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Fernreisen Seto-Binnensee

Kunst mit Meerblick auf Japans Inseln

Die Eilande in Japans Seto-Binnensee lassen sich wunderbar per Katamaran erkunden. Beim Inselhopping erlebt man traditionelles ländliches Leben – und mittendrin: moderne Kunst von Weltrang sowie spektakuläre Museen.
Japan: Kürbis-Installation der Starkünstlerin Yayoi Kusama auf der Insel Naoshima Japan: Kürbis-Installation der Starkünstlerin Yayoi Kusama auf der Insel Naoshima
Kürbis-Installation der Starkünstlerin Yayoi Kusama auf der Insel Naoshima
Quelle: picture alliance / imageBROKER

Etwas Fantasie braucht man schon. Wenn dann noch der Winkel stimmt, in dem der Katamaran darauf zufährt, dann sieht es tatsächlich so aus, als wäre ein Pottwal zwischen den Inseln aufgetaucht: ein enorm großes, grün bemoostes Exemplar, reglos hinter einem Nebelschleier. Es wirkt so verwunschen, als hätte es sich aus einem Animationsfilm von Hayao Miyazaki in das japanische Seto-Binnenmeer verirrt.

Kujira-Jima, so heißt das skurril geformte Eiland, ist einer von unzähligen Inselflecken und Felsen in der Seto-Inlandsee, die von Osaka bis weit über Hiroshima zur Hafenstadt Shimonoseki reicht und die drei südlichen Hauptinseln Japans, Honshu, Shikoku und Kyushu, voneinander trennt.

Mit seinen rund 3000 kleineren Eilanden ist „Japans Mittelmeer“, wie es auch genannt wird, ein ideales Revier für Inselhopping. Besonders lohnenswert ist eine Tour der sogenannten Kunstinseln, darunter Inujima, Naoshima und Teshima.

Japan: Inseln im Seto-Binnenmeer
Quelle: Infografik WELT

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Verrückte Installationen zeitgenössischer Künstler stehen hier mitten in der Landschaft, gewagte Bauten von Star-Architekten beherbergen spannende Museen, die teils sogar mit Originalen von Claude Monet aufwarten. Kunst bewahrte diese Eilande vor ihrem Untergang: Als traditionelle Wirtschaftszweige dahinwelkten und immer mehr Bewohner fortzogen, verwandelte man die Inselwelt konsequent in einen riesigen Ausstellungsraum.

Erkunden kann man diesen auf eigene Faust mit Linienfähren, was allerdings recht umständlich ist. Komfortabler ist es auf einem geführten Insel-Törn per Katamaran.

Kunst lockt Touristen auf die Inseln

Eine der erstaunlichsten Kunstinseln ist Naoshima. Schon beim Anlegen im kleinen Hafen fallen spektakuläre Skulpturen ins Auge.

Geradezu surreal mutet der Riesenkürbis an, der direkt am Wasser in der Sonne leuchtet. Das ikonenhafte Gemüse der Künstlerin Yayoi Kusama wirkt wie eine Halluzination in dieser Inselwelt, wo die Menschen noch bis in die 90er-Jahre vor allem von der Fischerei lebten.

Japan: Unberührter Strand auf Naoshima, einer von rund 3000 Inseln im Seto-Binnenmeer
Unberührter Strand auf Naoshima, einer von rund 3000 Inseln im japanischen Seto-Binnenmeer
Quelle: Getty Images/Moment Open

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Doch die warf immer weniger ab, sagt Haruku Hosokawa, die als Fremdenführerin den Katamaran-Kunst-Törn begleitet. „Viele Einheimische verließen die Inseln. Die Kommunen wollten die Inseln wiederbeleben.“

Mit dem Verlagshaus Benesse fand sich ein Partner, der die kühne Idee verwirklichte, auf den Inseln eine Reihe hochkarätiger Museen für moderne und zeitgenössische Kunst zu bauen. Das brachte den schrumpfenden Gemeinschaften tatsächlich einen Umschwung – und Touristen aus dem In- und Ausland.

Bauten des Star-Architekten Tadao Ando auf Naoshima

Heute ist Naoshima für gleich mehrere ungewöhnliche Museen bekannt, die von dem japanischen Star-Architekten Tadao Ando entworfen wurden und allein für sich schon Kunstwerke sind. Das Chichu Art Museum etwa wurde in einen Hügel hineingebaut und liegt größtenteils unter der Erde, nutzt dabei aber ausschließlich natürliches Licht, um die ausgestellten Werke zu beleuchten.

Japan: Tadao Ando baute das Chichu Art Museum in einen Hügel hinein
Tadao Ando baute das Chichu Art Museum in einen Hügel hinein
Quelle: Gamma-Rapho via Getty Images

Das Lee-Ufan-Museum, das 2010 hinzukam, zeigt die riesigen Installationen des gleichnamigen südkoreanischen Künstlers, geschaffen aus Beton, Steinen und gigantischen Eisenteilen. Und im Benesse House kann man sogar übernachten: Es ist gleichzeitig Museum und Resort-Hotel. Busse verbinden es mit anderen Kunst-Hotspots auf der Insel.

