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  4. Vorratsdatenspeicherung: Neuer Koalitionskrach zwischen FDP und SPD

Deutschland Vorratsdatenspeicherung

Auftakt eines neuen Koalitionskrachs – jetzt kommt es auf die Grünen an

Politischer Korrespondent
„Kein Täter darf sich sicher fühlen vor Strafverfolgung“

„Die Speicherung der Daten, mit denen wir die Täter identifizieren können, ist unbedingt erforderlich.“, sagt Nancy Faeser zum EuGH-Urteil. „Kein Täter darf sich sicher fühlen vor Strafverfolgung“, so die Innenministerin.

Quelle: WELT

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Grundsatzkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit: Der Europäische Gerichtshof kippt die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die vor allem der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet dienen soll. Justizminister Buschmann (FDP) zieht andere Schlüsse als Innenministerin Faeser (SPD).
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Im Idealfall haben Gerichtsentscheidungen in einem Rechtsstreit eine befriedende Wirkung. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) an diesem Dienstag das deutsche Gesetz zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung als unvereinbar mit dem europäischen Recht kassiert hat, sollte das Thema also eigentlich erledigt sein – zumal der Vollzug des Gesetzes von 2015 seit 2017 ohnehin ausgesetzt ist, es sich derzeit also um totes Recht handelt.

Tatsächlich aber scheint das Urteil nur der Auftakt eines Koalitionskrachs innerhalb der Ampel-Regierung, bei dem sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gegenüberstehen. Der Liberale und die Sozialdemokratin sind offenbar gewillt, einen Zwist fortzusetzen, der seit rund 15 Jahren währt. Es geht um den Grundsatzkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit:

Buschmann gibt dabei in Tradition seiner Vor-Vor-Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Bürgerrechtsanwalt. Faeser übernimmt die von Innenministern wie Otto Schily (SPD), Wolfgang Schäuble oder Thomas de Maizière (beide CDU) geprägte Rolle des Sheriffs, der sich für mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden einsetzt. Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 gab es eine Vielzahl dieser Konflikte. Manche sind längst entschieden, mal zugunsten der einen, mal zugunsten der anderen Seite.

So wurde der biometrische Reisepass eingeführt, und die Sicherheitsbehörden koordinieren ihre Arbeit in einem gemeinsamen Terrorabwehrzentrum. Initiativen wie das Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs erlauben sollte, oder die präventive Rasterfahndung wurden dagegen von der Justiz dauerhaft gestoppt.

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Das Projekt Vorratsdatenspeicherung aber beschäftigt Politik wie Gerichte bis heute. Es geht um das Vorhaben, bei privaten Providern anfallende Telefon- und Internetverbindungsdaten anlasslos für eine bestimmte Frist zu speichern und den Ermittlungsbehörden im Einzelfall den Zugriff darauf zu gewähren. Die gespeicherten IP-Adressen, Standort- oder Verbindungsdaten von Mobiltelefonen sollen bei der Strafverfolgung die Frage beantworten: Wer hat wann mit wem kommuniziert? Standen dabei zunächst Terrorermittlungen im Vordergrund, wird heute eher mit der Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet argumentiert.

2008 hatte das Bundesverfassungsgericht ein erstes deutsches Gesetz zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zunächst im einstweiligen Rechtsschutz ausgesetzt, 2010 dann im Hauptsacheverfahren für nichtig erklärt. Allerdings ließen die Richter eine Hintertür offen: Eine Speicherpflicht sei nämlich „nicht schlechthin verfassungswidrig“, erforderlich seien aber „hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes“.

EuGH befeuert alte Auseinandersetzung

Ähnlich ist die Lage auf der europäischen Ebene. 2014 kippte der EuGH zunächst die EU-Richtlinie, 2016 erklärte das Gericht das Instrument der Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit europäischen Grundrechten. Es folgte eine Kaskade von Urteilen, die sich mit nationalen Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten wie Schweden, Spanien, Belgien, Irland, Estland, Großbritannien oder Frankreich befassten – und sie stoppten oder jedenfalls deutlich einschränkten.

Aber auch diese grundsätzlichen Absagen des EuGH an das Instrument der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ließen den Mitgliedstaaten Spielräume. So darf die IP-Adresse – eine Art digitale Adresse der Endgeräte von Internetnutzern – anlasslos gespeichert werden, wenn es um die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder Bedrohungen für die öffentliche Sicherheit geht. Bei den übrigen Verbindungs- und Standortdaten ist eine anlasslose, aber räumlich begrenzte Vorratsdatenspeicherung möglich, die sich etwa auf Drehkreuze wie Bahnhöfe oder Flughäfen beschränkt.

Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

Quelle: WELT

Das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung von 2015 überschritt diese Grenzen, urteilten die Luxemburger Richter an diesem Dienstag. Eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten“ stehe dem Unionsrecht entgegen. Gleichzeitig bestätigte der Gerichtshof aber die möglichen Ausnahmen von diesem Grundsatz. Im Fall einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit sei eine „gezielte Vorratsdatenspeicherung“ möglich. Auch „eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen“ sei, in einem „auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum“, mit europäischem Recht vereinbar.

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Weil der Koalitionsvertrag interpretationsoffen ist, werden diese Ausnahmen nun die Auseinandersetzung zwischen Faeser und Buschmann befeuern. Die Innenministerin will die Gestaltungsspielräume ausschöpfen und das generelle Speichern von IP-Adressen zur Verfolgung schwerer Straftaten zulassen: „Die Speicherung der Daten, mit denen wir Täter identifizieren können, ist unbedingt erforderlich – und nach dem heutigen Urteil zulässig.“

Der Justizminister will „die anlasslose Vorratsdatenspeicherung zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen“, wie er nach dem Urteil mitteilte. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle nennt die Vorratsdatenspeicherung „ein totes Pferd, von dem auch die Bundesinnenministerin schnell absteigen sollte“.

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Die Liberalen wollen einen alten Plan ihrer Parteifreundin Leutheusser-Schnarrenberger umsetzen, das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Telekommunikationsanbieter können dabei nur bei konkretem Verdacht auf eine Straftat und auf richterliche Anordnung verpflichtet werden, Daten zu einzelnen Nutzern „einzufrieren“ und im weiteren Ermittlungsverfahren gegebenenfalls „aufzutauen“ und den Strafverfolgern zur Verfügung zu stellen. Dieses Verfahren ist vom EuGH abgesegnet.

Viele Ermittler halten das Verfahren allerdings für unzureichend. Worauf sich die Koalition am Ende verständigen wird, könnte mithin maßgeblich von den Grünen abhängen. Eine generelle Vorratsdatenspeicherung gehöre „auf die Müllhalde der Geschichte“, erklärte der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz – und stellte sich damit an die Seite der FDP. Auch aus der SPD kam überraschend Gegenwind für Faeser: Fraktionsvize Dirk Wiese sprach sich dafür aus, das „Konzept des Quick Freeze“ nun schnell umzusetzen.

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