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  4. Das grüne Monster von Opel: Fahrt im Rekordwagen von 1922

Auto der Woche Das grüne Monster

Eine Fahrt in diesem Opel ist wie ein Ritt auf einer Rakete

Mit dem "grünen Monster" von Opel hat Carl Jörns 1922 einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. WELT-Autor Thomas Geiger durfte nun mit dem Rekordwagen über den Strand fahren Mit dem "grünen Monster" von Opel hat Carl Jörns 1922 einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. WELT-Autor Thomas Geiger durfte nun mit dem Rekordwagen über den Strand fahren
Mit dem "grünen Monster" von Opel hat Carl Jörns 1922 einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. WELT-Autor Thomas Geiger durfte nun mit dem Rekordwagen über den Strand fahren
Quelle: Walter Tillmann
Man mag es kaum glauben, aber das schnellste Auto der Welt kam einst von Opel. Über 90 Jahre nach seiner Rekordfahrt wurde das „grüne Monster“ aus der Garage geholt – und unser Autor durfte ans Steuer.

Ich hatte Respekt und habe Rücksicht genommen, ich war voller Bewunderung und voller Begeisterung, und ich hatte bisweilen ein mulmiges Gefühl im Bauch. Doch wirklich Angst hat mir bislang noch kein Auto gemacht – bis ich mich ans Steuer eines alten Opel-Rennwagens gesetzt habe.

Der Wagen aus dem Jahr 1914 wird in den Opel-Annalen nicht umsonst als „Grünes Monster“ geführt, und selbst der tollkühne Werksfahrer Carl Jörns hat sich in etlichen Rennen nicht getraut, den Wagen voll auszufahren, wie er später kleinlaut einräumen musste. Doch auch ohne Vollgas zu fahren, hat er 1922 bei einem Strandrennen im dänischen Fanö einen Weltrekord aufgestellt und als Erster ein Spitzentempo von 228 km/h erreicht.

Das ist jetzt mehr als 90 Jahre her. Die meiste Zeit hat das „Grüne Monster“ seitdem friedlich in der imposanten Oldtimersammlung im Opel-Werk in Rüsselsheim gestanden. In diesem Herbst haben die Hessen den Wagen jedoch noch einmal an den Ort des Geschehens gebracht.

Für einen „Sportwagen“ sitzt man im "grünen Monster" aufgrund der riesigen Speichenräder ungewöhnlich hoch
Für einen „Sportwagen“ sitzt man im "grünen Monster" aufgrund der riesigen Speichenräder ungewöhnlich hoch
Quelle: Walter Tillmann

Anstelle von Carl Jörns sitze ich am Steuer der dunkelgrünen Zigarre, die aus nicht viel mehr als dem Motor zu bestehen scheint. Der hat zwar nur vier Zylinder, dafür aber 12,3 Liter Hubraum. Damit ist er das größte Triebwerk, das sie bei Opel je gebaut haben. Der Block ist so mächtig und hoch, dass die Ventile sogar aus der Haube ragen und man deshalb jeden Arbeitstakt live verfolgen kann – zumal der Motor mit vergleichsweise moderaten Drehzahlen läuft.

Das Kraftwerk ruht auf einem Rahmen aus Holz und Eisen, um den die Ingenieure damals eine schlichte Hülle aus dünnem Blech gedengelt haben. Dazu vier hüfthohe Holzräder, ein rustikales Getriebe mit einem ellenlangen Schalthebel, der wie damals üblich von außen an der Flanke angeschlagen ist, und vor dem Fass mit dem Treibstoff eine Lederschale auf einem Holzbrett direkt über der Kardanwelle – mehr ist an diesem Renner nicht dran.

Moderne Supersportwagen sind dagegen handzahm

Mehr braucht es aber auch nicht, um mir Bange zu machen. Den Rest erledigt Jens Cooper, der die Klassik-Werkstatt leitet. Der erzählt mir, was bei dieser Spritztour alles schiefgehen kann. Dann wirft er mit der großen Kurbel am Bug den Motor an. Als hätte man einen Drachen aus einem hundertjährigen Schlaf geweckt, stößt er erst ein paar Rauchschwaden aus, dann spuckt er Feuer, und dann ist die Bestie wieder da.

