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Ausland Ungarn

Hat Viktor Orbán sein Blatt überreizt?

Redakteur Außenpolitik
Im Dauerclinch mit der EU: Viktor Orbán Im Dauerclinch mit der EU: Viktor Orbán
Im Dauerclinch mit der EU: Viktor Orbán
Quelle: REUTERS
Ungarns Premier Viktor Orbán attackiert gern die EU, Kritik ignoriert er. Aber Brüssel steht demnächst eine schärfere Waffe zur Verfügung. Gegenwind bekommt Orbán auch aus einer anderen Hauptstadt und dem eigenen Land – keine guten Vorzeichen für die bald anstehende Wahl.
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Die Mitteilung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist knapp, hat dafür aber maximale Wirkung: Am vergangenen Donnerstag empfahl Manuel Campos Sánchez-Bordona dem Gericht, die Klage Ungarns und Polens gegen den EU-Rechtsstaatsmechanismus abzuweisen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass die Richter des EuGH genau dies tun und die EU-Kommission künftig Ländern Gelder streichen kann, bei denen sie Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit feststellt.

Die Regierung in Budapest würde damit erstmals handfeste Konsequenzen des eigenen Handelns spüren – und zwar finanzieller Art. Die EU-Ebene ist allerdings nicht die einzige, auf der es für Premierminister Viktor Orbán unbequemer wird. Auch international erhöhen sich die Kosten seines autoritären Regierungskurses. Für den Regierungschef droht das zum ernsthaften Problem zu werden, denn es gefährdet den Machterhalt bei der Wahl im Frühjahr.

Eigentlich wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die finale Entscheidung des EuGH zur Rechtmäßigkeit des Rechtsstaatsmechanismus abwarten, bevor sie die ersten Schritte für seine Aktivierung unternimmt. Doch das Europäische Parlament hatte die Behörde im Oktober wegen Untätigkeit verklagt, also musste sie handeln.

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Ende November verschickte von der Leyen eine informelle Aufforderung an Ungarn und Polen, ihr binnen zwei Monaten Informationen zum Stand der Rechtsstaatlichkeit vorzulegen. Sollten die Antworten – womit Beobachter rechnen – unbefriedigend sein, wären die Voraussetzungen erfüllt, den Mechanismus offiziell auszulösen.

Damit stünde eine weitere Eskalation im Streit zwischen Budapest und Brüssel an. Die EU beschuldigt Ungarn schon lange, Rechtsstaats- und Menschenrechtsnormen zu verletzen. Doch das scharfe Schwert, zur Strafe dem Land EU-Gelder streichen zu können, hat die Kommission erst Ende 2020 erhalten.

„Orbán stilisiert sich gern als einflussreichen Politiker“

Folgen die EuGH-Richter Anfang nächsten Jahres wie erwartet dem Gutachten des Generalanwalts, könnte diese Strafmaßnahme erstmals eingeleitet werden. Zu einem brisanten Zeitpunkt: Schon im Frühjahr wird in Ungarn gewählt.

„Die Opposition beschuldigt Orbán, sich mit den EU-Geldern indirekt die Wahl zu kaufen“, sagt der Europaabgeordnete Moritz Körner. Der FDP-Politiker war Chefverhandler der liberalen Fraktion für den Rechtsstaatsmechanismus. Eine Streichung der Mittel täte also weh.

Zwar würde der Mechanismus nicht mehr vor der Wahl greifen, aber allein das Signal, dass er ausgelöst wird, sei schon wichtig. „Orbán stilisiert sich gern als einflussreichen Politiker, der in Brüssel eine wichtige Rolle spielt. Diese Mär wäre widerlegt, wenn er Sanktionen wegen Rechtsstaatsverstößen nicht verhindern kann“, sagt Körner zu WELT.

Aber es ist nicht nur die EU, die an Orbáns Image als mächtigem Politiker kratzt. Am kommenden Donnerstag und Freitag richtet US-Präsident Joe Biden einen virtuellen „Gipfel für Demokratie“ aus. Geladen sind 110 Staaten, darunter 39 europäische Länder. Ungarn wurde als einziges EU-Mitglied nicht eingeladen.

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Offiziell bezeichnet Außenminister Peter Szijjarto das als „Respektlosigkeit“, hält sich aber ansonsten zurück. Die Verärgerung in Budapest dürfte jedoch groß sein, denn selbst Länder wie Pakistan, der Kongo und auch Polen wurden mit einer Einladung geadelt.

Es sei ein politisches Spiel mit den Einladungen, um Orbán, der gute Beziehungen zu Bidens Vorgänger Donald Trump hatte, zu schaden. Das ist aus ungarischen Regierungskreisen zu hören. Damit mische sich Washington in die Wahl ein. Im August hatte Orbán dem konservativen US-Fernsehsender FoxNews ein Interview gegeben und prophezeit, dass die „internationale Linke“ alles tun werde, um einen Regierungswechsel in Ungarn herbeizuführen.

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Zu Bidens Demokratie-Gipfel nicht eingeladen zu werden bestätige diese Furcht nun, heißt es aus Budapest weiter. Es sei ein Geschenk für die Opposition. Diese könne sie als „Beweis“ anführen, dass sich das Land auf dem falschen Weg befinde, sagt ein hochrangiger Beamter WELT.

Die Nervosität ist begründet. Neuste Umfragen des Instituts Zavecz Research sehen das Bündnis der Opposition bereits vier Punkte vor Orbáns Fidesz-Partei. Ende Oktober sah eine Umfrage des Instituts Republikon sogar einen Vorsprung von sechs Punkten. Das regierungsnahe Nezopont-Institut dagegen sieht Fidesz vorn. Das Rennen könnte also knapp werden – nicht selbstverständlich in Ungarn.

Orbán profitierte oft von der Zersplitterung der Opposition. Die hat sich aber erstmals zusammengeschlossen: Bei einer Vorwahl im Oktober wählte ein breites Parteienbündnis von Sozialisten bis zur rechten Jobbik-Partei einen gemeinsamen Kandidaten.

Gewonnen hat Peter Marki-Zay, Bürgermeister der Kleinstadt Hodmezovasarhely im Südosten Ungarns. „Er ist ein konservativer Politiker, religiös und familienorientiert“, sagt Andreas Bock, Ungarn-Experte der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. Marki-Zay vertrete dieselben Werte, die auch Orbán einst populär gemacht hätten. „Damit ist er für enttäuschte Fidesz-Wähler eine Alternative“, so Bock.

Gleichzeitig spricht Marki-Zay aber auch die liberale Wählerschaft in den großen Städten an. Er verspricht ein verbessertes Verhältnis zur EU und betont stets, wie wichtig ihm europäische Werte, Demokratie und Rechtsstaat seien. Für Bock ist daher klar: „Orbán sollte sehr besorgt sein.“

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