Es sind die Bedrohungklischees, die das nihilistische Blockbusterkino so schön machen. Die Welt ist verrückt, die Zeit aus den Fugen, die Realität imitiert wahlweise das schlechte Fernsehen oder einen internationalen Bad-Hair-Contest. Etwa so.
Als die Finanzkrise 2008 unvorstellbare Mengen Geld vernichtete, war es „The Dark Knight“, der das gültige Bild dafür fand. Er sei nur an billigen Dingen interessiert, sagte der Joker, an Schießpulver und Benzin, bevor er einen gewaltigen Berg aus Geldscheinen in Brand setzte und munter die Flammen anschaute.
Der Comicfilm „Suicide Squad“ handelt nun davon, wie die Psychopathen und Verrückten, die zynischen Kreaturen und gefräßigen Nihilisten, die Dampframmen und Egomonster auf die Menschheit losgelassen werden, als Vorbilder, als Berserker der Tat, die sich um Legitimation und Folgen wenig scheren. Hauptsache, der Applaus stimmt.
Nicht die Superhelden, sondern die Irren übernehmen diesmal das Zepter der Aktion. Und müsste das nicht der Film zur Zeit sein, das popkulturelle Barometer einer ebenso konkret wie unbestimmt unbehaglichen Gegenwart, in der Populisten und Autokraten frei agieren und sich unbeschwert der öffentlichen Zustimmung sicher sein können, während alte Gewissheiten schneller flöten gehen, als der Joker Buh sagen kann?
Andererseits hieße das, die höheren Gefilde der Alchemie zu erreichen und Gold zu schaffen, wo Blei ist. „Suicide Squad“ ist eine Comicverfilmung des gebeutelten und glücklosen DC-Studios, das anders als Christopher Nolans Batman-Trilogie keine höheren Weihen mehr anstrebt, sondern bloß wirtschaftlich überleben will. Comicfilme sind, anders als Schießpulver und Benzin, ja sauteuer.
Der Joker taucht in „Suicide Squad“ auf wie ein kalter Fisch aus einem Eisloch. Doch seine Sätze sind mäßig interessant und die Taten bedauerlich vorhersehbar. Jared Leto spielt die faszinierendste Schreckensfigur aller Comics als dürren Börsianer des Bösen, ein psychosexueller Hasardeur und Zuhälter. Seine hübschen Szenen sind vornehmlich wegen künftiger Filme zu sehen.
Der Film ist eigentlich bloß ein Trailer
Der Joker bleibt nur ein Versprechen. Wie schon „Batman vs. Superman“ ist nämlich auch der Auftritt des Schurkenteams ein gigantisches Vorspiel für kommende Grobtaten. Man sitzt im Kino ja mittlerweile, um zu wissen, wie es demnächst bald vielleicht weitergehen wird, nicht unmittelbar. (Das ist dann auch sauteuer.)
Deshalb spinnt der Film die DC-Saga weiter. Superman ist vorübergehend unabkömmlich, Batman huscht lemurenhaft durch die Szenerie, für die Weltenrettung derzeit ebenfalls unzuständig. Also öffnen die Hochsicherheitsgefängnisse ihre Tore, um die Schlimmsten der Schlimmen zur Unhold Inc. zusammenzustellen, gelenkt von einer Meisterin des unbewegten Gesichtsausdrucks, deren ganze Härte tödlich ernst ist (der Regierungsbeamtin Amanda Waller, gespielt von Viola Davis).
Als da sind ein australischer Bumerangwerfer, ein schuppiger Space-Akne-Mensch namens Killer Croc, eine Ninjakriegerin, der Feuerspucker El Diablo. „Meta humans“ werden die Mordbuben genannt. Meta ist Auszeichnung und Verheißung, egal was die Altgriechen sagen. Meta ist das neue Mega.
Anführer sind der Auftragsmörder Deadshot (dem Will Smith eine gewisse Würde verleiht, schon weil er mehrfach von seiner Tochter angefleht wird, bitte vernünftig und lieb zu sein) und Harley Quinn (Margot Robbie), die den Film in klassischem scene stealing an sich reißt. Quinn ist eine Psychiaterin, die sich in den Joker verliebt und seit 1992, als sie zuerst in einer animierten TV-Serie auftauchte, die Comicfans verzückt, entspricht sie doch perfekt dem Klischee der attraktiven, feministisch-selbstbewussten Schlägerin.
