für queere Lebensweisen schaffen
Quelle: Barbara Kienzer

WELT: Unter dem Begriff queer werden Menschen mit verschiedenen sexuellen Identitäten gefasst, Heterosexuelle ausgenommen. Können Letztere trotzdem bei Ihnen einchecken?

Io Tondolo: Offenheit und queere Sichtbarkeit sind uns ein wichtiges Anliegen. Wir wollen die Ausgrenzung, die wir in vielen Phasen unseres Lebens erfahren mussten, nicht reproduzieren und öffnen unsere Türen natürlich auch für Heterosexuelle, die sich als Unterstützende der Community verstehen.

Gleichzeitig sind wir der Überzeugung, dass es nach wie vor Schutzräume für queere Menschen braucht. Deshalb gibt es an ausgewählten Wochenenden Einschränkungen, zum Beispiel nur für Männer oder als männlich gelesene Personen. Wir bezeichnen unsere Hotelsaison als Spielzeit, so wie der Spielplan an einem Theater. Die Gäste schauen, was an welchem Wochenende gespielt wird, und buchen sich quasi eine Loge als immersive „Theatererfahrung“.

WELT: Bringen Sie auch Ihr künstlerisches Langzeitprojekt Itshe+io in den Hotelbetrieb ein, gibt es Performances?

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Petz: Itshe+io verstehen die „Absteige“ auch als Bühne. Im Rahmen des „Designmonat Graz 2022“ luden wir erstmals zum Performance-Dinner mit Übernachtung in den damals noch improvisierten Hotelzimmern ein. Ein erfolgreiches Format, das wir wiederholen wollen. Und natürlich sind wir – gleich gekleidet – als tägliche Performance im Haus unterwegs.

Mit ihren wechselnden Kostümen und Performances sorgen Io Tondolo und Itshe Petz auch für die Unterhaltung der Gäste
Mit ihren wechselnden Kostümen und Performances unterhalten Io Tondolo und Itshe Petz die Gäste auch
Quelle: THOMAS GALLI-MAGERL

WELT: Neben Ihrer künstlerischen Arbeit betreiben Sie eine gemeinsame Designagentur. Was war Ihnen bei der Gestaltung der „Absteige“ wichtig?

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Tondolo: Wir haben erst einmal viel Zeit im Haus verbracht, ohne viel zu verändern. Den Retro-Charme eines Alpen-Chalets aus den 70er-Jahren wollten wir unbedingt erhalten und trotzdem mit aktuellen Design-Elementen spielen. Wir versuchen, in unseren Designprojekten zu vermitteln, nicht alles gleich wegzuwerfen, sondern sich zu überlegen, wie die Einrichtung verändert werden könnte. Diesen Prozess haben wir mit dem Haus auch vollzogen.

WELT: Haben Sie dafür in jedem Zimmer Probe geschlafen?

Petz: Das haben wir. Uns war es wichtig, tägliche Abläufe zu erleben und unsere Erfahrungen in die Gestaltung mit aufzunehmen.

WELT: Unterscheiden sich die Zimmer in der „Absteige“ von denen in anderen Hotels?

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Tondolo: Die Zimmer unterscheiden sich von ihrer Funktion kaum von einem „normalen“ Hotelzimmer. Besonders hingegen ist, dass wir von der Planung bis zur handwerklichen Umsetzung alles selbst machen und auch unsere queere Kunst an den Zimmerwänden hängt.

Die Zimmer wurden von den Hoteliers selbst gestaltet
Die Zimmer wurden von den Hoteliers selbst gestaltet
Quelle: itshe + io

WELT: Ist Ihr Haus ein Adults-only-Hotel, gibt es eine Mindestaltersgrenze?

Petz: Die „Absteige“ ist ein Adults-only-Hotel für Gäste ab 18 Jahren. Aber wir überlegen, an ausgewählten Wochenenden auch ein Special für Regenbogenfamilien anzubieten.

WELT: Trahütten, das Bergdorf, wo Ihr Hotel steht, hat gerade mal 400 Einwohner. Können sich Ihre Gäste dort rundum willkommen fühlen?

Tondolo: Wir beide wurden von der Dorfgemeinschaft grundsätzlich sehr herzlich aufgenommen und haben entgegen den eigenen Vorurteilen fast ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Mit der kulturellen Arbeit, die wir mit unserem Kulturverein „Kulturfrische“ in Trahütten machen, haben wir es geschafft, für unsere beiden Festivals „Almfrische“ und „Winterfrische“ alle ins Boot zu holen und gemeinsam etwas für unser Dorf zu schaffen. Deshalb sind wir uns sicher, dass sich unsere Gäste im Dorf willkommen fühlen können.

WELT: Verfolgen Sie in der „Absteige“ ein besonderes kulinarisches Konzept?

Petz: Seit wir 2020 nach Trahütten gezogen sind, erkunden wir die Region nach tollen Produkten, die Südsteiermark hat hier viel zu bieten. Unser Fokus liegt auf regionaler Qualität, bevorzugt vegan oder vegetarisch, aber auch gutes Fleisch, Letzteres jedoch ausschließlich von Bauern aus unserem Dorf. Wir teilen uns als Paar da gut auf. Io bereitet das Essen in der „Therese“ zu. Am liebsten kocht er am Küchenherd mit Holzfeuer. Seine Neugier und sein Interesse für die Kulinarik begann im Gasthaus seiner Oma, eben genau hier, und führte über viele Stationen im In- und Ausland wieder an den Ursprung zurück.

