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Pop Madonna in Köln

Sie springt nicht mehr, sie schreitet

Lang lebe die Königin: Madonna auf Tour Lang lebe die Königin: Madonna auf Tour
Lang lebe die Königin: Madonna auf Tour
Quelle: WireImage for Live Nation
Noch einmal reist Madonna um die Welt, um ihr Lebenswerk zu feiern und sich selbst. Ihre „Celebration“-Show erzählt ihre Geschichte von den Achtzigern bis heute. Dabei fällt ihr eigenes Alter weit weniger auf als das ihres Publikums – es ist auch ein anderes als früher.
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Achtundsiebzigmal wird sie das also insgesamt machen: zu diesem stumpfen Stampfen, das einmal „Get into the Groove“ war über die dreigeteilte Bühne tänzeln. In einem gläsernen Aufzug gen Hallenhimmel gehoben werden (zu „Live to Tell“), „I Will Survive“ von Gloria Gaynor mit der Akustikgitarre covern, breitbeinig auf einem Lottersofa sitzen (zu „Erotic“). Madonna wird sich bis zum Ende ihrer „Celebration“-Tournee auch beinahe achtzigmal an Weggefährten erinnern, die als schwarz-weiße Großfotos erscheinen und verschwinden – verloren an Aids, an Drogen, an das wilde Leben, das auch Madonna mal gelebt hat und das man ihr mit ihren 65 Jahren doch kein bisschen ansieht.

„I like to keep my past close to me“, sagt Madonna an diesem Mittwochabend in Köln. Sie hat ihre Vergangenheit gern in der Nähe, genauso wie ihre Kinder, die jetzt mit ihr auftreten. Madonna ist, anders gesagt, ganz bei sich hier in der Lanxess-Arena. Die beiden Shows hier bilden die erste Station ihrer Tournee in Deutschland, bevor es am 28. November nach Berlin weitergeht. Alles an „Celebration“ ist Selbstzitat. Der Conferencier und Anheizer Bob the Drag Queen trägt zu Beginn ein Marie-Antoinette-Outfit, wie Madonna es bei den MTV-Awards 1990 getragen hat. Da ist die Hochzeitstorte auf der Bühne wie bei ihrem ersten MTV-Auftritt von 1984, da ist der berühmte Jean-Paul-Gaultier-Kegel-Büstenhalter, ebenfalls von 1990, aber in einer variierten Fassung.

Zu Beginn des Konzerts, das mit eineinhalb Stunden Verspätung um zehn Uhr abends beginnt (was kümmert Madonna der Bahnstreik?), sehen wir noch einmal jene Welt, in der Madonna Louise Ciccone zu Madonna wurde: das CBGB, die Lower East Side, die Clubs von Manhattan. Diese früheste Madonna-Phase ist sehr schön anzusehen, doch das ist auch ihr Problem: Die New-Wave-Punk-Madonna lässt sich nur schwer vierzig Jahre später in einer Multifunktionshalle vor 16.000 Menschen reproduzieren. Die Kostüme ihrer Truppe im ersten Akt mit seinen sieben frühen Songs sind vielleicht etwas zu akkurat gefertigt – man sieht hier zu „Burning Up“, „Open Your Heart“ und „Holiday“ im Wesentlichen ein New-Wave-Musical.

Ein neues Gesicht, aber immer noch ihres

Aber so ist das eben mit Rückblicken. Während andere Legenden sich gegen Ende ihrer Karriere in Las Vegas engagieren lassen und dort Abend für Abend dieselbe Show abliefern, macht Madonna die Welt zu ihrem Las Vegas. Bisher hatte sie sich geweigert, groß zu touren, ohne zugleich ein neues Album vorzustellen. Das ist nun anders. Endlich gibt es alle Superhits an einem Abend. Und Madonna, die ihrem Gesicht zu Beginn des Jahres einen neuen, V-förmigen, freaky Look aus der Wunderkammer der plastischen Chirurgie verpasst hatte, sieht heute tatsächlich richtig gut aus. Es ist ein neues Gesicht, das sie trägt, aber immer noch ihres.

Nicht immer macht so ein Starkörper alles mit. Ende Juni, mitten in den Vorbereitungen zur Tournee, erkrankte die Künstlerin an einer bakteriellen Infektion, die sie für mehrere Tage auf die Intensivstation schickte. Doch Madonna erholte sich. Es folgten sechs Wochen intensive Proben, und man muss sagen: Das sieht man. Jede Minute der Show ist durchchoreografiert, wirkt dabei aber gar nicht starr. Eine Liveband gibt es nicht, insgesamt 24 Performer sind mit ihr auf der Bühne. Diese Bühne ist groß.

