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Tröglitz

„Ich wurde als Bürgermeister geopfert“

Von Dörthe Hein
Veröffentlicht am 09.03.2015Lesedauer: 3 Minuten
Markus Nierth, der zurückgetretene ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt)
Markus Nierth, der zurückgetretene ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt)Quelle: dpa

Markus Nierth, ehrenamtlicher Ortsbürgermeister im Süden Sachsen-Anhalts, hat sein Amt niedergelegt. Der Grund: fehlender Schutz vor einer geplanten Demo Rechtsextremer - direkt vor Nierths Haustür.

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Der nach einer Protestankündigung von Rechten zurückgetretene ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz im Burgenlandkreis sieht seinen Ort selbst nicht als radikales Nest. Die NPD fahre Unterstützer zu Demos gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in den Ort, Tröglitzer seien kaum darunter, sagte der ehemalige Amtsinhaber Markus Nierth (46).

Sie sind seit fünfeinhalb Jahren Ortsbürgermeister in Tröglitz. Wann sind sie das erste Mal mit der NPD aneinandergeraten?

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Nierth: Ich will betonen, dass ich nicht aus Angst und Druck vor Rechtsradikalen zurückgetreten bin. Mir fehlte der gesellschaftliche Mindestschutz. Darüber bin ich enttäuscht. Der Landkreis hat es nicht geschafft, die Demonstration vor dem Haus meiner Familie zu verhindern. Seit mehreren Wochen wird in Tröglitz ähnlich wie bei Pegida in Dresden demonstriert. Am Anfang waren unter den 90 Demonstranten noch etwa 60 Tröglitzer, besorgte Bürger. Inzwischen fährt die NPD viele Unterstützer heran, unter den Demonstranten sind nur noch wenige Tröglitzer. Meine Frau und ich wurden zur persönlichen Zielscheibe.

Tröglitz ist also kein braunes Nest?

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Nierth: Nein, wir sind kein radikales Nest. Aber es fehlen die Sozialstrukturen. Dass im Ort 40 Asylbewerber untergebracht werden sollen, hätte anders vorbereitet werden müssen. So wurde die Politikverdrossenheit noch verstärkt.

Gibt es für Sie einen Weg zurück ins Amt?

Nierth: Ich liebe mein Tröglitz. Aber es fehlt der Rückhalt aus der anständigen Menge. Bislang fühle ich mich als alleinrotierender Motor, an dessen Seite eine Handvoll Leute sind, die mitziehen. Die Menschen müssten aufstehen und aktiver werden. Von den politischen Parteien fühle ich mich alleingelassen. Außerdem bräuchte ich die Rechtssicherheit, dass mein privates Wohnhaus geschützt wird. Ich wäre nicht zurückgetreten, wenn ich die Rechtssicherheit gehabt hätte. Ich als kleiner Ortsbürgermeister bin geopfert worden.

Einen Nachfolger zu finden, der Ihnen im Amt des Ortsbürgermeisters folgt, dürfte nicht leicht sein, oder?

Nierth: Ich denke, es wird schwierig.

Der Theologe ist verheiratet und hat sieben Kinder

Markus Nierth (46) ist Theologe. Seit fünfeinhalb Jahren ist er ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von Tröglitz. Die Ortschaft gehört zur Gemeinde Elsteraue im Burgenlandkreis im Dreiländereck Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen. Nierth ist verheiratet und hat in seiner Patchwork-Familie sieben Kinder. Seine Frau betreibt eine Tanzschule im Ort, Nierth selbst arbeitet als freiberuflicher Trauerredner.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, vom Fall des ehrenamtlichen Tröglitzer Ortsbürgermeisters Markus Nierth gehe ein fatales Signal aus – so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Bis spätestens kommende Woche wolle er deshalb einen Erlass herausgeben, damit die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte Demonstrationen vor den Häusern ehrenamtlicher Politiker verbieten.

Bislang gibt es laut Stahlknecht allein zu hauptamtlichen Politikern Rechtsprechungen. Diese müssten Demonstrationen in Sicht- und Hörweite zu ihrem Wohnhaus ertragen. Inwieweit das aber auch für Ehrenamtliche gelte, die keine Letztentscheider seien, müssten Gerichte erst noch prüfen.

dpa/ott