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Ausland Argentinien

Der Streit mit Spanien offenbart die Risiken des Systems Milei

Korrespondent in Lateinamerika
Auftritt wie ein Popstar: Javier Milei in Buenos Aires Auftritt wie ein Popstar: Javier Milei in Buenos Aires
Auftritt wie ein Popstar: Javier Milei in Buenos Aires
Quelle: AFP
Zwischen Spanien und Argentinien ist eine diplomatische Krise ausgebrochen, die der libertäre Präsident Milei für seine Zwecke nutzt. Dass selbst politische Gegner ihm den Rücken stärken, zeigt, wie sehr man in Lateinamerika Bevormundung aus Europa verabscheut. Doch die Strategie ist riskant.
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Showtime im Luna-Park: Bevor Javier Milei im Konfetti-Regen der Event-Arena in Buenos Aires versinkt, feuert der argentinische Präsident noch ein paar Breitseiten gegen seinen Lieblingsfeind ab: den Sozialismus und dessen Repräsentanten. Eigentlich ging es vergangene Woche nur um die Vorstellung von Mileis neuestem Buch.

Doch wer im Besitz eines der begehrten Tickets war, konnte aus nächster Nähe miterleben, wie das System Milei funktioniert. Der argentinische Präsident verknüpft Show und Politik zu einer auf der Weltbühne wohl einzigartigen Mischung. Das bringt Schlagzeilen und Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken, birgt aber auch Risiken.

Javier Mileis Buch
Javier Mileis Buch
Quelle: AFP

Kapitalismus, Korruption – und Fußball: Der libertäre Präsident spricht Themen an, die vor allem für die politische Linke unbequem sind, nicht nur in seinem Heimatland. Deshalb schlagen ihm aus diesem Lager bisweilen hysterische Reaktionen und wüste Vorwürfe entgegen. Zuletzt aus Spanien. Doch ausgerechnet das könnte Milei sich nun zunutze machen. Denn nichts verabscheuen die Argentinier so sehr wie herablassende Töne aus Europa.

In Madrid hatte der sozialistische Verkehrsminister Oscar Puente öffentlich darüber spekuliert, ob der argentinische Präsident während des Wahlkampfes „Substanzen“ zu sich genommen habe. Und die spanische Wissenschaftsministerin warf Milei vor, sein politisches Modell käme einem „Anschlag gegen die Demokratie“ gleich.

Beweise für einen angeblichen Drogenkonsum legte Puente keine vor, trat mit seiner Behauptung jedoch eine diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern los, die bis heute andauert – auch, weil Milei sich revanchierte. Auf einer Wahlkampfveranstaltung der spanischen Rechtsaußenpartei Vox wetterte er vor einigen Tagen in bekannter Manier gegen alles Linke und behauptete dann, ebenfalls ohne Beweise vorzulegen, die Ehefrau von Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez, Begona Gomez, sei „korrupt“.

Als Zeichen des Protests rief Madrid die spanische Botschafterin in Buenos Aires auf unbestimmte Zeit ab und bestellte ihren argentinischen Amtskollegen ein. In seiner Heimat fiel die Kritik an Milei indes deutlich leiser aus.

Pedro Sanchez mit seiner Frau Begona Gomez
Pedro Sanchez mit seiner Frau Begona Gomez
Quelle: REUTERS

Sogar die argentinische Linke stellte sich in Teilen hinter den Präsidenten. Juan Grabois, Arbeiterführer und eigentlich einer der schärfsten innenpolitischen Kritiker Mileis, sagte: „Ich will nicht hören, dass ein Minister eines europäischen Königreichs und einer ehemaligen Kolonialmacht den verfassungsmäßigen Präsidenten Argentiniens beleidigt.“

Dass der linke Aktivist Milei gegen die Attacken aus Spanien verteidigte, zeige „wie empfindlich das Thema Kolonialismus in Argentinien und ganz Südamerika nach wie vor aufgenommen wird“, sagt Carl Moses, in Buenos Aires ansässiger Wirtschaftsberater, im Gespräch mit WELT.

Viel wichtiger als die verbalen Scharmützel seien jedoch „die grundlegenden Differenzen, die zwischen Europa und Argentinien beziehungsweise zwischen der EU und Mercosur im Hinblick auf das geplante Freihandelsabkommen bestehen“, so der Experte und nennt als Beispiele die Agrarpolitik oder die Klima- und Umweltpolitik.

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In diesen Bereichen fühlen sich südamerikanische Länder regelmäßig von Europa bevormundet. Viele Regierungen empfinden die von Brüssel und Berlin geforderten Umweltschriften als „grünen Kolonialismus“, wie es zuletzt Brasiliens Präsident Lula da Silva formulierte.

Milei will auch den Fußball privatisieren

Dass Milei die bislang herrschenden Machtverhältnisse zwischen Europa und Südamerika ändern möchte, zeigt auch seine Initiative zur privatwirtschaftlichen Öffnung des argentinischen Vereinsfußballs. Seine Kritiker sagen, er bringe das Kulturgut Fußball in Gefahr, lassen dabei aber außer Acht, dass die argentinischen Vereine, überwiegend geführt von linken Gewerkschaftsbossen und Politikern, zu einem Zulieferbetrieb europäischer Fußball-Konzerne in Madrid, Barcelona, Manchester oder London degradiert wurden.

Da von den Europäern keine Änderung ihrer Transferpolitik gegenüber Südamerika zu erwarten ist, bräuchte es Investoren, um populäre Traditionsklubs wie River Plate oder Boca Juniors auf ökonomische Augenhöhe mit Europas Spitzenvereinen zu bringen. Andernfalls müssten sie weiterhin ihre Teenager-Talente verkaufen, mit denen die Europäer dann später Erfolge feiern und Kasse machen.

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Gut ein halbes Jahr ist Milei jetzt im Amt. Wirtschaftspolitisch kann er durchaus erste Erfolge vorweisen: Die Inflation ist rückläufig, der Haushalt verursacht keine neuen Schulden, und der Internationale Währungsfonds ist überrascht, dass Argentinien die Absprachen sogar übererfüllt. Doch der Durchschnittsbürger spürt von diesen positiven Entwicklungen noch nichts. Die Armutsrate ist sogar noch gestiegen, es fehlt an tief greifenden Reformen, die derzeit im Parlament feststecken.

Mileis schlagzeilenträchtiger Politikstil birgt deshalb auch Risiken. Viele Argentinier, die Mileis Reformen grundsätzlich unterstützen, irritiere der Streit mit Spanien, sagt Hans-Dieter Holtzmann von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Buenos Aires. „Konstruktive außenpolitische Beziehungen sind nicht zuletzt auch ein wichtiger Faktor für die erhofften ausländischen Direktinvestitionen in Argentinien.“

Auch die konservative Zeitung „La Nacion“, bislang eher pro Milei eingestellt, wird allmählich ungeduldig. Der Präsident zeige sich trotz nahender Rezession lieber als „Showman“. Er bemühe sich um weltweite Anerkennung als extravaganter Prophet statt sich um Investoren zu kümmern.

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