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  4. Heiko Maas in Ungarn: Berlin und Budapest reden aneinander vorbei

Ausland Maas in Budapest

Die Illusion vom Neuanfang mit Osteuropa

Die Illusion vom Neuanfang mit Osteuropa

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein ungarischer Kollege Péter Szijjártó bekräftigten zunächst guten Willen. Dann sprach Szijjártó vor allem über Migrationspolitik, Maas hingegen über Unabhängigkeit der Justiz sowie Meinungs- und Pressefreiheit.

Quelle: WELT

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Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wirbt in Ungarn für eine Überwindung der West-Ost-Spaltung in Europa. Aber jenseits freundlicher Worte ist deutlich: In den wichtigen Kernfragen reden Deutschland und Ungarn aneinander vorbei.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein ungarischer Kollege Péter Szijjártó bekräftigten erst mal guten Willen. Als sie am Montag in Budapest gemeinsam vor die Presse traten, sagte Szijjártó, strittige Fragen hätten bei seinem Gespräch mit Maas viel weniger Raum eingenommen als jene, bei denen beide Länder die gleichen Standpunkte verträten.

Maas begann seine Rede mit Lob für Ungarn. Ohne deren Mut „wäre die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich gewesen“, sagte der Minister. Beide hoben die ungarisch-deutschen Handelsbeziehungen hervor.

Es ist das Lied, das Deutschland und die osteuropäischen Staaten seit der Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionschefin anstimmen. Der Streit muss ein Ende haben, ein Neuanfang sei nötig.

Auch beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem ungarischen Kollegen Viktor Orbán vor wenigen Wochen war das die Grundmelodie. Aber jenseits netter Worte ist weiter völlig unklar, wie man in den Sachfragen zueinanderfinden will.

Das wurde auch beim Besuch von Maas nun wieder deutlich: Sein Kollege Szijjártó sprach vor der Presse vor allem über Verteidigungs- und Migrationspolitik, Maas sprach von Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz, von Meinungs- und Pressefreiheit. Die Minister redeten in den wichtigen Fragen aneinander vorbei.

Budapest hofft seit der Wahl von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin – die ohne die osteuropäischen Stimmen nicht möglich gewesen wäre – auf Nachsicht, wenn es um Rechtsstaatlichkeit geht.

Unter Ministerpräsident Orbán nutzte Budapest seine Zweidrittelmehrheit im Parlament seit 2010, um die Opposition, Medien, Nichtregierungsorganisationen, wissenschaftliche Einrichtungen sowie die Justiz einzuschränken und zu kontrollieren.

Visegrád-Staaten erhoffen sich Gegenleistung

Gegen Ungarn läuft daher ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge, das schärfste Mittel gegen ein EU-Mitgliedsland. Auch gegen Polen ist ein solches Verfahren eingeleitet.


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Nun setzen die Visegrád-Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn – darauf, dass sich von der Leyen besinnt, wer ihr ins Amt geholfen hat. Sie erhoffen sich eine Gegenleistung. Von der Leyen hat bereits signalisiert, die Gräben überwinden und den osteuropäischen Ländern mit mehr Respekt begegnen zu wollen.

Auch Merkel hielt sich mit Kritik zurück, als sie Orbán im August traf. Sie stimmte ihrer Parteifreundin von der Leyen zu, dass in Europa bessere Beziehungen untereinander nötig seien. Sie lobte die ungarische Regierung sogar für den Einsatz von EU-Fördermitteln: Man sehe, „dass Ungarn dieses Geld wirklich so einsetzt, dass es auch dem Wohle der Menschen zugutekommt“. Die Vorwürfe, Orbáns Regierung habe EU-Gelder veruntreut, erwähnte sie nicht.

Die SPD kann kompromissloser auftreten, sie ist den Osteuropäern nichts schuldig. Diese hatten vielmehr den sozialdemokratischen Kandidaten Frans Timmermans als EU-Kommissionschef verhindert, weil der in Sachen Rechtsstaat nach dem Geschmack der Osteuropäer zu radikal vorgegangen war.