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Die Queen of Pop selbst springt nicht gerade herum, aber warum sollte eine Königin auch springen? Sie schreitet, während ihre Tänzerinnen und Tänzer deutlich schneller sind, ähnlich den Motorradstaffeln, die sich zwischen VIP-Fahrzeugkolonnen und den zu sichernden Kreuzungen hin- und herbewegen, wobei der Schwarm insgesamt intakt bleibt. Es ein Kokon der durchtrainierten Leiber in Club-Kid-Outfits, wie aus der tollen Serie „Pose“, oder in schwarzen SM-Masken wie bei „Like a Prayer“, das mit seinem erotischen Ritualkatholizismus einmal mehr zeigt, wie genial Madonna (pop)kulturelle Tropen miteinander kurzschließen kann – und man zu dieser komplexen intellektuellen Leistung trotzdem immer mitsummen kann.

Dass bei ihr jetzt auch Frauen oben ohne auftreten, ist neu, aber nur konsequent – Madonnas Kuss mit Britney Spears von 2003 wiederholt sich mit einem Britney-Double. Ein Kenner weist darauf hin, dass es auch bei dieser Tournee zwar viel Diversity gibt im Bühnenteam, eins aber würde man bei ihr nie sehen: eine Background-Tänzerin, die ebenfalls blond ist. Der schon früh zum Markenzeichen gewordene Marilyn-Monroe-Ton bleibt allein dem Star vorbehalten. „Blond Ambition“ eben, wie ihre legendäre Tournee von 1990 hieß.

Madonnas „Celebration“-Show ist aber da am besten, wo sie auch mal düster wird, wo es nichts mehr zu feiern gibt. Zu der Ballade „Live to Tell“ von 1986 schwebt sie in einem Glaskasten über der Menge. Auf riesigen Fotos sieht man Weggefährten, die viel zu früh gestorben sind, wie Martin Burgoyne, der nur 23 Jahre alt wurde, das Artwork für „Burning Up“ entwarf und mit der Sängerin zusammenwohnte, bevor er 1986 Aids starb. Auch die Darbietung von „Don’t Tell Me“ mit ihrem Cowboy-Outfit vom „Music“-Album von 2000 ist stark. Hier ist Madonna stimmlich näher an ihrem Selbst von 2023.

In den nicht so dollen Momenten erlebt man bei „Celebration“ ein Kreuzfahrtshowgefühl. Es rummst und blitzt und glitzert, man sitzt da nun, es gehört halt alles zum Package, man kann so schnell eh nicht weg, es ist insgesamt okay, aber auch ein bisschen peinlich, dass alle so alt sind und sich die wilden Jahre nochmal gemeinsam anschauen. „Four Decades“ lautet die Unterzeile dieser Welttournee – vierzig Jahre öffentlicher Dienst am Pop.

Madonna auf ihrer „Celebration“-Tour
Madonna auf ihrer „Celebration“-Tour
Quelle: WireImage for Live Nation
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Madonna zählt heute zum Empire, wie der Schriftsteller Bret Easton Ellis das nennen würde. Ihre Musik kann man immer noch überall spielen, aber sie ist eben eine Künstlerin der Boomer-Generation, was man zum Beispiel daran merkt, dass trotz ihrer jahrzehntelangen LGBTIQ-Anwaltschaft und der lebenslangen Nähe zu schwulen Ikonen praktisch keine jüngeren Queers den Weg in die Lanxess-Arena gefunden haben – das ist bei Lady Gaga oder Beyoncé deutlich anders.

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Das Madonna-Publikum ist eher normal, hat graue Haare und bald das Haus abbezahlt – das sollte man vielleicht auch, wenn man mehrere hundert Euro für einen guten Sitzplatz investieren muss. Wir befinden uns im Mainstream, aber im intelligenten Mainstream. Madonna reflektierte in ihrer Musik immer schon, wo sie gerade steht, und wie die Welt sich relativ zu ihr bewegt hat.

„I am just as surprised that I am here“, sagt sie ganz zu Beginn zum Publikum in „Cologne, Germany“. Offen bleibt, ob sie damit, ihrer Überraschung, hier zu sein, ihren Lebensweg insgesamt meint – von einer jungen ehrgeizigen Frau aus einem Vorort von Michigan ins Kulturkriegsgebiet der Lower East Side im New York der späten Siebziger, dann zu weltweitem Ruhm in der Superstardekade der 1980er, in der sie – immer nur unter anderem – in großen Filmen spielte, ein erfolgreiches Plattenlabel gründete und, das war schon 1992, in ihrem Bildband „SEX“ die zeitgenössische Sexualität mitbefreite.

Oder meint sie ihre Erkrankung in diesem Sommer? Wahrscheinlich beides. Madonna ist unbezwingbar, weil sie keine Angst hat. Nicht einmal vorm Älterwerden.

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