WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Europa
  4. Bergsteigen in der Schweiz: Endlich einen Viertausender bezwingen

Europa Bergsteigen in der Schweiz

Endlich einen Viertausender in den Alpen bezwungen

Immer nur wandern – das war unserem Autor zu wenig. Er wollte einen Viertausender erklimmen. Im Schweizer Kanton Wallis schloss er sich einer Seilschaft an und lernte: Beim Klettern ist der Weg das Ziel.
Das Breithorn gilt als guter Viertausender für Berg-Einsteiger Das Breithorn gilt als guter Viertausender für Berg-Einsteiger
Das Breithorn gilt als guter Viertausender für Berg-Einsteiger
Quelle: picture alliance/ robertharding

Der Ostgrat ist schroff, scharf, gezackt, schierer Fels, auf dem westlichen Massiv liegt eine sanfte Kuppe aus Schnee und Eis. Bricht die Sonne durch, gleißen die Schneefelder und reduzieren die gewaltige Kulisse des Breithorns auf ein Schwarz-Weiß-Motiv. Dunkle Wolken jagen über die Walliser Alpen, Lichtfinger irren über eine wüste, leere Landschaft aus Schnee und Steinen, aus Gipfeln und Gletschern.

Letztere fließen zu Tal, und dort, wo die Eisfelder die Hänge hinabsteigen, sind sie zerborsten. Mächtige Eisströme wälzen sich und ihren Schutt abwärts. Eine Landschaft wie am ersten Tag – abweisend. Dennoch geht ein seltsamer Reiz von ihr aus. Hier liegt das Breithorn. Der Berg, den ich mir ausgesucht habe. Er soll mein erster Viertausender werden.

Jahr für Jahr geht es in die Berge zum Wandern, hoch und höher, weit weg vom Rest der Welt. Stets in begleiteter Gruppe, und immer waren es die ganz hohen Gipfel der Schweizer Alpen, die mich magisch anzogen. Über die Jahre war es ein stetes Herantasten an die Höhe. Denn ich bin kein Bergsteiger und kein Kletterer, das Hantieren mit Gurten und Steigeisen im Vertikalen ist nicht so mein Ding, ich bin kein Held und auch nicht das, was man gemeinhin besonders sportlich nennt.

Lesen Sie auch

Trotzdem wollte ich seit Jahren mal hoch hinauf, auf über 4000 Meter. „Dann steig aufs Breithorn“, rieten mir Bergführer. Der Berg müsste konditionsmäßig für mich zu schaffen sein, sagten sie.

Gut drei Dutzend Viertausender in den Walliser Alpen

Doch man möge sich nicht täuschen: Das Breithorn, gelegen nahe Zermatt im Schweizer Kanton Wallis und 4164 Meter hoch, muss man ernst nehmen, ohne Bergführer und Seilschaft geht hier gar nichts. Und ohne Akklimatisierung auch nicht, deshalb machte ich zunächst eine Runde auf dem Gornergrat, mit dem eingangs beschriebenen Blick.

Faszinierende Aufnahmen vom Matterhorn

Ein Amateurfotograf aus den USA hat ein Zeitraffer-Video ins Netz gestellt, das die Schönheit der Schweizer Berge zeigt. Acht Tage lang war Ferrera in der Region um das Matterhorn unterwegs.

Quelle: Reuters

In den Walliser Alpen, genauer in der Umgebung von Zermatt, liegen mehr als drei Dutzend Viertausender, allen voran Matterhorn, Castor und der höchste Berg der Schweiz, die Dufourspitze.

Doch wer kennt schon das Nordend oder die Signalkuppe? Die Gegend um Zermatt ist ein Paradies für Bergwanderer, auch wenn es nicht auf das Dach der Welt geht, wie im Himalaja.

Lesen Sie auch
Bergsteiger Reinhold Messner setzt sich für die Rettung der Berge ein
Massentourismus

Und morgen nun soll es endlich so weit sein; vier, eins, sechs, vier, immer mal wieder murmele ich kaum hörbar die Höhenangabe für das Breithorn vor mich hin. Eine Unsicherheit allerdings bleibt – das Wetter. Ein Gewitter in den Walliser Alpen würde das Aus des Plans bedeuten.