Tondolo: Das stimmt, und Itshe hat im Garten der Großeltern in Hessen seine Liebe zu Pflanzen gelernt und beschäftigt sich mit dem Anbau von Kräutern, Gemüse und essbaren Blüten.

Io Tondolo und Itshe Petz wollten den Retro-Charme eines Alpen-Chalets aus den 70er-Jahren erhalten, ergänzten aber aktuelle Design-Elemente
Io Tondolo und Itshe Petz wollten den Retro-Charme eines Alpen-Chalets aus den 70er-Jahren erhalten, ergänzten aber aktuelle Design-Elemente
Quelle: Miriam Raneburger

WELT: Ist die „bärtige Therese“ eigentlich ein realer Mensch oder eine Kunstfigur?

Petz: Die „bärtige Therese“ ist imaginäre „Ahnin” von allen queeren Wesen. Sie kann die queere Oma sein, die wir nie hatten, sie steht in unserer Fantasie als Symbol für alle queeren Menschen, die über die Jahrhunderte für uns gekämpft haben, die für uns gestorben sind, die einen gesellschaftlichen Wandel herbeigeführt haben, um uns diese Freiheit zu ermöglichen, die wir heute leben. Sie steht aber auch da, um uns zu erinnern, dass wir weiterkämpfen müssen, um dieses zerbrechliche Gut auch weiter zu bewahren.

WELT: War Conchita Wurst Vorbild für das überdimensionale Wandbild an Ihrer Hauswand?

Tondolo: Conchita ist auch „eine“ bärtige Therese in einer langen Tradition, wir schätzen ihren Einsatz für die Community enorm. Das Wandbild an der Fassade ist von dem queer-lesbischen Künstler:innenpaar PABUKU gestaltet, die mit Originaldruckgrafiken aus der viktorianischen Zeit arbeiten, diese digitalisieren und zu Collagen verarbeiten. Die konkrete Arbeit an der Außenwand trägt den Titel „Fred“ und ist inspiriert von den Arbeiten Frida Kahlos.

WELT: Sie feiern die Eröffnung der „Absteige“ mit einem „Queer Carnival Weekend“ und laden Ihre Gäste dazu ein, sich die passenden Gewänder im hauseigenen Dragroom auszusuchen. Wie viele Kleidungsstücke haben Sie denn dort?

Petz: Oh, unsere Kostüme und Accessoires haben wir nicht durchgezählt. Das verändert sich auch permanent. Wir haben viele historische Stücke aus dem Fundus des Wiener Volkstheaters, wollen aber auch Raum für Neues lassen.

WELT: Wozu überhaupt ein Dragroom?

Petz: Der Dragroom soll einladen, auf spielerische Weise Facetten des Selbst zu erforschen und zu leben.

WELT: Gibt es auch einen Darkroom in der „Absteige“?

Petz: Tolle Frage! Muss ein LGBT-Hotel einen Darkroom haben, um eins zu sein? Darüber haben wir viel diskutiert. Darkrooms sind ein wichtiger Bestandteil der schwulen Stadtkultur. Aber wir sind ja auf der Alm mitten in der Natur und wollen die Stadtkultur nicht reproduzieren. Das passt nicht. Trotzdem greifen wir das Konzept von einem Darkroom auf und gehen damit spielerisch auf künstlerische Weise um.

WELT: Wie kann man sich das vorstellen?

Tondolo: Wir haben zum Beispiel im Garten einen Wohnwagen, wir nennen ihn „Love Temple“. Den haben wir mit Elementen aus Itshes Zeit als Dragqueen Roswitha Templem mit viel Kitsch und Trash gestaltet. Wir wollen mit der „Therese“ einen Ort schaffen, an dem Nähe und Intimität gelebt werden kann, aber eben ganz individuell, ohne Zwänge, auf eine achtsame Art. Art. Wir denken, dass es eine neue Begegnungskultur für die LGBTIQ-Community braucht, abseits der Clubkultur in Großstädten.

Künstler und Hoteliers:

Io Tondolo, geboren 1982, studierte in Graz Mandarin-Chinesisch sowie Kunst (Malerei und Restaurierung) in Wien, an der Akademie für bildende Künste in Sofia und an der Accademia di Belle Arti in Bologna.

Itshe Petz, geboren 1976, studierte unter anderem Kunst und Literatur, Kunsttherapie, Gruppendynamik und psychologische Beratung in Italien, Berlin und Wien.

Sie arbeiten an ihrem Langzeitprojekt itshe+io, einer Selbstinszenierung zwischen Business Artist und queerem Aktivismus. Parallel betreiben sie ab sofort die „Absteige zur bärtigen Therese“ als bewusst queeres Hotel, gelegen auf der Koralm in der Steiermark, Einzelzimmer ab 50 Euro, Doppelzimmer ab 90 Euro (absteige.eu).

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