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  4. China: Robotertaxen und Züge mit Tempo 800 – eine Reise nach China ist eine Reise in die Zukunft

Fernreisen Auf der Überholspur

Eine Reise nach China ist eine Reise in die Zukunft

Robotertaxen, unbemannte Personen-Drohnen, Züge mit Tempo 800: China-Kenner Frank Sieren schildert, was Urlauber im Reich der Mitte nach Jahren der Abschottung erwartet. Vieles erleichtert das Leben – doch es gibt einen Preis: mehr staatliche Überwachung denn je.
Reiseredakteurin
China: Ocean Flower Island vor der Küste von Hainan ist die weltgrößte künstliche Insel China: Ocean Flower Island vor der Küste von Hainan ist die weltgrößte künstliche Insel
Ocean Flower Island vor der Küste von Hainan ist die weltgrößte künstliche Insel
Quelle: picture alliance/dpa/HPIC/Stringer
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Drei Jahre war China vom Rest der Welt abgeschottet. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Staatsführung Anfang 2020 eine weitgehende Grenzschließung verfügt; erst im März 2023 wurde sie für Touristen wieder aufgehoben. Was hat sich in dieser Zeit getan? Frank Sieren bringt mit seinem Buch „China to go“ Reisende auf den neuesten Stand.

WELT: Das Erste, was China-Reisenden auffällt: 2023 geht in dem Land nichts mehr ohne WeChat. Ob Freizeitplanung, die Buchung von Dienstleistungen oder Bezahlvorgänge – alles läuft über diese App. Können sich auch ausländische Touristen WeChat einfach so herunterladen und nutzen?

Frank Sieren: Das ist möglich. Doch damit auch die wichtige Bezahlfunktion der App, WeChat Pay, funktioniert, muss man erst seine Identität verifizieren und einen WeChat-User finden, der einen einlädt. Dann kann man sein WeChat mit einer internationalen Visa- oder Master Card verbinden.

WELT: Läuft man nicht Gefahr, mit WeChat zu viele persönliche Daten preiszugeben?

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Sieren: Selbstverständlich besteht diese Gefahr. WeChat ist höchst ambivalent. Einerseits erleichtert die App das Leben, weil man kein Bargeld mehr braucht. Auch Korruption wird mit WeChat erschwert, denn jegliche Zahlungsvorgänge sind nachvollziehbar. Aber WeChat kann auch benutzt werden, um Menschen zu überwachen. Dennoch, mit Stand September nutzten 78 Prozent aller Chinesen zwischen 16 und 64 Jahren die Handy-App.

Während der Pandemie hat China seine Überwachungsmechanismen perfektioniert. Hier zeigt ein Monitor die Körpertemperatur von Hotelgästen an
Während der Pandemie hat China seine Überwachungsmechanismen perfektioniert. Hier zeigt ein Monitor die Körpertemperatur von Hotelgästen an
Quelle: picture alliance/Caro/Sorge

WELT: Das ist schwer nachvollziehbar.

Sieren: Für die Nutzer überwiegen offenbar die Vorteile der Alleskönner-App gegenüber den Risiken. Denn man kann mit WeChat ja nicht nur bezahlen, Taxis rufen, Essen bestellen und Arzttermine vereinbaren, sondern auch Kredite aufnehmen und Immobilien kaufen. Selbst für PCR-Tests konnte man sich über die App in zwei, drei Sekunden per QR-Code registrieren.

Die Pandemie zeigte allerdings auch, dass eine digitale Überwachung gar nicht so einfach ist. Die in Corona-Zeiten erfassten Datenmengen waren gewaltig, und die Handy-Apps schafften es damals nicht mehr, sich zu koordinieren. Das heillose Durcheinander führte sogar dazu, dass man immer wieder auch grundlegende Daten wie Passnummer oder Telefonnummer neu eingeben musste.

WELT: Sie schreiben in Ihrem Buch, ausländische Reisende würden schnell merken, dass sie ohne WeChat aufgeschmissen seien. Braucht man die App auch zum Buchen der Hochgeschwindigkeitszüge?

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Sieren: Nicht unbedingt, man kann die Tickets online buchen, so wie in Deutschland.

WELT: Inwiefern unterscheiden sich chinesische Hochgeschwindigkeitszüge vom deutschen ICE?

