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„In welche Gesellschaft soll man sich hier integrieren“

Flüchtlingsjunge Luai schildert die Ereignisse im Bus

Im Interview mit N24 schildert der Flüchtlingsjunge Luai Khatum, was in jener Nacht im Bus geschah. Luai ist der Junge, der von einem Polizisten gepackt und aus dem Bus gezerrt wurde.

Quelle: Die Welt

Autoplay
Mit Schokolade im Gepäck will Dramaturg Robert Koall den Flüchtlingsjungen aus dem Bus trösten. Auf Facebook beschreibt er seine Begegnung und seinen Eindruck von Clausnitz, Tausende sind berührt.

Es sind diese Bilder aus Clausnitz. Der verängstigte Flüchtlingsjunge im Bus, der von einem Polizisten gepackt und herausgezerrt wird. Drumherum aufgebrachte und johlende Demonstranten. Robert Koall, Chefdramaturg am Staatsschauspiel Dresden, hat sich das Video angeschaut, mehrfach.

Bis er dachte: „Ich halte das einfach nicht mehr aus“, sagt er der „Welt“. In der Hoffnung, „vielleicht irgendetwas beitragen zu können“, steigt er ins Auto und fährt von Dresden nach Clausnitz. Er will sich selbst ein Bild machen, will sehen, wie es den Menschen aus dem Bus geht – und Luai, dem verängstigten Flüchtlingsjungen, eine Schokolade schenken.

Von seinem Ausflug schreibt er auf Facebook unter seinem Pseudonym Karlo Tobler. Rund 18.000 Likes bekam der Post bis jetzt, mehr als 7000 Menschen haben ihn geteilt. „Es sollte ein Mutmachpost sein“, sagt Koall, „ich bin ganz berührt, wie viele Menschen sich angesprochen gefühlt haben.“ Nur ein einziger Kommentar ist bis jetzt negativ. „Das macht schon ein bisschen Mut“, sagt er.

Neues Video zeigt hartes Vorgehen von Polizisten in Clausnitz

Nachdem im sächsischen Clausnitz ein Bus mit Asylbewerbern von einer grölenden Menge gestoppt wurde, ist nun ein neues Video aufgetaucht. Die Bilder zeigen das Verhalten der Polizei.

Quelle: Die Welt

Koall beschreibt die Landschaft auf dem Weg von Dresden nach Clausnitz. „Die Gegend ist einsam, autoleer, menschenleer an diesem verhangenen Sonntag. Der Weg führt vorbei an Erdstoffdeponien, Kfz-Barankaufstellen, einem alten Sägewerk, Baustoffhöfen und Baumaschinendepots. Und immer wieder an Leerstand“, schreibt er. „Dies ist offensichtlich eine Gegend mit zweifelhafter Zukunft, ein Landstrich, der von den Menschen verlassen wird. Sächsische Wirtschaftsflüchtlinge. Dazwischen der krasse Gegensatz der Einfamilienhäuser, deren frisch gestrichene Fassaden vom festen Willen künden, es sich schön zu machen.“

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In Clausnitz angekommen, steht er vor dem blassgelben Mehrfamilienhaus, das traurige Berühmtheit erlangt hat und in dem jetzt Flüchtlinge leben. „Ich rechnete damit, dass sofort ein Wachdienst kommen würde und mich fragen, was ich denn hier will“, sagt Koall. Doch nichts geschieht, alles ist vollkommen still, die Jalousien heruntergelassen. „Ich klingelte dann einfach unten rechts, wie man das so macht“, erzählt Koall.

Der Türsummer geht und Koall betritt ein enges Treppenhaus. Auf dem ersten Absatz steht ein Junge und schaut neugierig. „Ich bin so perplex, dass ich ihm als Erstes Schokolade anbiete“, schreibt er. „Ob er nicht der Junge aus dem Bus sei? Bist du Luai Khatum?“ Dass der Junge gar keine Schokolade, sondern nur Kekse mag, weiß Koall noch nicht.

Der Dramaturg beschreibt, wie der Junge strahlt, wie er seine Mutter dazuholt und noch andere Verwandte. „Auf seine Prominenz ist Luai auf verlegene Weise stolz.“

Statt Willkommenskultur begegnete den Flüchtlingen in Clausnitz blanker Hass. In dem Bus befand sich auch der 15-jährige Luai mit seiner Familie
Statt Willkommenskultur begegnete den Flüchtlingen in Clausnitz blanker Hass. In dem Bus befand sich auch der 15-jährige Luai mit seiner Familie
Quelle: YouTube/EnoughisEnoughTV

Die Verständigung ist schwierig, Luai spricht ein paar Brocken Deutsch. „Was sie denn bräuchten, fragen wir die Menschen im Haus, wie man ihnen am besten helfen könne. Und da sagt Frau Khatum tatsächlich: „Wir haben alles, was wir brauchen: Frieden und Sicherheit. Wir sind sehr dankbar.“

Es sind ein paar Dutzend Menschen, die dort in Clausnitz nun leben sollen. Sie kommen aus dem Iran, dem Libanon, Syrien und anderen Ländern. „Keiner weiß, was sie hier sollen. Und ich weiß es auch nicht. Diese Gegend ist schön, aber verödet. In was für eine Gesellschaft soll man sich hier integrieren? Selbst mir ist das alles völlig fremd. Wie kann man hier ankommen? Wie soll man hier Anschluss an ein Land finden? Dazu ganz praktische Probleme. Wo ist hier der nächste Arzt? Der nächste Edeka ist kilometerweit weg, der nächste Discounter 10 Kilometer. Busse fahren selten.“

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Es ist ein trostloses Szenario, das Koall dort beschreibt. Kein Ort, an dem man gern ein neues Leben anfangen möchte. Und dennoch: „Das alles wäre ein lösbares Problem. Wenn man willkommen wäre.“

Den ganzen Bericht von Koall, lesen Sie hier.

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Quelle: Die Welt

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