Naoshima ist auch wichtiger Schauplatz der Setouchi Triennale, die seit 2010 alle drei Jahre auf rund einem Dutzend der Binnenmeer-Inseln stattfindet. Das Kunstfestival mit japanischen und internationalen Stars zog 2016 mehr als eine Million Besucher an, 2019 waren es exakt 1.178.484 Menschen.

Die nächste Triennale findet planmäßig 2022 statt, doch lohnt sich ein Besuch zu jeder Zeit. Neben den sehenswerten Museen und weiteren ständigen Kunst-Highlights bleiben nach jedem Festival etliche Werke dauerhaft stehen – die Kunstinseln sind also eine Ausstellung, die ständig wächst.

Aus einer Ruine wurde ein Museum

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Auch auf Inujima Island, das übersetzt „Hundeinsel“ heißt – nach einem Felsen, der an dieses Tier erinnert. Schon bei der Überfahrt sind aus der Ferne die alten Industrieschornsteine zu sehen, die aus dem Grün herausragen. Sie gehören zu einer ehemaligen Kupferraffinerie, die vor 100 Jahren eröffnet wurde.

Nur zehn Jahre später musste sie schließen – wegen taumelnder Kupferpreise. „Danach stand die Ruine leer, bis sie zum Seirensho-Kunstmuseum wurde“, sagt Hosokawa beim Rundgang. Heute leben keine 50 Menschen auf den 7,4 Quadratkilometern – und Kunst umgibt ihren Alltag.

Vor kleinen Gärten und traditionellen Holzhäusern stehen Installationen und Skulpturen. Kastenbrillen tragende Kunstintellektuelle aus der ganzen Welt stapfen begeistert durch die Landschaft, fotografieren die Ruinen, die Kunstwerke und die alten Insulaner, die wie Teil einer Inszenierung wirken, tatsächlich aber seit Jahrzehnten hier leben.

Stoisch gehen sie ihren Verrichtungen nach, graben Beete um, sitzen vor ihren Hütten und betrachten schweigend die aufdringlichen Besucher, die wie von einem anderen Stern wirken.

Bäuerliches Leben und moderne Kunst auf Teshima

Die Nachbarinsel Teshima hat immerhin 700 permanente Einwohner, ist deutlich größer und ziemlich hügelig. Am besten erkundet man das fruchtbare Eiland per E-Bike, kurvt vorbei an Olivenbäumen, Erdbeerfeldern, Mandarinenhainen.

Besonders malerisch sind die Reisterrassen in Ufernähe in der Karato-Gegend. Über die Jahre wurden einige von ihnen verlassen, weil es hier immer weniger Bauern gibt. Inzwischen kümmert sich allerdings eine Initiative darum, die Felder wiederzubeleben. Und so erlebt man auch hier eine seltsame Mischung aus traditionellem bäuerlichen Leben und neuer aufregender Kunst.

Höhepunkt ist der „Space“ des Teshima Art Museum. Der Name passt, das Gebäude-Objekt sieht aus wie ein Ufo aus Beton. Mit seiner makellosen Formschönheit prägt es die Landschaft und verschmilzt mit ihr, ein Ensemble aus Architektur, Kunstinstallation und natürlicher Umgebung am Meer.

Das Museum, geschaffen von dem Architekten Ryue Nishizawa aus Tokio, umhüllt ein einziges Werk: Matrix, ein Gesamtkunstwerk der japanischen Künstlerin Rei Naito, deren Arbeiten auch im MoMA in New York stehen.

Vereinzelte Wassertropfen rollen über den Boden, der Wind rauscht leise durch die wuchtige Stille. Die Besucher schleichen auf Socken umher, liegen auf dem Boden, flüstern andächtig – und genießen die meditative Erfahrung der Entschleunigung und Entgrenzung.

Wie die Menschen hier einst lebten

Auf der Insel Honjima hat sich hingegen die Beschaulichkeit des ländlichen Japans, weit weg von der Hochtourigkeit der neongrellen Millionenmetropolen, besonders gut erhalten. Highlight ist das Hafenörtchen Kasashima mit zahlreichen Gebäuden aus der Edo-Zeit (1600–1867): dunkelbraunes Holz, graue Ziegeldächer, ein paar Grüntupfer in den Gassen.

Die meisten sind Privathäuser, drei allerdings für Besucher geöffnet. Ihre Inneneinrichtung zeigt, wie die Menschen hier einst lebten – und es teils immer noch tun.

Der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt bei über 70 Jahren. Doch auch hier gibt es junge Kunst zu sehen: Installationen von vergangenen Triennalen blieben im Umfeld des Hafens Honjima Port für Besucher erhalten.