Sieren: Da ist einiges anders. So fahren die chinesischen Züge eng getaktet und ganz ohne Verspätung. Die 1300 Kilometer von Peking nach Shanghai mit 350 Km/h in der Spitze dauern nur ein paar Minuten mehr, als der Sprinter von Frankfurt nach Berlin auf der 424 Kilometer langen Strecke braucht. Während der ganzen Fahrt gibt es ruckelfreies WLAN und warmes Essen; die Sitze sind in alle Richtungen drehbar, sodass sich vier Leute gegenübersitzen können, oder zwei und zwei hintereinander. Dieses hohe Reiseniveau will China übrigens bald nach ganz Südostasien exportieren.

Chinesische Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht nur pünktlich, sondern auch komfortabel ausgestattet. Das Foto zeigt die Business-Class in einem Fuxing-Zug
Chinesische Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht nur pünktlich, sondern auch komfortabel ausgestattet. Das Foto zeigt die Business-Class in einem Fuxing-Zug
Quelle: picture alliance/Xinhua News Agency/Zhang Chenlin

WELT: Was ist da zu erwarten?

Sieren: China hat in 15 Jahren das mit 40.000 Streckenkilometern größte Hochgeschwindigkeitszugnetz der Welt aufgebaut. Nun soll das Netz über Laos und Thailand bis nach Singapur erweitert werden. Im Februar 2022 fuhr bereits der erste Güterzug von Kunming in der chinesischen Provinz Yunnan via Laos bis nach Bangkok. In nur 55 Stunden, einen ganzen Tag schneller als bisher. Für Laos und Thailand ist es die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke überhaupt – eine Zäsur für Südostasien.

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WELT: Welche weiteren Vorteile haben ausländische Reisende vom technischen Fortschritt in China?

Sieren: Wer nicht der chinesischen Sprache mächtig ist, kann mit jedem normalen Smartphone und einer App Texte und Schilder scannen und erfährt Sekunden später, was darauf steht. Ebenso schnell kann das Handy gesprochene Sprache übersetzen – immer und überall, auch ohne WLAN. Die bereits hohe 5G-Abdeckung macht es möglich.

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Inzwischen sind chinesische Entwickler nicht mehr weit vom mobilen Simultanübersetzer entfernt, also vom berühmten Knopf im Ohr, der in Echtzeit Fremd- in Muttersprache übersetzt. Bis 2030 will China den 6G-Standard etabliert haben. Wer dann nach China reist, wird sich wahrscheinlich in einer völlig anderen Welt wiederfinden.

WELT: Und wie sieht diese aus?

Sieren: Reisende werden dann die ersten Trassen nutzen können, auf denen Züge mit 800 Kilometern pro Stunde fahren, sie werden vom Flughafen zum Hotel in einer Drohne ohne Piloten fliegen.

WELT: Jetzt fabulieren Sie aber.

Sieren: Nein, gar nicht. Im April dieses Jahres hat die Regierung beschlossen, Shanghai und die Zehn-Millionen-Metropole Hangzhou werde bis 2035 mit einer Vakuumröhre verbunden, durch die dann Hochgeschwindigkeitszüge mit 800 Kilometern pro Stunde plus fahren können. Die Züge sollen so schnell werden, dass sie Flugzeuge ersetzen und so den Klimawandel bremsen. Eine Revolution in der Geschichte der Bahn.

Und Passagierdrohnen, die ohne Piloten fliegen, sogenannte „Autonomous Aerial Vehicles“ (AAVs), gibt es ja bereits, selbst in Europa. Aber am technisch ausgereiftesten sind die EHang-Luftfahrzeuge aus Guangzhou. Ende Oktober haben sie als erste der Welt die Alltagszulassung erhalten.

China: Schon im kommenden Jahr sollen EHang-Luftfahrzeuge auf 50 Strecken im südchinesischen Shenzhen unterwegs sein
Schon im kommenden Jahr sollen EHang-Luftfahrzeuge auf 50 Strecken im südchinesischen Shenzhen unterwegs sein
Quelle: picture alliance/Xinhua News Agency/Mao Siqian

WELT: Können auch Touristen damit fliegen?