Hinauf ins ewige Eis der Schweiz

Am nächsten Morgen: kein Gewitter. Die Gondel schaukelt uns sanft über ein schaurig-schönes Niemandsland, hinauf zur Station ins ewige Eis; an Bord sind Skifahrer und Bergsteiger, es besteht Maskenpflicht.

Anzeige

Das Bergmassiv vor unseren Augen wird immer gewaltiger, zarte Wolkenschleier umkränzen wie buddhistische Gebetsfahnen den Gipfel. Das Breithorn strahlt in der Sonne.

Bergsteigen in den Walliser Alpen in der Schweiz
Sieht leicht aus, trotzdem sollte man den Weg nur mit Führer wagen
Quelle: picture alliance/imageBROKER

Bergführer Denis ist Pfadfinder und personifizierte Lebensversicherung in einem. Passt die Hüftgurte an! Zieht die Seile ein! Kaum ausgesprochen, klacken schon die Karabiner.

Lesen Sie auch

Die drei anderen Leute unserer Seilschaft haben Erfahrungen aus den Anden, dem Himalaja und vom Kilimandscharo, ich bin ohne solche Bergerfahrung der Schwächste und gehe deshalb hinter Denis.

Stumpfsinnig stapfen im Rhythmus

Wir verlassen die Bergstation, die als Ausgangspunkt für den Sommerskibetrieb auf dem Gletscher dient, und stapfen langsam los. Obwohl das Angehen des Breithorns eben ein solches ist, also ein Gehen, kein Klettern, wird es als Bergbesteigung bezeichnet. Nun ja, steil ist es an manchen Stellen durchaus.

Vor dem Berg liegt eine ausgedehnte, vergletscherte Fläche, wie überhaupt die ganze Strecke nur aus Schnee, Firn und Eis zu bestehen scheint. Ein kurzer Blick auf das Ziel, dann verschwindet die Kulisse wieder im Nebel. Eisiger Dunst flutet über die Fläche, nur die fahle Sonnenscheibe markiert den Himmel. Allmählich schwinden die Grenzen zwischen oben und unten.

Schweiz: Schwindelfrei sollte man auf dem Breithorn schon sein
Schwindelfrei sollte man auf dem Breithorn schon sein
Quelle: picture alliance/robertharding

Wir trotten langsam hinter Denis her, in der rechten Hand den Stock, durch die linke läuft locker das Seil. Die Fläche vor dem Breithorn erscheint wie eine endlose Ödnis, Grau in allen Nuancen, und bricht die Sonne durch, auch diffuses Weiß. Weit vor uns ist eine andere Seilschaft zugange, sie ist schneller als wir; bald schon löst sich ihre Silhouette auf, sie verschwindet einfach in Raum und Zeit.

Die erste Stunde ist nicht großartig, es ist vielmehr ein stumpfsinniges Stapfen. Längst haben wir unseren Rhythmus gefunden. Inzwischen hat uns Denis die Steigeisen angepasst. Dann eine kurze Pause, und der Bergführer mahnt eindringlich, von nun an nah beieinander zu bleiben, keiner macht einen Schritt ohne sein Okay.

Der Aufstieg auf das Breithorn ist kein Spaziergang

Anzeige

Gletscher und Schneefelder – das bedeutet, der Grund, auf dem wir gehen, ist in ständiger Bewegung. Risse und Spalten durchziehen das Eis. Hinzu kommt, dass das Gelände nach Norden hin knapp anderthalbtausend Meter ins Bodenlose fällt. Ich keuche, die Schritte knirschen. Es knarrt, es knackt.

Ist es das Eis? Das Düstere weicht dem Dramatischen, in gefühlt endlosen Kurven gehen wir Schritt um Schritt die Flanke hinauf. Und sehen dabei außer dem Rucksack des Vorangehenden nichts. Doch Denis hält Ausschau, ist wachsam auf jedem Meter.

Nahe des Gipfels liegen die Temperaturen unter Null
Nahe des Gipfels liegen die Temperaturen unter Null
Quelle: picture alliance/robertharding

Streckenweise mutet die Wüste aus Eis wie ein gefrorenes Meer an, etwa wenn sich das Eis wellt, aufbricht und in scharfkantige Blöcke zerfällt. Hin und wieder leuchtet die Sonne die Szenerie grell aus, dann bekommt jede Verwerfung messerscharfe Konturen.