Harley Quinn wurde als Jokers love interest lange harlekinesk mit albernen Schellen auf dem Kopf gezeichnet. Nun ist sie Kriemhild, Tank Girl, Lara Croft, eine lustige Meta-Emanze mit einem Meta-Baseballschläger. Mit aufgerissenen Kajalaugen und Flutschmund erscheint sie als böse Wiedergängerin von Nina Hagen, die ihrer Lust am Kaputtmachen und Köpfezerdeppern frönt. Damit es vor lauter Anarchie nicht allzu subversiv wird, ist ihr blondes Haar in den nationalen Farben Weiß, Blau und Rot gefärbt. Achtung, auch moralische Scheusale kennen den amerikanischen Meta-Patriotismus.
Die Dramaturgie ist simpel und richtet sich nach Robert Aldrichs unvergessenem „Das dreckige Dutzend“ von 1967: Rekrutierung, Ausbildung, Erprobung, Stürmung. Für das Teambuilding aus dem Führungskräfteseminar steht ein zackiger Soldat zur Verfügung (Joel Kinnaman), der in „House of Cards“ den republikanischen Präsidentschaftskandidaten spielt, was die Trump-Allegorien im Film noch verstärkt.
Cara Delevingne als hübsche Hexe
Damit das dreckige Halbdutzend in keine ethischen Abgründe blicken muss, geht es gegen zombieartige Wesen, gelenkt von einer Hexe. Die als Model sehr begabte Cara Delevingne fuchtelt mit den Armen, sodass man sich wünscht, sie hätte ebenfalls einen Baseballschläger, um sich damit irgendwie zu beschäftigen. Aber nein. Unaufhörlich wiegt sie umher und starrt dabei mit Kontaktlinsen Plotlöcher in die Luft, als gäbe es ein Sponsoring von der Augenoptikerinnung.
Über Strecken ist der Film nicht so schlecht wie befürchtet, gut aber auch nicht. Aufwendig wurden Nachdrehs verordnet, weil die Selbstmördertruppe zu wenig von der Sorte zynischer Humor bewies, die bei den Marvel-Filmen erfolgreich ist, zuletzt bei „Deadpool“.
Etliche Szenen mit dem Joker, die in Trailern zu sehen waren, fehlen jetzt. Mit zwei Stunden Länge ist das Werk erstaunlich kurz, es wirkt zusammengehackt und eher notdürftig verleimt. Der Humor ist eher so der Marke „Na ja“. Die Figuren stolpern, wo sie tanzen könnten, sie scheinen im Zaumzeug zu stecken, wo sie freilaufen sollten. Nur Harley Quinn darf sich gemäßigt austoben.
Die Angst vor Courage und Radikalität steckt in vielen Bildern. Gerade das Angepasste dieser Rebellen wirkt gaga und zugleich zeitgemäß. Vor der Familientauglichkeit muss eben alles zurückstehen, auch selbst gezogener terreur. Wenn aber Donald Trump weit unkalkulierbarer und rücksichtsloser erscheint als die Fiesesten der Fiesen, wo bleibt dann das Selbstmörderische? Und natürlich kommt keiner auf die Idee, von der Suicide Squad auf Selbstmordattentäter zu schließen, eine Parallele, die schon sprachlich naheliegt.
Die DC-Comicfilme unterbieten sich in schöner Regelmäßigkeit. Es fehlt an Rhythmus und Stil, sie ersticken fast alle an falschem Pathos und gedehnt-leeren Untergangsbildern, die ein Lieblingswerkzeug von Zack Snyder sind. Das Mastermind des DC-Universums hat mit „Batman vs. Superman“ wütende Proteste hervorgerufen, auch in „Suicide Squad“ ist seine Handschrift zu sehen, stärker als die des Regisseurs David Ayer.
Wonder Woman wirft ihr Lasso wieder
Es mangelt an Charme und im Gefolge auch essenziell an Coolness. Über kommenden DC-Produkten hängen dunkle Wolken. Snyder selbst wird in „Justice League“ ein weiteres Superteam zusammenbringen, Wonder Woman soll ihr Lasso werfen. Ben Affleck wird einen Batman-Film als Hauptdarsteller und Regisseur betreuen.
Einmal trifft sich die Squad in einer Kneipe, sie reden, trinken, albern. Da bekommt man eine Ahnung, wie amüsant und staatsfern bad asses sein können. Es ist nicht alles schlecht. Man muss die Figuren vor diesen Inkarnationen in Schutz nehmen. Die wahre Suicide Squad sitzt in den Produktionsetagen und träumt davon, endlich so meta-clever und einträglich zu sein wie die Konkurrenz. Sorry, das kann auf absehbare Zeit nicht einmal der Joker richten.
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