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Ausland Fünf Jahre EU-Türkei-Deal

„Für diese dramatische humanitäre Krise ist die EU verantwortlich“

Fünf Jahre Flüchtlingsdeal mit der Türkei Fünf Jahre Flüchtlingsdeal mit der Türkei
Ein Polizeiauto patrouilliert oberhalb eines provisorischen Zeltlagers für geflüchtete Menschen in der Nähe von Mytilini auf Lesbos
Quelle: dpa/Petros Giannakouris
Während der Flüchtlingskrise 2016 schloss die Bundesregierung ein Abkommen mit der Türkei. Ziel war es, die Migration einzudämmen. Die CDU wertet den Deal auch heute noch als Erfolg, ganz im Gegensatz zu Menschenrechtlern.
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Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei besteht nun seit fünf Jahren – doch die Kritik an der Abmachung ist nicht abgerissen. Politiker der deutschen Oppositionsparteien sehen den Deal, der die Migration über die Türkei nach Griechenland eindämmen soll, als gescheitert an. Hilfsorganisationen fordern einen Kurswechsel in der Migrationspolitik. Dagegen sieht die Bundesregierung in dem Deal einen Erfolg.

Unter dem Eindruck großer Flüchtlingsbewegungen verständigten sich die EU und das wichtige Transitland Türkei am 18. März 2016 auf die gemeinsame Erklärung. Diese sieht unter anderem vor, dass die Türkei gegen unerlaubte Migration in die EU vorgeht und Griechenland illegal auf die Ägäis-Inseln gelangte Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU für jeden Syrer, der zurückgeschickt wird, einen syrischen Flüchtling aus der Türkei und unterstützt das Land finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge. In der Türkei leben rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge.

Tatsächlich ist die Zahl der Migranten, die auf den griechischen Inseln ankommen, deutlich zurückgegangen. Bis März 2021 schickte die EU allerdings nur rund 2740 Migranten zurück in die Türkei. Die EU-Staaten nahmen 28.621 Menschen auf – deutlich weniger als in Aussicht gestellt. In der Corona-Krise rückten dann beide Seiten vom Abkommen ab. Die Türkei setzte die Rückübernahme von Migranten aus; die EU stoppte ihrerseits die Umsiedlung. Seit August nimmt die EU nun wieder Syrer auf.

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Im Zentrum der Kritik steht seit Jahren, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Situation an der EU-Außengrenze nutzt, um Druck auf die EU auszuüben. So erklärte er im vergangenen Frühjahr, dass die Grenze zu Griechenland für Migranten offen sei. Auch in anderen Bereichen ging Erdogan auf Konfrontation. Zudem fordert er immer wieder weitere Hilfszahlungen. Derzeit diskutieren die EU-Staaten daher, unter welchen Bedingungen es eine Fortsetzung des Abkommens geben könnte und wie diese aussehen könnte.

„Dramatische humanitäre Krise“

Kritiker weisen darauf hin, dass Griechenland mit der Versorgung von Menschen, die die Ägäis-Inseln erreichen, nicht nachkomme. Dort sind Lager entstanden, in denen die Migranten bis heute unter teils erbärmlichen Bedingungen leben. Das bekannteste Lager Moria auf Lesbos brannte im September 2020 ab. Zudem gibt es immer wieder Vorwürfe, wonach Migranten auf See unerlaubt in die Türkei zurückgedrängt werden.

Mehrere Hilfsorganisationen fordern deswegen einen grundlegenden Kurswechsel der europäischen Flüchtlingspolitik. Die Folgen des Pakts seien katastrophale Lebensbedingungen in den Aufnahmelagern, illegale Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen und schleppende Asylverfahren, kritisierte etwa die Organisation Oxfam. „Für diese dramatische humanitäre Krise ist die EU verantwortlich“, sagte Raphael Shilhav von Oxfam.

Der Politikwissenschaftler Maximilian Pichl sieht in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln das Ergebnis einer Migrationspolitik, die seit 30 Jahren Verantwortung weiterreiche. „Das Narrativ, es handele sich bei den Zuständen auf Moria um eine ‚humanitäre Katastrophe‘, verdeckt, dass der ‚Moria-Komplex‘ Ergebnis politischer Entscheidungen und Kalküls ist“, heißt es in einer Zusammenfassung seiner Analyse im Auftrag von Medico International. Die Politik der Auslagerung reiche zurück zu den Ursprüngen des EU-Asylsystems um die Jahrtausendwende, schreibt der Rechts- und Politikwissenschaftler von der Frankfurter Goethe-Universität.

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Auch die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst verurteilte das Abkommen. Die Lager auf den griechischen Inseln seien „ein Symbol von Grundrechtsverletzungen“, sagte Ernst der Deutschen Presse-Agentur. Hinzu komme, dass die Türkei die Migrationsfrage als Druckmittel auf die EU nutze.

Der EU-Abgeordnete Erik Marquardt (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, die Vereinbarung stelle die Menschenrechte in den Hintergrund. Erfolg werde daran gemessen, wie gut Europa sich abschotte. Der Deal sei zudem nicht von Parlamenten diskutiert oder verabschiedet worden und parlamentarischer Kontrolle größtenteils entzogen. Marquardt forderte, bei den Fluchtursachen anzusetzen und dazu beizutragen, dass Menschen in ihren Aufenthaltsländern Perspektiven geboten würden.

Bundesregierung hält an Abmachung fest

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Die Bundesregierung wertet das Abkommen hingegen als Erfolg. Beide Seiten hielten an der Vereinbarung fest und setzten sie gemeinsam um, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch. Es sei gelungen, das „tödliche Geschäftsmodell“ der Schleuser in der Ägäis wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Zahl der illegal Einreisenden nach Griechenland sei erheblich zurückgegangen, ebenso die Zahl der Todesfälle in der Ägäis.

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Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, äußerte sich ähnlich: „Die Kontrolle über die EU-Außengrenzen ist Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Migrationspolitik“, sagte der CSU-Vize der Funke-Mediengruppe. „Hierfür war das EU-Türkei-Abkommen ein wichtiger Schritt.“ Erdogan nutze zwar jede Gelegenheit zur Provokation, die Zusammenarbeit mit der Türkei sei jedoch notwendig. „Es ist auch mehr Engagement der EU gegenüber der Türkei denkbar.“ Dies setze aber ein konstruktives Verhalten der Türkei voraus.

dpa/dp

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