Rechts ist das bodenlose Blau einer Gletscherspalte zu sehen; kleinere Spalten sind von Schnee verdeckt; stapft man hinein, entstehen tiefe Trittsiegel. Angst? Nein, aber Respekt. Die Besteigung des Breithorns ist eben kein Spaziergang.

Gehen wir gerade über eine Brücke aus Schnee?

Denis zeigt auf ein Band Schnee, das heller wirkt als die Umgebung. Darunter verbirgt sich eine weitere Spalte. Gehen wir gerade über eine Schneebrücke? Will ich das überhaupt wissen?

Zum Glück habe ich einen ortskundigen Guide, und als solcher startet er mit seinen Gruppen deshalb auch ganz früh. Dann sei der Schnee besser und die Brücken seien stabiler, sagt Denis.

Bergsteigen auf dem Breithorn (Walliser Alpen, Schweiz)
Im Gänsemarsch: Es gilt, die Spuren des Führers zu treffen
Quelle: picture-alliance/Udo Bernhart

Wir gehen stoisch weiter, Schritt für Schritt, immer darauf achtend, nur in die von Denis stammenden Fußspuren zu treten und die richtigen Abstände in der Seilschaft zu wahren.

Langsam lassen wir das zerklüftete Eisfeld hinter uns und nähern uns einem Hang, der so schräg ist, dass ich mich ihm automatisch zuneige. „Bleib aufrecht!“, mahnt Denis sofort, doch der Berg scheint mich anzuziehen. Kurz darauf stürze ich, typischer Anfängerfehler.

Kein Jubel auf dem Berg – aber auch keine Atemnot

Danach leuchtet wieder das Bergpanorama im Sonnenlicht auf, und für einen Augenblick wirkt alles großartiger, himmlischer als je zuvor. Solche Momente sind es, die die Mühsal des Aufstiegs vergessen machen. Doch sie sind selten, denn meistens laufen wir durch Nebel.

Irgendwann dann kommt er, der ersehnte Satz „Wir sind jetzt auf 4000 Meter“. Denis sagt das ganz beiläufig und lapidar – und geht einfach weiter. Kein Jubel, kein Hochgefühl, aber auch keine Atemnot und kein Kopfschmerz. Ich gehe auf Sicht und denke an den nächsten Schritt. „Ab 4000 Höhenmeter wird die Luft dünner – alles okay bei dir?“ Ja, alles in Ordnung.

Nach dem Aufstieg genoss Autor Oliver Abraham das Alpenpanorama
Nach dem Aufstieg: Autor Oliver Abraham genießt das Alpenpanorama
Quelle: privat

Die letzte Stunde verging schneller, als es mir mein Zeitgefühl signalisiert hatte. Für das Großartige ist noch keine Zeit, stattdessen schleicht sich ein Gedanke ein: Schaffe ich das? Wenn das Auge doch nur etwas hätte zum Festhalten, wenn sich doch nur die Gedanken vom eintönigen Weg lösen könnten.

Wo bleiben Fantasie und Weitblick? Sind es zehn Kilometer bis zum Horizont, sind es 20? Wo ist das Erhabene, und wie lange dauert es noch? Zehn Minuten oder fünf? Ich konzentriere mich auf meine Schritte. Zu sehen ist nichts, nur Wolken. Ich erinnere mich, wie ich mir als Kind die Wolken vorgestellt habe, als Polster, als Bett, als Hängeschaukel.

Statt Selfies Schokolade als Trophäe

Dass sich langsam etwas ändert, war schon seit einiger Zeit zu spüren; die Hangneigung nimmt ab. Der Grat wird flacher, er führt unmerklich wieder abwärts, ganz langsam, ganz unspektakulär. Der Berg, der kein Gipfelkreuz hat, hört einfach auf.

Und dann kurz nach zehn Uhr morgens, bei minus zwei Grad Celsius und Windstärken von 30, 40 Kilometern pro Stunde aus südwestlichen Richtungen – Denis dreht sich um und gibt mir die Hand. Händeschütteln mit Handschuh. Im ersten Augenblick spüre ich nichts Grandioses, nur große Genugtuung. Statt Selfies gibt es Schokolade, auch gut, nein, viel besser.

