Mithilfe eines milliardenschweres Partnerschaftsabkommens mit Ägypten will die EU die illegale Migration nach Europa eindämmen. Der Vertrag, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) am Sonntag in Kairo unterzeichnete, ist in Deutschland allerdings umstritten. Während SPD, Union und FDP das Vorgehen der EU zumindest begrüßten, übten Grüne und AfD erhebliche Kritik. Das Abkommen mit dem bevölkerungsreichsten arabischen Land sieht unter anderem Wirtschafts- und Investitionshilfen in Höhe von 7,4 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren vor.
Im Gegenzug erwartet die EU unter anderem mehr Anstrengungen der ägyptischen Regierung zur Reduzierung der Migration über das Mittelmeer nach Europa. Dabei hat die EU-Kommission vor allem eine bessere Sicherung der Grenzen zum Sudan und zu Libyen im Blick. Vorbild des Abkommens mit Ägypten ist ein ähnlicher Deal, den die EU im vergangenen Jahr mit Tunesien vereinbart hatte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Deal am Sonntag. Strategische Partnerschaften mit Drittstaaten seien ein wichtiger Baustein im Kampf gegen irreguläre Migration. „Deshalb ist die Verständigung der EU mit Ägypten in dieser Frage eine gute Nachricht“, sagte Scholz.
Geht die Rechnung der EU tatsächlich auf, würde der Vertragsabschluss auch den Migrationsdruck auf Deutschland lindern. Dennoch reagierten die Parteien hierzulande verhalten bis kritisch auf die Nachrichten aus Kairo. So lobte der stellvertretende Fraktionschef der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, zwar die Vereinbarung mit den Ägyptern, monierte aber zugleich das aus seiner Sicht bisher mangelnde Engagement der EU-Kommission beim Thema Migration. „Es ist es zu begrüßen, dass Ursula von der Leyen zum Ende ihrer Amtszeit hier endlich mal aktiv wird. Bisher lag hier bedauerlicherweise kein Schwerpunkt ihrer Amtszeit“, sagte Wiese WELT.
Auch die FDP äußerte sich vorsichtig positiv. Fraktionsvize Konstantin Kuhle: „Migrationsabkommen mit Staaten wie Ägypten liegen grundsätzlich im europäischen Interesse. Wenn dabei die Menschenrechte geachtet werden, können derartige Abkommen zu mehr Steuerung und Ordnung der Migration beitragen.“
Scharfe Kritik an dem Vertrag mit Ägypten kam dagegen aus den Reihen der Grünen. Deren Migrationsexperte im EU-Parlament, Erik Marquardt bezeichnete das Abkommen als „moralisch verwerflich und inhaltlich naiv“. Die schwierige Menschenrechtslage habe bei den Verhandlungen über die Zusammenarbeit „offenkundig gar keine Rolle“ gespielt. Marquardt warnte zudem davor, dass die Zahl der Menschen, die von Ägypten aus über das Mittelmeer nach Europa kommen wollten, aus Angst vor einer künftig härteren Gangart im Umgang mit Migranten zunächst sogar ansteigen könnte. Ähnlich äußerte sich die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Deren Europa-Experte Karl Kopp sagte der Funke-Mediengruppe: „Die Politik der EU-Deals mit Diktatoren ist schäbig, borniert und korrupt.“
Prekäre Menschenrechtslage in Ägypten
Ägyptens Regierung mit dem ehemaligen General Abdel Fattah al-Sisi an der Spitze steht wegen der Menschenrechtslage in dem nordafrikanischen Land immer wieder in der Kritik. Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit ist stark eingeschränkt, Demonstrationen sind faktisch verboten. Kritiker werden Menschenrechtlern zufolge häufig mit drastischen Methoden verfolgt und müssen willkürliche Festnahmen und Schlimmeres fürchten. Zehntausende sollen aus politischen Gründen inhaftiert sein. Der frühere General Al-Sisi gilt als autoritärer Herrscher. Er war 2013 in einem Militärputsch an die Macht gekommen. Der Staatschef und wurde im Dezember mit großer Mehrheit wiedergewählt.
Die AfD-Bundestagsfraktion kritisierte das Abkommen zwischen der EU und Ägypten am Sonntag aus anderen Gründen. Für sie ist die Vertragsunterzeichnung, zu der neben von der Leyen auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der österreichische Kanzler Karl Nehammer nach Kairo gereist waren, Ausweis einer verfehlten Migrationspolitik der EU.
„Das geplante EU-Abkommen mit Ägypten ist wieder einmal von dem Geiste getragen: Lieber Milliarden zahlen, als sich selbst in der eigenen Haltung zur notwendigen Abwehr illegaler Migration ehrlich machen“, so der innenpolitische Sprecher Gottfried Curio. „Um zu vermeiden, einmal auch selbst illegale Migration an den Grenzen aufzuhalten, plündert man lieber das Steueraufkommen und damit den Wohlstand der Bürger.“
Unterstützung für das Vorgehen der EU kam dagegen von der Unionsfraktion im Bundestag. Deren innenpolitischer Sprecher, Alexander Throm (CDU), sagte WELT: „Europa braucht wirksame Vereinbarungen mit den bisherigen Transitstaaten auf den Fluchtrouten. Denn es gibt ein Recht auf Schutz, aber kein Recht, sich das Land des Schutzes auszusuchen.“