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Deutschland „Energy Port“ in Bremerhaven

„Energiewende ist eine zeitkritische Sache“ – Bremens Traum vom Windkraft-Hafen

Der „Blexer Bogen“ bei Bremerhaven: Hier soll der „Energy-Port“ entstehen Der „Blexer Bogen“ bei Bremerhaven: Hier soll der „Energy-Port“ entstehen
Der „Blexer Bogen“ bei Bremerhaven: Hier soll der „Energy-Port“ entstehen
Quelle: olfhard Scheer
Der Bremer Senat will ein Energiewende-Terminal bauen. In dem neuen Hafen sollen gigantische Anlagen für Offshore-Windkraftanlagen produziert werden. Doch ausgerechnet die sonst auf Klimaschutz fokussierte Ampel-Bundesregierung bremst bei dem Riesenprojekt.

Jörg Peters marschiert über den grünen Weserdeich. Bleibt stehen, erklärt, was zu sehen ist. Am Horizont die Silhouette Bremerhavens mit dem markanten Sail-City-Gebäude, das aussehen soll wie ein vom Wind geblähtes Spinnaker-Segel. Das Klimahaus, ein paar Bausünden aus den 70er-Jahren, wuchtige Container-Kräne. Die Weser, die hier in weitem Bogen Richtung Nordsee fließt.

Gegenüber, am niedersächsischen Ufer, glänzt die Kaje des Windkraftanlagen-Bauers Steelwind in der Sonne. Auf der Bremerhavener Seite hingegen steht außer einem gelben Bagger, der gerade den Deich verstärken soll: nichts. „Ein bisschen bitter ist das schon“, sagt Peters. Wenn es nach ihm ginge, dann sähe es hier bald anders aus.

Der 56-jährige Chef der Planungsabteilung im Bremer Rathaus will, genau am „Blexer Bogen“ der Weser, ein großes Hafen-Terminal bauen lassen. Einen „Energy-Port“ mit einer hunderte Meter langen Kaikante. Dazu eine Rampe über den Deich samt angrenzender Straße, die das neue Terminal mit dem angrenzenden Gewerbegebiet verbinden soll.

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Quelle: Infografik WELT

90 Hektar, die früher Teil eines 2016 stillgelegten Regionalflughafens waren und auf denen, so die Hoffnung des rot-grün-roten Senats der Hansestadt, künftig möglichst viele Einzelteile jener gigantischen Windkraftanlagen produziert werden sollen, die in den kommenden Jahren noch zu Tausenden in den Offshore-Windparks auf dem Grund der Nordsee verankert werden sollen.

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Es geht um Windräder mit einer Leistung von 15 bis 20 Megawatt, deren Fundamente, Pylone, Gondeln, Getriebe und Rotoren so groß sind, dass sie nur noch mit enormem Aufwand über die Straßen zu den Häfen transportiert werden könnten, und die deshalb möglichst unmittelbar am Wasser produziert werden sollen. Viele geeignete Standorte gibt es dafür nicht in Deutschland. Der Bundesverband Offshore-Windkraft (BWO) nennt Cuxhaven, wo das bereits bestehende Offshore-Industrie-Zentrum demnächst noch ausgebaut werden soll, Wilhelmshaven, dessen Tiefwasserhafen beste Bedingungen böte, und eben Bremerhaven.

Der Ausbau dieser Häfen für die Offshore-Industrie sei Voraussetzung dafür, dass Deutschland überhaupt an der Wertschöpfung teilhaben könne, die mit dem Ausbau der Windenergie auf See einhergeht, sagt BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm. Und betont: „Wir sehen im Energy-Port Bremerhaven großes Potenzial für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland.“

Widerstände in der Ampel-Regierung

Ein Satz, der an der Weser ziemlich gut ankommt. Das Land Bremen kämpft gerade an mehreren Fronten für den Bau seines Energiehafens. Mit der Ampel-Koalition, die Bremen aus Sicht von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gerade hängen lässt. Mit der CDU-Opposition in der Hansestadt, die dem Senat mangelndes Engagements für den Offshore-Hafen vorwirft. Mit den Bremer Umweltschützern, die diese Pläne ohnehin mit Argusaugen betrachten. Die Bremerhavener Seite des Blexer Bogens ist Teil eines Naturschutzgebietes. Ein Umstand, der Jörg Peters’ Hafen-Pläne schon einmal zunichtegemacht hat.

Plant seit 2009 ein Offshore-Terminal: Jörg Peters
Plant seit 2009 ein Offshore-Terminal: Jörg Peters
Quelle: el Löwa

Die ersten Entwürfe für ein solches, hunderte Millionen Euro teures Infrastrukturprojekt an der Weser hatte Jörg Peters zusammen mit dem Bremerhavener Wirtschaftsförderer Nils Schnorrenberger bereits im Jahr 2009 geschmiedet. Mit einem Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) wollte das Land Bremen Strukturschwäche, Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit in seinen beiden Städten angehen. Die zögerliche Haltung der damaligen Bundesregierung zum Thema Windkraft auf See und die damit verbundene zwischenzeitliche Krise der Branche, die auch den Standort Bremerhaven weit zurückwarf, durchkreuzten das Vorhaben. Zurückblieben im Weserbogen nur die Anlagen-Prüfstände des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme.