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Maas bekräftigte die scharfe Linie der Sozialdemokraten am Montag – immerhin diesmal, ohne dem Koalitionspartner CDU in den Rücken zu fallen, wie er es zuletzt in Ankara getan hatte. Da hatte er öffentlich bei einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen den Syrien-Vorstoß von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer torpediert.

In einem Interview, das das ungarische Wochenmagazin „HVG“ am Montag veröffentlichte, stärkte Maas der Kanzlerin den Rücken. Auf die Frage, ob er wie Merkel zufrieden sei, wie Ungarn die europäischen Gelder einsetze, sagte Maas: „Es ist nicht unsere Aufgabe, zu loben oder zu tadeln – und so habe ich die Kanzlerin auch nicht verstanden.“

Die Menschen in Ungarn sowie die Wirtschaft hätten aber enorm profitiert. Zu den Korruptionsvorwürfen gegen die Fidesz-Regierung schwieg aber auch Maas – zu scharf sollte die Kritik dann wohl doch nicht ausfallen.

EU-Fördermittel sind derzeit ein heikles Thema. Brüssel plant, die Gelder für Mitgliedstaaten zu kürzen, wenn sie sich nicht an rechtsstaatliche Standards halten. Von der Leyen hat signalisiert, offen für diesen Vorschlag zu sein. Zugleich aber plant sie einen neuen „Rechtsstaatsmechanismus“, nach dem sich jedes Land einmal im Jahr einer objektiven Überprüfung unterziehen muss.

Kritik an neuem Gesetz

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Maas bekräftigte diesen Vorschlag am Montag. Die Mitgliedstaaten müssten ein gemeinsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit entwickeln, so Maas. Gleiches Recht für alle, soll die Botschaft an die osteuropäischen Staaten sein. Schluss mit dem Pranger.

Bei den Osteuropäern kommen diese Pläne nicht gut an, schon gar nicht in Ungarn, versucht doch die Fidesz-Regierung, mehr Kontrolle über EU-Gelder zu erlangen. Im Juli etwa trat ein Gesetz in Kraft, das der Regierung die Hoheit über die Forschungsinstitute der ungarischen Akademie der Wissenschaften überträgt.

Offiziell begründet die Regierung ihren Schritt damit, die Forschung innovativer machen zu wollen. Doch Kritiker fürchten um die akademische Freiheit. Die Institute sind durch diese Änderung politisch und finanziell abhängig.

„Die Regierung hat so weitgehende Kontrolle darüber, wie EU-Forschungsgelder eingesetzt werden“, sagt Milan Nic von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Der große Profiteur ist am Ende Orbáns Fidesz-Partei.“ Kritische Forschungsvorhaben würden nach dem neuen Gesetz kaum eine Chance auf Förderung haben, fügt der Osteuropa-Experte hinzu.

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Ein zweites Problem für die EU ist die Blockadehaltung einiger osteuropäischer Staaten. Die EU-Länder müssen gemeinsame außenpolitische Erklärungen einstimmig beschließen. Seit Jahren torpediert Orbán zentrale Entscheidungen von EU und Nato.

Im Oktober etwa verhinderte er im Alleingang eine Resolution, die den Nordsyrien-Einmarsch der Türkei kritisierte – Außenminister Szijjártó betonte damals, es sei Ungarns nationales Interesse, dass die Türkei die Migrationsfrage in Richtung Syrien löse und nicht in Richtung Europa.

Dies ließ Maas bei seinem Treffen mit Szijjártó nicht unkommentiert. Die Einheit der EU sei „von überragender Bedeutung, um in China, den USA und der Türkei ernst genommen zu werden“. Es sei wichtig, in der EU mit einer Stimme zu sprechen – ein Seitenhieb gegen Budapest. Auch hier wurde deutlich: In den zentralen Sachfragen sind die Gräben so tief wie zuvor.

Diese Länder haben in der Migrationskrise EU-Recht gebrochen

Polen, Ungarn und die Tschechische Republik haben aus Sicht der EU-Generalanwältin gegen Unionsrecht verstoßen. Sie seien nicht befugt gewesen, die Aufnahme der Geflüchteten mit dem Argument der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung abzulehnen, heißt es.

Quelle: WELT/Christoph Hipp

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