Es ist wie immer, kaum ist man über den Berg: Als hätte es hier jemand zu gut gemeint mit den Farben und Formen und der Schönheit. Das intensive Blau des Himmels und das tiefe Grün der Fichtenwälder; die roten, weißen, gelben Blüten, wie hingeworfen auf die frischen Wiesen, das Licht, das sich im genau richtigen Winkel in den letzten Tautropfen bricht. Die wattigen Wolkenfetzen, die sich vor die schroffen Wände des Wettersteingebirges schieben. Irgendwo plätschert leise ein Bach. Ansonsten: freundliche, vollständige Stille.
Es ist nicht schwer, sich nach diesem Ort zu sehnen. Und natürlich war die Sehnsucht nie größer als im Winter, dieser schwarz-weißen Zeit, in der der Ort weiter weg schien denn je.
Damals, als man fast schon aufgegeben hatte, Dinge außerhalb des eigenen Haushaltes zu vermissen, landete ein großer Umschlag im Briefkasten. Ein überdimensionierter Prospekt, seitengroße Bilder, kaum Worte. Er kam aus Oberbayern, von Schloss Elmau.
Das tauchte auf den Fotos natürlich auch auf: der weiße Turm mit der grünen Spitze, das schieferfarbene Dach, die Flügel des Gebäudes, die sich selbstbewusst in die Landschaft legen. In Elmau weiß man, was man hat, und dass es reicht, daran zu erinnern.
Es reichte. Wenn Reisen wieder gingen, das war schnell beschlossen, dann in diese Bilderbuchrealität.
Ein Luxushotel in einem der schönsten Täler der Alpen
Schloss Elmau ist ein Luxushotel. Es hat fünf Sterne und ist eines der besten im Land, dafür hat es Auszeichnungen bekommen. Es liegt in einem der schönsten Täler der Alpen, aus vielen Fenstern ist die Zugspitze zu sehen.
Aber damit ist längst nicht alles gesagt. Es war ja nicht nur die Sehnsucht nach Weite und Horizont, sondern auch die nach Raum und Geist und Musik. Von allem gab es immer viel in Elmau.
Gibt es wieder, als im Frühsommer aus dem Weiter-weg-denn-je ein paar Stunden mit dem Zug geworden sind. Im Schloss funktioniert ein paar Wochen nach der Öffnung alles schon wieder routiniert und geräuschlos. Wären da nicht das Testcenter vor dem Schloss, die Masken in den Gängen, die große Umsicht mit Regeln: Alles wirkte wie früher.
Koffer werden aufs Zimmer gebracht, der Nachmittagskuchen herangerollt, Menschen in Bademänteln eilen ins Spa. Im Saal wird geübt, es gibt Konzerte und Lesungen, gerade läuft die „Woche der Romantik“, Schubert-Lieder und Goethe-Texte, was würde besser hierher passen als das?
Wenig deutet darauf hin, was hier in den vergangenen Monaten passierte, oder genauer: nicht passierte. Denn im Grunde genommen war man doppelt getroffen an diesem Ort.
Konzerte gehören zu Schloss Elmau dazu
Eigentlich finden auf Schloss Elmau über 200 Konzerte pro Jahr statt, nicht nur für die Hotelgäste. Das gehört dazu. Bekannte Künstler kommen, Klassikstars mitunter, Schriftsteller, Philosophen zu Lesungen, Gesprächen.
Anfang des Jahres, in der härtesten Zeit, sagte der Chef, Schlossherr Dietmar Müller-Elmau, einmal: Wenn wir keine Konzerte machen können, brauchen wir gar nicht aufzumachen. Er meinte es so. Und er sagte damals auch, man solle die Hotels geschlossen lassen, solange die Pandemie tobe. Weil Menschenleben wichtiger seien als Geld. Geld verlor er jede Menge.
Es ist ein großes Haus, das da halbwegs in Betrieb gehalten werden musste, auch ohne Gäste. Es sind inzwischen sogar mehrere Häuser, vieles gibt es doppelt: nicht nur einen Wellnessbereich, sondern Badehäuser; Restaurants, Bibliotheken, Terrassen, Schwimmbäder, Yoga-Pavillons, Kaminzimmer, Lounges.
Dazu Konzertsaal und Buchhandlung. Eines der Geheimnisse des Hotels ist, dass man die Menge, die Größe nicht merkt. Es ist großzügig, aber nicht großkotzig.
Es wetteifert mit den Farben und Formen und der Schönheit, die die Umgebung draußen vorgibt: das türkisblaue Wasser der Swimmingpools, aus denen sanft der Dampf hochsteigt, die wie zufällig angeordneten roten Schirme in der Landschaft, sogar die Menschen, die in den bunten Hausbademänteln über Wiesen und Wege laufen.
Das Holz in den Kaminen für Licht und Duft, die Kissen und Polster. Alles ist immerzu an dem exakt richtigen Platz. Das gilt natürlich auch für die Restaurants und die Zimmer, von denen nicht wenige die Größe von Vierzimmerwohnungen haben, beste Aussicht, riesige Betten und freundliche Chaiselonguen, warme Farben und Materialien.
Das Hotel ist ein Ort der Formen, Farben und Sehnsucht
Das war nicht immer so. Vor sehr langer Zeit war Elmau eher klösterlich, erfunden von dem Theologen und Philosophen Johannes Müller. Er eröffnete das Haus 1916 als nüchternen Ort zwischen Kuranstalt und Jugendherberge.
Es gab feste Abläufe, Tischordnungen, Konzerte, nach denen nicht geklatscht werden durfte, und unvergessene Gruppentänze im Morgengrauen. Ebenso legendär waren die jungen Helferinnen, die sich teilweise sehr intensiv um die Gäste kümmerten.
Das änderte sich mit den Jahren ein bisschen, aber wesentlich erst, als der Enkel Dietmar Müller-Elmau in den 90er-Jahren das von der Pleite bedrohte Hotel übernahm. Er holte mehr Musiker, obendrein Denker und Politiker zu Symposien, von denen einige legendär wurden, aber er sorgte eben auch für den Luxus. Vor allem, nachdem 2005 ein Teil des Schlosses abgebrannt war.
Der Kurswechsel gefiel spontan nicht allen Stammgästen. Als 2015 der G-7-Gipfel nach Elmau kam und mit ihm das Nebenhaus „Retreat“, wurde es noch mehr. Mit dem Luxus. Der natürlich überzeugt, auf seine Art. Aber damit ist eben längst nicht alles gesagt. Denn vor allem ist Elmau: ein Ort der Formen, Farben und Sehnsucht.
Tipps und Informationen
Anreise: Mit der Bahn via München bis Klais-Krün, von dort gibt es einen Shuttle-Service des Hotels. Mit dem Auto über die Autobahn 95 bis Garmisch-Partenkirchen, weiter auf der Bundesstraße 2 Richtung Klais. Die nächstgelegenen Flughäfen sind München und Innsbruck.
Das Hotel: Ein Doppelzimmer im „Schloss Elmau Luxury Spa Retreat & Cultural Hideaway“ kostet ab 300 Euro (schloss-elmau.de).
Weitere Infos: zugspitz-region.de