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Einen Meter über dem sandigen Boden kauere ich in einer winzigen grünen Wanne, klemme fest zwischen einem mit Leder bespannten Holzbrett im Rücken und dem riesigen Lenkrad vor dem Bauch. Direkt an meinen Füßen rotiert die offene Kupplung, unter mir schabt die Welle zur angetriebenen Hinterachse, und vor mir ist nichts als Motor. Der stottert noch ein bisschen und verschluckt sich mit Donnerschlägen, die meilenweit über den Strand hallen: Doch nach ein paar Minuten läuft er. Der Ritt auf der Rakete kann beginnen.

Mit sanftem Nachdruck zwinge ich den Schaltknüppel durch die Messing-Kulisse in den ersten Gang, lasse vorsichtig die schwere Kupplung kommen, bevor meine Wade die Kraft verliert. Noch nie haben sich 260 Pferdestärken derart wild und wütend angefühlt. Ein Ferrari oder ein McLaren sind dagegen handzahm und friedlich und vor allem hoffnungslos unterkühlt.

Der 12,3 Liter große Reihenvierzylinder ist der größte Motor, der je bei Opel gegossen wurde
Der 12,3 Liter große Reihenvierzylinder ist der größte Motor, der je bei Opel gegossen wurde
Quelle: Walter Tillmann

Mit einer unglaublichen Kraft schiebt der Wagen geradeaus. Ich will noch gar nicht daran denken, wie ich ihn um die Kurven zwingen soll. Selbst wenn das Lenkrad für den besseren Grip mit einer groben Schnur umwickelt ist. Erst recht nicht, nachdem mir Cooper erzählt hat, dass der Wagen damals 80.000 Mark gekostet hat und heute mit über einer Million Euro versichert ist.

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Als wäre das nicht schon Druck genug, hat er auch noch davor gewarnt, wie leicht der Hecktriebler ins Schleudern kommen und sich überschlagen kann – natürlich alles ohne Gurte oder sonst eine Sicherheitsausstattung. Nicht einmal einen Helm haben sie mir über den Kopf gestülpt. Gut, dass es hier am Strand von Fanö immer schön gerade ausgeht. Mit dem Schalten hat man schon genug zu tun. Ans Lenken und ans Bremsen mit dem Pedal ganz rechts oder besser mit dem noch längeren Hebel neben der Schaltung, will man da gar nicht denken.

Tempo 50 fühlt sich an wie Schallgeschwindigkeit

Aber wer denkt schon ans Bremsen in einem Renner, der für Geschwindigkeitsrekorde gebaut worden ist. Die hüfthohen Speichenräder wirbeln den Sand in die Luft, der Wind pfeift mir um die Ohren, und jedes Mal, wenn irgendwo noch ein bisschen Wasser von der letzten Flut steht, klatscht mir eine Ladung nasser Matsch ins Gesicht. Das kommt davon, wenn man sich aus der Deckung der viel zu kleinen Scheibe traut, die sie hinter das Lenkrad gesteckt haben. Dabei habe ich das Gas noch nicht einmal zur Hälfte durchgetreten und es erst in den zweiten Gang geschafft.

Trotzdem glüht bereits der hoch oben entlang des Wagens nach hinten geführte Auspuff, der dick ist wie ein Ofenrohr. Mir brennt jeder Muskel, so hart muss ich mit dem alten Opel ringen. Doch irgendwann habe ich den Wagen zumindest soweit im Griff, dass ich ihn heil über den Strand bugsiert bekomme.

Die Auspuffrohre sind so dick wie bei einem Kanonenofen – und ähnlich heiß
Die Auspuffrohre sind so dick wie bei einem Kanonenofen – und ähnlich heiß
Quelle: Walter Tillmann

Auch wenn ich weit entfernt bin von den halsbrecherischen Geschwindigkeiten, die Carls Jörns damals gewagt hat. Doch wenn die Erde bebt, der Sand meterhoch spritzt und einem der Wind um die Nase weht wie ein Orkan, dann fühlen sich selbst Tempo 50 oder 100 an wie Schallgeschwindigkeit. Kein anderer Opel hat je so viel Laune gemacht wie dieser.

Am Ende der Fahrt habe ich zwar meine Angst besiegt und das grüne Monster gezähmt, doch die Knie schlottern mir weiterhin. Aber schließlich bin ich auch gerade auf einer Rakete geritten.

1922 stellte Rennfahrer Carl Jörns am Steuer des "grünen Monster" einen Geschwindigkeitsrekord auf
1922 stellte Rennfahrer Carl Jörns am Steuer des "grünen Monster" einen Geschwindigkeitsrekord auf
Quelle: Opel

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