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Benny Adrion

„Trinkt mehr Leitungswasser“

Von Frihtjof Bublitz
Veröffentlicht am 23.10.2019Lesedauer: 6 Minuten
Ein Trainingslager des FC St. Pauli in Kuba war der Auslöser für Benjamin Adrion und seine Mitstreiter, Viva con Agua zu gründen
Ein Trainingslager des FC St. Pauli in Kuba war der Auslöser für Benjamin Adrion und seine Mitstreiter, Viva con Agua zu gründenQuelle: Viva con Agua

Vor 15 Jahren gründete der ehemalige St. Pauli-Spieler Benjamin Adrion Viva con Agua. Der Verein setzt sich mit zahlreichen Projekten für sauberes Trinkwasser ein. Die Arbeit hat Adrion verändert – bis hin zu seiner Ernährung.

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Aus der gemeinnützigen Organisation Viva con Agua ist ein Erfolgsprojekt geworden, das vielen Menschen in Afrika und Asien hilft, die keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser haben. 2005 startete der ehemalige Fußballprofi Benjamin Adrion nach einem Trainingslager seines damaligen Vereins FC St. Pauli auf Kuba mit drei Bekannten und der Welthungerhilfe das Projekt unter dem Motto „Wasser für alle, alle für Wasser“.

WELT AM SONNTAG: Viva con Agua existiert jetzt seit fast 15 Jahren. Nun wollen Sie international noch stärker expandieren.

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Benjamin Adrion: Für mich persönlich kommt jetzt etwas Neues, von Februar bis mindestens Mai werde ich in Kapstadt sein. Viva con Agua hatte in Afrika nur ein Büro in Uganda, jetzt wollen wir auch in Kapstadt aktiv werden. Da werde ich zum ersten Mal seit 15 Jahren einen längeren Zeitraum außerhalb von Hamburg verbringen. Dort will ich für Viva con Agua eigene Projekte voranbringen. Wir arbeiten viel mit Partnern zusammen und werden das auch weiter tun, aber Viva con Agua will selbst dafür sorgen, dass Wasserprojekte umgesetzt werden. Zum ersten Mal werde ich da die Perspektive wechseln. Ich bin dann auf der Seite, die die Spenden bekommt und umsetzt – und nicht derjenige, der sammelt und weiterleitet. Dazu kommt noch, dass ich zum ersten Mal die afrikanische Perspektive genauer und über einen längeren Zeitraum sehe. Das wird spannend. Für mich eine Art Neustart, auf den ich große Lust habe.

WELT AM SONNTAG: Sie sind besonders für Ihre Brunnenprojekte bekannt geworden. Was war das größte Projekt dieser Art?

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Adrion: Wassertechnisch ist das immer noch das Bohrgerät, mit dem wir in Äthiopien Brunnen bauen. Wir hatten einen sehr wohlhabenden Spender, ein Hamburger Kaufmann, der vor einigen Jahren verstorben ist und in seinem letzten Willen erklärt hat, dass er Brunnen bohren wollte. In diesem Zuge hat er uns eine sehr große Spende zukommen lassen. Der Bohrer ist nach ihm benannt und heißt John’s Rig. Der sitzt auf einem bunten Lkw, ganz im Viva-con-Agua-Stil, fährt durch das Land, um für die Menschen nach Wasser zu suchen. Die Spende von John war die mit Abstand größte, die wir bekommen haben.

WELT AM SONNTAG: Fällt es Ihnen heute leichter als früher, Spender zu finden?

Adrion: Mittlerweile ist es so, dass die Bandbreite an Spendern oder das Geld auf verschiedensten Wegen zu uns kommt. Es gibt den normalen Spender, es gibt Leute, die über das Internet Geld spenden. Dazu gibt es die Fördermitgliedschaft, den Verkauf unseres Wassers und die Pfandbecher-Sammelaktion beim FC St. Pauli. Dazu Aktionen von ehrenamtlichen Helfern und Unternehmenspartnerschaften. Es sind viele Varianten. Dadurch sind wir auch nicht mehr so abhängig von einem oder mehreren Großspendern.

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WELT AM SONNTAG: Wie viel Geld wird Viva con Agua 2019 einsammeln?

Adrion: Mit dem deutschen Verein, der Viva con Agua Stiftung, dem Umsatz der Wasser GmbH – die kümmert sich um den Vertrieb des Mineralwassers – und dem Schweizer Verein werden wir bei etwa acht Millionen Euro Umsatz liegen. Über die Hälfte davon erzielt der deutsche Verein durch Spenden.

