Die Ankündigung für die nächste Reise des „Team Europa“ kam aus Brüssel: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werde am Sonntag gemeinsam mit den Regierungschefs von Belgien, Italien und Griechenland nach Kairo reisen, um den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zu treffen. Das gemischte Außenpolitik-Team aus EU-Kommission und Vertretern einzelner Mitgliedstaaten soll die Partnerschaft zwischen der EU und Ägypten stärken, wie es schwammig in einer Erklärung hieß.
Doch allen ist klar, worum es tatsächlich geht – die EU will einen neuen Migrations-Deal schließen. Nach Abkommen mit Tunesien und Mauretanien soll nun offenbar Ägypten das Problem der unregulierten Migration in die EU lösen. Dass von der Leyen diese Reisen griffig als Mission des Teams Europa bezeichnet, ist kein Zufall. Denn sie befindet sich mitten im Wahlkampf zur EU-Parlamentswahl und will mit der Assoziation, eine Gruppe Superhelden sei unterwegs, die Nachricht an die Bürger senden, dass die Staatenunion beim Thema Migration proaktiv ist.
Im Wahlkampf geht es für von der Leyen dabei um zweierlei. Zum einen will sie als EU-Kommissionspräsidentin im Amt bestätigt werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, da die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), die sie zur Spitzenkandidatin gemacht hat, erneut die meisten Stimmen holen dürfte.
Gleichzeitig geht es aber auch darum, das Thema unregulierte Migration zu entschärfen, mit dem die Parteien am rechten Rand Wahlkampf machen. Darauf zielte auch schon die Einigung bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), auf die sich die EU-Länder unter von der Leyens Führung verständigten.
Weil es aber noch Monate dauern wird, bis die Umsetzung vollzogen ist und den Bürgern Ergebnisse präsentiert werden können, beschreitet von der Leyen mit den Migrations-Deals einen weiteren Weg, um die EU handlungsfähig wirken zu lassen.
Meloni steht innenpolitisch unter Druck
Den Anfang machte im Juli das Abkommen mit Tunesien. Damals reiste von der Leyen mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem niederländischen Premier Mark Rutte nach Tunis, um mit Präsident Kais Saied einen Deal zu unterzeichnen. Der sah wirtschaftliche Hilfe vor, im Gegenzug sollte Tunesien die Migranten davon abhalten, von seinen Küsten Richtung EU in See zu stechen.
Tunesien hatte sich zuvor zum Hauptabfahrtsland für die irreguläre Migration über das Mittelmeer entwickelt. Von dem Deal profitierten auch Meloni und Rutte, die beide innenpolitisch beim Thema Migration unter Druck standen. Die Kritik an dem Abkommen war damals jedoch laut, weil es Berichte über rassistische Angriffe auf Migranten und Menschenrechtsverstöße in Tunesien gab.
Auch die Resultate des Abkommens waren durchwachsen, weil es anschließend zu diplomatischen Verwerfungen zwischen der EU und Tunesien kam, und es Monate dauerte, bis die Zahlen der abfahrenden Migranten tatsächlich zu sinken begannen. Trotzdem galt der Tunesien-Deal für die EU-Kommission fortan als Modell, das es in anderen Ländern zu wiederholen gelte.
Der nächste Stopp des Teams Europa war im Februar Mauretanien. Dorthin reiste von der Leyen gemeinsam mit dem spanischen Premier Pedro Sánchez. Ihr Ziel: die zuletzt stark gestiegenen Zahlen der irregulären Migration aus dem Land in Richtung Spanien einzudämmen. Im Gegenzug boten von der Leyen und Sánchez dem mauretanischen Präsidenten 210 Millionen Euro an. Er akzeptierte.
Kairo hat eine bessere Verhandlungsposition
An dem Schema Geld für Migrationskontrolle dürften sich nun auch die Verhandlungen in Kairo orientieren. Es gibt allerdings große Unterschiede zu den vorherigen Missionen. Denn einerseits ist Ägypten kein typisches Land, aus dem sich Migranten in Richtung EU auf den Weg machen. Vielmehr reisen sie laut Luca Barana, Migrationsforscher am italienischen Institut für auswärtige Politik, von Ägypten nach Libyen weiter, um dort in Boote zu steigen.
Außerdem erinnert Barana daran, dass Ägypten in der Region eine deutlich wichtigere politische Rolle spielt als etwa Tunesien und dadurch gegenüber der EU eine stärkere Verhandlungsposition hat. Durch den Gaza-Krieg sei die Relevanz des Landes weiter gewachsen.
Barana bezweifelt daher, dass die Pläne der EU-Vertreter, Ägypten werde ihnen einen Teil des Migrationsproblems abnehmen, langfristig realistisch sind. Denn er glaube nicht, dass Ägypten auf Bitten der EU seine Landgrenzen zu anderen nordafrikanischen Staaten besser kontrollieren werde, schon Tunesien habe das nicht getan.
Auch die angepeilte Bekämpfung der Schmuggler-Netzwerke löse nur einen Teil des Problems, weil Migranten immer einen Weg finden würden, in Richtung EU aufzubrechen. Unklar ist zudem, ob das Abkommen schon am Sonntag unterzeichnet wird oder ob das Team Europa erst einmal nur für Verhandlungen nach Kairo reist.