Mit dem Katamaran auf dem Seto-Binnenmeer

Auf dem Katamaran ist das Kunstinsel-Hopping angenehm entschleunigt. Mit bis zu sechs Knoten schnurrt das Boot von Stopp zu Stopp durch die meist spiegelglatte See. Dann bleibt Zeit, es sich in der Sitzecke an Deck gemütlich zu machen und die Aussicht auf sich wirken zu lassen.

Japan: Die Seto-See lässt sich ideal per Katamaran erkunden
Die Seto-See lässt sich ideal per Katamaran erkunden
Quelle: Sascha Rettig

Die Hauptinseln liegen wie ein schmaler Streifen in der Ferne. Hin und wieder schiebt sich ein Eiland ins Bild, manchmal auch eine verlassene, rostige Industrieanlage, ansonsten: Wasser und Weite. Die Monotonie, begleitet vom Rauschen der See, hat etwas Meditatives, eine willkommene Gelegenheit abzuschalten, bevor am nächsten Landesteg der nächste Höhepunkt wartet.

Übernachtet wird an Bord des Katamarans, der dafür manchmal am Abend zum Ausgangspunkt der Tour nach Uno Port zurückkehrt und dort bis zum nächsten Morgen im Hafen liegt – in Laufweite eines großzügigen Onsen, einer dieser typisch japanischen Wellnessanlagen mit minimalistischem Garten.

Dort hockt man sich, von Japanern neugierig beäugt, in die Heißwasserbecken oder in eines der Holzfässer. Die Wassertemperatur variiert für ungeübte Europäer zwischen heiß und verdammt heiß – eine Feuertaufe für die hohe Kunst fernöstlicher Entspannung.

Ein für Japan typisches Stillleben

Die letzte Nacht der Katamaran-Kunstinsel-Tour schläft man allerdings nicht in der Kabine, sondern an Land – auf Kujira-Jima, der Insel in Wal-Form. Dabei hat man das unbewohnte Eiland für sich allein, übernachtet wird in einem Zelt.

In 30 Minuten hat man die kleine Insel umrundet, kann bei gutem Wetter baden oder sich im Stand-up-Paddeln versuchen. Ansonsten steht Entspannen auf dem Programm, denn besondere Kunstinstallationen gibt es hier nicht zu besichtigen.

Oder vielleicht doch? Wie es sich gehört für Japan, ist das Holz für das Lagerfeuer am Abend penibel gradlinig gestapelt, kein Scheit tanzt aus der Reihe. Und natürlich stehen, perfekt parallel ausgerichtet, Hausschuhe vor dem Nachtquartier – ein Stillleben, das man als Europäer in dieser Kunstinselwelt durchaus als Kunst empfinden kann.

Tipps und Informationen

Anreise: Man fliegt, sobald es wieder geht, bis Osaka, von dort weiter mit dem Zug bis Okayama, wo ab Uno Port die Linienfähren sowie die geführte Katamaran-Tour zu den Kunstinseln starten.

Touren auf dem Wasser: Geführte Segeltouren mit dem Katamaran bietet Seto Yacht Charter an, der kürzeste Törn „Inseln und moderne Kunst“ dauert 2 Nächte/3 Tage (seto-yacht-charter.jp). Deutlich größer mit 19 Zimmern ist die „Guntû“, ein schwimmendes Luxushotel, das ebenfalls auf der Seto-Inlandsee unterwegs ist, unterschiedliche Touren, 2 Nächte/3 Tagen (guntu.jp). Wer die Seto-See auf eigene Faust mit Linienfähren erkunden will, findet Infos und Buchungsmöglichkeiten auf Englisch unter japan-guide.com

Unterkunft: Anstatt oder zusätzlich zu einer Schiffstour mit Übernachtung an Bord kann man auf den Kunstinseln auch an Land nächtigen, beispielsweise im „Benesse House“ auf Naoshima, einem Mix aus Museum und Hotel (benesse-artsite.jp). Auf Teshima gibt es verschiedene traditionelle, eher einfache Pensionen, etwa das „Teshima Eco House“ (unter teshima-navi.jp findet sich diese neben weiteren Unterkünften).

Weitere Infos: Auskünfte über Naoshima und die anderen Kunstinseln findet man zum Beispiel unter benesse-artsite.jp/en. Hintergründe zu den Kunstwerken, die von vergangenen Triennalen stehen geblieben sind, sowie Infos zum nächsten Kunstfestival unter setouchi-artfest.jp/en.

Allgemeine Japan-Informationen: Japanische Fremdenverkehrszentrale, jnto.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von JNTO und Seto Yacht Charter. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.de/unabhaengigkeit.

Dieser Text ist aus WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

WELT AM SONNTAG vom 3. Mai 2020
Quelle: WELT AM SONNTAG

Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2020 online veröffentlicht.

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