WELT AM SONNTAG: Wofür setzen Sie das Geld ein?

Adrion: Der Verein leitet jährlich circa zwei Millionen Euro weiter in die Projekte – nicht nur in Wasserprojekte ins Ausland, sondern auch ins Inland. Da geht es um die Netzwerke und die Akquirierung von jungen Menschen, die sich engagieren wollen und um Bildungsarbeit. Das ist auch ein Teil unserer Arbeit und immens wichtig, dass man erklärt, dass diese Projekte auch dazugehören. Es gibt die Brunnen im Ausland, aber wir wollen auch hier etwas verändern und einen gesellschaftlichen Impuls geben. Viele denken, dass wir eine Hilfsorganisation sind. Aber wir wollen mehr sein: ein Netzwerk, eine Bewegung. Der Impuls in Äthiopien ist für uns genauso wichtig wie der hierzulande.

WELT AM SONNTAG: In Sachen Klimaschutz engagieren sich viele Menschen bei Fridays for Future. Wie blicken Sie auf die Bewegung?

Adrion: Ich war auf der großen Kundgebung auf dem Gänsemarkt und habe eine Rede gehalten. Da war mir wichtig, noch einmal klarzustellen, dass Viva con Agua für das Wasser steht. Es geht uns um sauberes Trinkwasser. Das ist unser Kernthema. Ganz logisch ist aber auch, dass wir uns der Debatte nicht verschließen können, denn die größte Gefahr für das Trinkwasser ist der Klimawandel. Es gibt mittlerweile immer weniger Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Die Situation hat sich laut UN verbessert. Aber der Klimawandel kann das wieder zerstören.

WELT AM SONNTAG: Sie sind ehemaliger Spieler beim FC St. Pauli. Welche Rolle spielt Ihr ehemaliger Verein heute noch?

Adrion: Immer noch eine große Rolle. Zum einen geht die Gründungsgeschichte auf den Verein zurück. Es ging ja los, nachdem wir zum Trainingslager auf Kuba waren. Da habe ich mir Gedanken gemacht: die Fans, die Unternehmen, die Prominenten, die Medien – da steckt ein so großes Potenzial dahinter. Ich habe mich gefragt: Welchen gesellschaftlichen Impuls kann man mit diesem Verein setzen? Wie kann man dieses Potenzial, diese Power, diese Kraft von St. Pauli nutzen, um etwas Gutes in die Welt zu setzen?

WELT AM SONNTAG: Wie ging es dann weiter?

Adrion: Es war zuerst ein offenes Netzwerk. Jeder konnte sich einbringen, jeder sollte sich einbringen. „Macht mit“ war die Devise. Und dann waren es die Fans, die das befüllt haben. Im ersten Jahr haben dann die Fans ganz viele Aktionen gestartet, aus denen heraus gespendet wurde. Ohne diesen Verein, ohne die speziellen Menschen in diesem Klub wäre das so nicht möglich gewesen. Und nach wie vor ist die Verbindung gut: zum einen die Millerntor-Gallery, zum anderen auch die Pfandbecher-Sammelaktion. In zehn Jahren haben wir dadurch 450.000 Euro eingenommen. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Vereinspräsident Oke Göttlich war vor 15 Jahren mit uns in Kuba als „taz“-Redakteur, bei der ersten Viva-con-Agua-Reise. Dadurch ist die Beziehung natürlich sehr eng.

WELT AM SONNTAG: Sie engagieren sich klimapolitisch. Wie haben Sie Ihr persönliches Verhalten geändert?

Adrion: Ich habe meine Ernährung umgestellt und zum ersten Mal gefastet. Klar ist, dass die Umstellung der Ernährung das meiste Wasser sparen kann und nicht den Wasserhahn auszudrehen. Es bringt schon etwas, auf den Kaffee aus Äthiopien zu verzichten. Es verbraucht Unmengen an Wasser, dort Kaffee anzubauen. Und wenn wir ihn hier trinken, trinken wir eigentlich das knappe Wasser aus Äthiopien. Man sollte sich klar werden, was steckt in dem Produkt, das ich konsumiere, welche Kleidung trage ich, wo ist die hergestellt, welches Fleisch esse ich, wo kommt es her und müssen es Avocados aus Südamerika sein? Da haben wir einen großen Hebel, da wollen wir ansetzen.

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WELT AM SONNTAG: Was raten Sie jedem Einzelnen?

Adrion: Auch wenn wir Wasser verkaufen, sage ich: Trinkt mehr Leitungswasser! Das Hamburger Leitungswasser ist super, das beste.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: WamS