Sieren: Selbstverständlich. Noch in diesem Jahr werden die EHang-Luftfahrzeuge auf fünf Strecken im südchinesischen Shenzhen fliegen. Nächstes Jahr sollen es bereits 50 Strecken sein. Auch andere Städte ziehen nach. Was die Chinesen erfinden, wird immer wichtiger für unser Leben. Beispiel Robotaxen, also Taxis ohne Fahrer. Auch auf diesem Gebiet sind sie führend.

WELT: In welchen Städten fahren diese Robotaxen?

Sieren: In Peking, Wuhan, Chongqing und Shenzhen. Noch sind es nicht allzu viele und sie fahren auch nur auf bestimmten Strecken. Aber wenn man die Robotaxen auf der Straße sieht, ist das auch schon skurril: Der Gast sitzt hinten, und vorne bewegt sich das Lenkrad wie von Geisterhand.

WELT: In San Francisco wurde gerade der Robotaxi-Firma Cruise, einem Tochterunternehmen von General Motors, die Lizenz für ihre fahrerlosen Taxen nach zwei Unfällen entzogen. Wer haftet eigentlich in China, wenn etwas passiert?

Sieren: Derzeit gilt folgende Rechtsprechung: Bei Unfällen zahlt nicht der Hersteller der Fahrzeuge, sondern der Betreiber der autonomen Fahrdienste, sofern diese vollkommen fahrerlos sind. Dafür gibt es bereits Versicherungen. Sitzt hingegen noch ein menschlicher Überwacher am Lenkrad, haftet dieser bei Unfällen.

WELT: Klingt kompliziert.

Sieren: Stimmt, aber auch bei der Rechtsprechung geht China neue, digitale Wege. Ein Beispiel: In der 4,5-Millionen-Metropole Xiamen fand im Herbst 2022 die erste Gerichtsverhandlung im Metaverse statt. Das heißt, der Gerichtssaal war komplett virtuell, Angeklagte, Richter und Verteidiger wurden von Avataren vertreten. Die virtuelle Rechtsprechung kam gut an, weil sie allen Beteiligten viel Zeit sparte. Es ging um zwei Verkehrsdelikte.

WELT: Ein irres Tempo, das China da vorlegt.

Sieren: Ja und deshalb stimmen viele Vorurteile, die man im Westen über das Riesenreich hat, heute nicht mehr. Ich erzähle in dem Buch die Geschichten jenseits der Vorurteile. Geschichten, die alle in beliebiger Reihenfolge einzeln gelesen werden können, zusammen jedoch ein neues, überraschendes Bild ergeben. Hunde beispielsweise, die auf Fleischmärkten angeboten werden? Das sieht man in China nur noch ganz, ganz selten.

WELT: Dafür aber Schweine im Hochhaus, wie Sie in Ihrem Buch schreiben.

Sieren: Genau genommen ist es eine vertikal gebaute, 28-stöckige Zuchtanlage in der Provinz Hubei. Unvorstellbare 1,2 Millionen Tiere sind dort untergebracht, ihr Kot wird gleich an Ort und Stelle zu Biogas verarbeitet. Um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen – ja, solchen Megaanlagen zum Trotz gibt es ein wachsendes Bewusstsein für Tierschutz in China. So will Peking noch in diesem Jahr Tierversuche für Kosmetik verbieten. China ist eben ambivalent.

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WELT: Das ändert aber nichts daran, dass Schweine in Hochhäusern leben.

Sieren: So wie viele Menschen. Die UN schätzt, dass 2050 zwei Drittel der Menschheit in Städten leben wird, meist in Hochhäusern. Die Chinesen sehen diese Entwicklung ganz pragmatisch, sie errichten inzwischen selbst in Touristenzielen wie Hainan große Retortenstädte oder Retorteninseln.

Haben Sie schon mal von Ocean Flower Island vor der Küste Hainans gehört? Das ist die weltgrößte künstliche Insel, etwas größer noch als die Palm Islands in Dubai. Das chinesische Ocean Flower Island ist für 200.000 Gäste konzipiert und schon großteils fertig.

WELT: Würden Sie denn auf Ocean Flower Island urlauben wollen?

Sieren: Warum nicht. Ich habe schon in Hochhaus-Resorts in der Haitang Bay Urlaub gemacht. Und es hat mir gefallen. Anders als an der Costa Brava, wo man kleine verschmutzte Strände, vierspurige Straße, Schienen, Hochhäuser, aber keinen Baum vorfindet, gibt es auf Hainan weite, saubere Strände, gesäumt von einem 700 Meter breiten dschungelartigen Grüngürtel mit Fußwegen.

