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Kultur Berliner Staatsballett

Dem Tanz gehen die Talente aus

Freier Feuilletonmitarbeiter
Szene aus Marcos Moraus Stück „Overture“ Szene aus Marcos Moraus Stück „Overture“
Szene aus Marcos Moraus Stück „Overture“
Quelle: Serghei Gherciu
Christian Spuck soll dem skandalgeschüttelten Berliner Staatballett wieder auf die Beine helfen. Jetzt geht seine erste Saison als Chef mit einem zweiteiligen Abend zu Ende. Wirklich überzeugend ist das nicht. Aber die Krise des Balletts reicht weit über Berlin hinaus.
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Der Anfang ist das Ende – der ersten Saison. „Overture“, so ist, vielleicht wirklich ein wenig selbstironisch – die letzte von drei großen Ballettpremieren betitelt, mit der in dieser Spielzeit der aus Zürich nach Berlin gewechselte Christian Spuck das in der Hauptstadt daniederliegende Staatsballett wiederaufrichten wollte, ihm Haltung und Attitüde, einen Stempel, neuerlich eine DNA geben wollte. Alles das, was eine führende Tanzkompanie eben heute so braucht und was immer schwieriger zu erreichen ist, weil gegenwärtig die kreativen Köpfe in dieser Sparte so extrem rar geworden sind.

Erst hat Spuck mit der tragödienschnittigen, aber ohne allzu viel Tiefgang auskommenden „Bovary“ sein Erzähl-, Dramaturgen- und auch Charakterisierungstalent vorgeführt. Es folgte der schnell abgehakte Zweiteiler „2 Chapters Love“ mit der Uraufführung eines konfus-müden Stücks von Sol Léon und einer weiteren Variation von Sharon Eyals Techno-Exerzitien.

Als dritte Novität gab es einen kompletten William-Forsythe-Abend mit drei Werken aus unterschiedlichen Forsythe-Epochen. Nichts dagegen zu sagen: Spuck konnte vor seinem Idol einen Kratzfuß machen; man bekommt drei sehr gute Stücke neu ins Repertoire; der 74-Jährige konnte einmal mehr sein choreografisches Talent feiern lassen, und die Berliner Tänzer, die sonst nur scheibchenweise in gemischten Abenden mit dessen kreativen Nährwerten gefüttert worden waren, machten bella figura.

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Als vierte Premiere war nun als langerwartete Uraufführung eben „Overture“ von Marcos Morau zu sehen, der für drei Jahre als Artist-in-Residence berufen ist. Den 42-jährigen Spanier hatte Spuck schon bestens in Zürich eingeführt, sein so mitreißendes wie zweifelhaftes „Nachtträume“ über Masse und Macht, Wille und Vorstellung ist dort ein beständig ausverkaufter Publikumshit. So weit wird es mit der Berliner Novität nicht kommen.

Der vielfach preisgekrönte Morau, der nie Tänzer war und auch nicht Choreografie studiert hat, wurde ab 2005 vor allem mit seiner Gruppe La Veronal bekannt. In Berlin ist er seit 2014 regelmäßiger Festivalgast. Meist erzählt er rätselhafte Geschichten in stimmungsvollem Ambiente, seine Stücke sind mehr gestellt oder gespielt denn getanzt.

Für sein jüngstes Opus musste es jetzt als superatmosphärische Klangmanipulation Gustav Mahlers 5. Sinfonie sein. Aber nicht als ein Sich-einlassen auf das Werk. Das dient, auf pflegeleicht konsumierbare drei Sätze eingedampft (wofür trotzdem eigens die Staatskapelle unter dem vorschriftsmäßigen Marius Stravinsky anrücken musste), einfach nur als Aufputschmittel, um „die Vergänglichkeit des Menschen und die Transformationsfähigkeit von Gesellschaften“ zu verhandeln.

„Angels’ Atlas“ von Chrystal Pite am Berliner Staatsballett
„Angels’ Atlas“ von Chrystal Pite am Berliner Staatsballett
Quelle: Serghei Gherciu

Nun ja, vor allem gab es in „Overture“ etwa 35 Minuten eine possierlich wogende, harmonische Masse in folkloristischen Unisexstrickkleidchen zu sehen, die bemüht war, eine schwarze Säule aufzurichten – und wieder niederzulegen. Dazu fuhren weitere Säulen rauf und runter. Ein wenig geredet wurde auch. 36 Tänzerinnen und Tänzer. Sisyphos ballettexitenzialistisch. Irgendwie ging man mit leerem Zuschauermagen in die Pause.

Der füllte sich auch hinterher nicht sonderlich. Denn auch „Angels’ Atlas“ der Kanadierin Chrystal Pite war keineswegs gehaltvoller. Jetzt schritten, in schwarzflattrig geschlitzten Unisexhosen, 35 Tänzerinnen und Tänzer mit barmenden Betgesten einher. Sie strecken die Armen und Köpfe gen Himmel, isolierten sich neuerlich, fanden zu Paartänzen zusammen, an deren Ende meist einer sterbend darnieder sank.

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Auch dazu wurde – freilich nur vom Band – musikalisch großes Pathosbesteck ausgepackt. Und während die Rückwand dank eines ausgeklügelten Lichtsystems aussah wie eine Mischung aus Polarnacht, psychedelischem Fruchtblasensurfen und Oberammergauer Apotheose, spulte sich alles halt so ab. Kaum vorbei, schon vergessen.

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Will man aus so einer dürftigen, kurzen, belanglosen Zusammenstellung als Tanzpremiere Christian Spuck einen Vorwurf drehen? Mitnichten, denn auch sonst ist die internationale Szene gegenwärtig nahezu leergefegt von echtem, vielschichtigem Talent. Da werden die paar glanzvollen Figuren überall herumgereicht, die Spitzenkompanien bekommen Originales, die anderen dürfen nachspielen. Die Repertoirelisten ähneln sich, das ist in Frankreich, England und den USA nicht anders als in Deutschland. Die Protagonisten bestimmen, was auf den Tanztisch kommt. Und das ist doch sehr dürftig.

In Berlin will sich Spuck, das ehrt ihn, ganz auf den Aufbau der Kompanie konzentrieren. Deshalb gibt es von ihm in der nächsten Saison nur ein altes Zürcher Stück – die „Winterreise“. Marcos Marau ist so beschäftigt, dass er gar keine Zeit mehr für Berlin hat, dafür gibt es jeweils zwei Zweiteiler mit Abgehangenem von Ohad Naharin und schon wieder Eyal, von Jiri Kylián und schon wieder Pite. Und der ebenfalls höchstens nette Edward Clug zimmert einen „Sommernachtstraum“ zusammen. Immerhin zu einem Kompositionsauftrag.

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