Rotorblätter für die Energiewende: Teststand des Fraunhofer-Instituts
Rotorblätter für die Energiewende: Teststand des Fraunhofer-Instituts
Quelle: Michael Löwa

Bremens Offshore-Hafen-Pläne scheiterten hingegen 2019 krachend an einem Urteil der Bremer Verwaltungsrichter. Sie gaben einer Klage des Naturschutzbunds BUND gegen das OTB statt. Zwei Jahre später, im November 2021, verwarf auch das Oberverwaltungsgericht den Bau. Zur Begründung verwiesen die Richter unter anderem auf einen fehlenden Bedarf für einen Offshore-Hafen. Bremens Traum von einem neuen Hafen-Zeitalter an der Weser war in diesem Moment mausetot. Dann änderten sich die Zeiten.

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Russland überfiel im Februar 2022 die Ukraine. Und die Ampel-Regierung in Berlin verzehnfachte die Ausbau-Ziele für die Windkraft auf See. Bis zum Jahr 2030 soll die Offshore-Branche nun mindestens 30 Gigawatt Leistung in Nord- und Ostsee installieren, bis 2045 sollen es 70 Gigawatt sein. Stand derzeit: 8,8 Gigawatt.

Eine Herausforderung, die aus Sicht des Bremer Senats, der für den Ausbau der Häfen in Cuxhaven und Wilhelmshaven zuständigen Regierung von Niedersachsen und der Windkraft-Lobby definitiv nur mit zusätzlichen Hafen-Kapazitäten für Produktion, Installation und Wartung der Offshore-Windräder zu bewältigen ist.

„Auf der Landkarte von Investoren auftauchen“

Mitten im Bürgerschaftswahlkampf des Jahres 2023 nahm Senatschef Bovenschulte denn einen zweiten Anlauf. Er präsentierte eine neue Potenzialstudie für einen Offshore-Hafen in Bremerhaven. Aus dem gescheiterten OTB wurde in dem Gutachten der Energy-Port. Ein neues Label für ein altes Projekt, für Bremens Hoffnung, doch noch von den Herausforderungen der Energiewende zu profitieren.

Bovenschultes Studie, erstellt vom Hamburger Beratungsunternehmen Hanseatic Transport Consultancy (HTC), stellte fest, dass es nach den Windkraft-Beschlüssen der Bundesregierung nun doch erheblichen Bedarf an weiteren Basishäfen für die Offshore-Industrie an der Nordsee gebe. Und das, obwohl die Konkurrenz – Cuxhaven, das niederländische Eemshaven und das dänische Esbjerg – Bremerhaven mittlerweile weit vorausgeeilt ist. „Die bestehenden Kapazitäten reichen nicht aus“, urteilte HTC-Chef Jan Ninnemann und empfahl Bremen den Ausbau „je eher, desto besser“. Es sei wichtig, „sich frühzeitig zu positionieren, auf der Landkarte potenzieller Investoren aufzutauchen“.

Nachvollziehbar, dass der Bremer Senat seitdem in Sachen Energy-Port aufs Tempo drückt. In diesem Sommer soll eine neue „Bedarfsbegründung“ für den Bau des Windkraft-Terminals vorgelegt werden. Mithilfe des Bundesrates möchte der Senatschef zudem dafür sorgen, dass die Bundesregierung neben den Windkraftanlagen auf See auch die für deren Bau nötige Hafeninfrastruktur zur Angelegenheit von „überragendem öffentlichen Interesse“ erklärt.

„Die Energiewende“, so begründet Bovenschulte den Vorstoß, „ist eine zeitkritische Sache, bei der wir im Grunde keinen einzigen verlieren dürfen.“ Wenn es dem Bund ernst sei damit, „dann brauchen wir den Energy-Port in Bremerhaven“.

Ein Appell, der bei der Ampel-Koalition allerdings noch nicht so ganz angekommen ist. Sie wies Bovenschultes Bundesrats-Vorstoß Anfang des Monats erst einmal zurück. „Das Instrument des überragenden öffentlichen Interesses kann nicht überall Anwendung finden“, so eine Sprecherin des grün geführten Wirtschaftsministeriums zu. Sie verwies auf die Studie „Energiehäfen der Zukunft“, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben habe. Ergebnisse würden voraussichtlich im Mai 2025 vorliegen.

Auf dem Weserdeich muss der Bremer Planungschef Jörg Peters über die Frage, ob er die Eröffnung eines Offshore-Terminals in seinem Berufsleben wohl noch erleben werde, einen Moment nachdenken. Dann sagt er: „Schön wäre das.“

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