Dann erst kommen die Hochhäuser, dann noch mal Grün und schließlich die Straßen. Das bedeutet, man hat aus diesen Hochhäusern von seinem Balkon einen traumhaften Blick ins Grüne und übers Meer. Natürlich ist es noch schöner, einsam in einem Häuschen direkt am Strand Urlaub zu machen, aber das ist bei 1,4 Milliarden Chinesen halt schwierig. So muss gestapelt werden, auch im Urlaub.

WELT: Das klingt sehr lakonisch. Dieser Grundton durchzieht Ihr ganzes Buch. Egal, welches Thema Sie dort streifen, meist kommen Sie zu dem Schluss: Es sind heute die Chinesen, die neue Standards setzen. Selbst Grand-Cru-Weine keltern sie inzwischen fast so gut wie die Franzosen.

Sieren: Zumindest einzelne Winzer schaffen das. Der 2018er Ao Yun Shuori Village Cru hat zum Beispiel 94 Parker-Punkte bekommen. Das ist beachtlich, doch viel überraschender finde ich, mit welcher Geschwindigkeit die Chinesen neue Fertigkeiten erlernen. So gelang ihnen der sagenhafte 2018er Ao Yun Shuori Village Cru nur sechs Jahre nachdem 2013 der erste Wein abgefüllt wurde.

Ningxia, die größte Weinregion Chinas, existiert überhaupt erst seit 1982. Heute gibt es dort 200 Weinberge und rund hundert Hersteller mit einer Jahresproduktion von 138 Millionen Flaschen. Zum Vergleich: Das Burgund produziert jährlich 90 Millionen Flaschen Rotwein.

China: Ein Angestellter überprüft die Weinqualität in einer Kellerei in Ningxia
Ein Angestellter überprüft die Weinqualität in einer Kellerei in Ningxia
Quelle: picture alliance/Xinhua News Agency/Zheng Wei

WELT: Vermarktet China solche Erfolge auch touristisch, sind etwa Weinverkostungen möglich?

Sieren: Klar sind Weinverkostungen möglich, die wollen ihre Erzeugnisse ja verkaufen. Touren nach Ningxia lassen sich leicht über eine örtliche Reiseagentur organisieren. Die Zeiten der Touristenlenkung, als der chinesische Staat festlegen konnte, wer wann und wohin fährt, sind längst vorbei. Inzwischen stehen Städte und Regionen in einem harten Wettbewerb um Reisende.

WELT: Gibt es noch No-Go-Gebiete in China?

Sieren: Mit No-Go-Gebieten meinen Sie sicherlich manche der von Uiguren bewohnten Regionen im äußersten Westen Chinas. Ja, die gibt es leider noch. Auch manche Teile Tibets sind für Ausländer nach wie vor schwer zugänglich. Doch der allergrößte Teil Chinas kann ohne jede Einschränkung bereist werden.

WELT: Sofern nicht das Coronavirus wieder dazwischenkommt – wie wird Peking Ihrer Meinung nach reagieren, sollten die Infektionszahlen im Winter in die Höhe schnellen?

Sieren: Dem Virus ist die Puste ausgegangen. Das weiß auch die Regierung in Peking und sie wird sicherlich, ebenso wie die Berliner Ampel, entspannt reagieren.

Frank Sieren hat schon in Hochhaus-Resorts Urlaub gemacht – und es hat ihm gefallen
Frank Sieren hat schon in Hochhaus-Resorts Urlaub gemacht – und es hat ihm gefallen
Quelle: Gregor Koppenburg

Frank Sieren, der seit fast 30 Jahren in Peking lebt, gilt als einer der führenden Chinakenner Deutschlands. Niemand hierzulande hat mehr Chinabücher geschrieben, niemand hat mehr Chinabestseller gelandet, kein westlicher Wirtschaftsjournalist lebt länger in China als Sieren. Und er gehört zum Gründungsteam von China.Table, dem einzigen täglichen China-Briefing Deutschlands.

Frank Sierens neues Buch „China to Go. 100 innovative Trends und erhellende Einblicke“ ist am 25. Oktober im Penguin Verlag erschienen, es hat 320 Seiten und kostet 24 Euro.

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