Und dann kommt es doch noch, so ein seltsames Gefühl. Ein Kribbeln erst, dann die vielfach beschriebenen Ströme von Glück. Der Himmel reißt auf, im Süden, der Blick nach Norden bleibt von den Wolken verborgen.

Es hat sich gelohnt, das Bezwingen meines ersten Viertausenders, auch wenn ich es nicht allein geschafft habe, keine Frage, doch schon allein der Weg! Und erst das Panorama! Diese Parade der Viertausender! Auf Augenhöhe gewesen zu sein mit Matterhorn und Montblanc!

Auch wenn es so klingen mag, ich jubele nicht. Ich staune. Und ich bin dankbar, für etwa eine halbe Stunde. Dann müssen wir los, das Wetter ist kippelig auf vier, eins, sechs, vier.

Abrutschgefahr – Gletscher bedroht Dorf

Der Mont Blanc droht wegen der hohen Temperaturen immer mehr wegzuschmelzen. Auf der italienischen Seite des Berges musste nun ein ganzes Dorf evakuiert werden, weil ein Gletscher abzurutschen droht.

Quelle: WELT/ Fanny Juschten

Tipps und Informationen

Anreise: Zermatt ist komplett autofrei, umso mehr empfiehlt es sich, mit dem Zug anzureisen; von Berlin beispielsweise dauert die Zugfahrt mit Umstiegen rund 13 Stunden (bahn.de).

Unterkunft: „Bellavista Zermatt“, Hotel im Chalet-Stil mit Blick auf das Matterhorn und Service für Aktivurlauber (frühes Bergsteiger-Frühstück, Marschtee- und Verpflegung), Doppelzimmer ab 165 Euro, bellavista-zermatt.ch; „Schlosshotel Zermatt“ mit großem Sport- und Wellness-Angebot, Doppelzimmer ab 220 Euro, schlosshotelzermatt.ch.

Breithorn: Das Breithorn ist ein fünfgipfliger, von West nach Ost verlaufender, stark vergletscherter Bergkamm in den Walliser Alpen. Der höchste Punkt des Kamms und zugleich der bergsteigerisch leichteste Viertausender der Alpen ist der Westgipfel (Breithorn Occidentale auf 4164 Metern). Weiter nach Osten folgen der Mittelgipfel (Breithorn Centrale, 4159 m) sowie die Breithorn-Zwillinge. Der Breithornkamm endet im Osten mit der Schwarzfluh (4075 m).

Quelle: Infografik WELT/Jörn Baumgarten

Eine Akklimatisierung an die Höhe ist über Bergtouren rund um Zermatt zu empfehlen. Die Breithorn-Normalroute kann im Sommer und im Winter bestiegen werden. Im Winter wird sie mit einer schönen Skiabfahrt über Schwarztor kombiniert.

Preisbeispiel: Die im Text beschriebene Tour fand mit dem Bergführer Denis Gruber vom einheimischen Bergtourenveranstalter „Zermatters“ (zermatters.ch) statt. Mit der Gondelbahn fährt man von Zermatt bis zur Station Klein Matterhorn auf 3883 Meter. Der von dort startende Aufstieg zum Berghorn dauert etwa 3,5 Stunden, für den Abstieg müssen noch einmal 1,5 Stunden eingeplant werden; Verpflegung muss man selbst mitbringen; Ausrüstung wie zum Beispiel Steigeisen, Hüftgurte, Seile und Stöcke können für umgerechnet rund 8,50 Euro gemietet werden.

In der Gruppe (mindestens drei Teilnehmer, Mindestalter 16 Jahre) kostet die geführte Tour ab 175 Euro pro Person; ein Privatbergführer schlägt mit 530 Euro zu Buche (Mindestalter 12 Jahre); hinzu kommen die Ticketkosten bis zur Station Klein Matterhorn mit rund 107 Euro für Hin- und Rückfahrt.

Auskunft: myswitzerland.com; zermatt.ch

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Schweiz Tourismus. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.de/unabhaengigkeit.

Dieser Artikel wurde erstmals im August 2020 veröffentlicht.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen