WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Maler Horst Antes: Wer die Bundesrepublik mit Kopffüßlern besiedelte

Kultur Maler Horst Antes

Wer die Bundesrepublik mit Kopffüßlern besiedelte

Horst Antes, „Skizze grüne Fig. grün“, 1970 Horst Antes, „Skizze grüne Fig. grün“, 1970
Horst Antes, „Skizze grüne Fig. grün“, 1970
Quelle: VG Bild-Kunst, Bonn 2023; © Horst Antes/Courtesy Galerie Knoell AG
Horst Antes war mal weltberühmt in Westdeutschland und seine Gemälde und Skulpturen bei Kunstsammlern überaus beliebt. Dann wurde er vergessen. Sein künstlerischer Sonderweg fasziniert aber noch immer.

Basel, wo es am nobelsten ist. Unversehrte Plätze, schmale Gassen, durch die der humanistische Geist wie ein ewiges Versprechen weht. Ein paar Schritte zum Münster. Ein paar Schritte zur ehemaligen Galerie der Kunsthändlerlegende Ernst Beyeler. Dort hat Carlo Knoell seine Galerie.

Unweit das väterliche Rahmengeschäft, wo sich Museumsleute aus aller Welt historische Fassungen für ihre Schätze zeigen lassen. Und Fans alter Bücher im berühmten Antiquariat ein paar Häuser weiter ihr Paradies haben. Aufgehobener kann eine Unternehmungsgründung nicht sein.

Eine Handvoll Jahre ist der agile junge Mann im Geschäft. Nach einer Lehrzeit bei den Auktionshäusern Koller in Zürich und Grisebach in Berlin sowie in der Galerie Michael Werner in London hat er sich mit einem soliden Statement zur konstruktiv-konkreten Kunst als Händler selbstständig gemacht.

Max Bill, Karl Gerstner, Verena Loewensberg, Georges Vantongerloo, Josef Albers – sie zählen zu den verlässlichen Stützen des Programms. Sie prägen auch einen kunsthändlerischen Stil, der sich mehr an erwiesener Qualität orientiert als an Behauptung und Experiment.

Lesen Sie auch

Dem gediegenen Ambiente entsprechend, ähneln die Ausstellungen am Baseler Luftgässlein stets einem gepflegten Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Und es konnte gar nicht ausbleiben, dass die Galerie vom Start weg Aufmerksamkeit gefunden hat.

Bereits in der Vor-Corona-Zeit war Knoell zur Teilnahme an der wählerischen Kunstmesse Art Basel eingeladen worden. In der Zwischenzeit hat er seinen festen Standplatz dort. Und dass er bei der Art Basel in Miami Beach auftritt, gehört auch schon zur Tradition.

Galerie Knoell in Basel würdigt den frühen Horst Antes

Inzwischen hat Carlo Knoell das Künstlerset beträchtlich ausgeweitet und sein Profil weiter geschärft. Mit Sonja Sekula, Irène Zurkinden, Meret Oppenheim, Agnes Martin oder Miriam Cahn ist das Spektrum nicht nur weiblicher geworden, sondern auch künstlerisch gewichtig erweitert worden. Wenn Knoell in den Depots der neueren Kunstgeschichte kramt, dann bleibt das nie ohne Entdeckung.

Meyer Riegger, die befreundeten Galeristenkollegen in Karlsruhe und Berlin, haben nun Knoells Interesse für das Werk des fast vergessenen Horst Antes geweckt. Und ein Besuch im italienischen Atelier des 86-jährigen Malers hat nun eine konzentrierte Ausstellung möglich gemacht, die man wie eine Zeitreise in die unendlich fern liegenden Sechzigerjahre erlebt.

Antes-Gemälde „Helmkopf 1“ von 1968/69
Antes-Gemälde „Helmkopf 1“ von 1968/69
Quelle: VG Bild-Kunst, Bonn 2023; © Horst Antes/Courtesy Galerie Knoell AG

Antes war mal ein „Star“, als die Erfolgsbezeichnung noch gar nicht im Umlauf war. Mit seinen „Kopffüßlern“ – körperlosen Großschädeln, die wie Helme auf verborgenen Monstern zu sitzen scheinen – hatte er sich ein ungemein einprägsames Identitätsmerkmal geschaffen.

Anzeige

Befremdet, ziemlich ratlos stand das zeitgenössische Publikum vor den humanoiden Geschöpfen, Anfang der 1960er-Jahre war das. Und weil es noch keine Computerspiele gab und kaum Außerirdische im Kino, kam einem die Art wie eine unverständliche Botschaft aus dem Kunstjenseits vor.

Was war das für eine seltsam disziplinierte Malerei, die ganz offensichtlich mit der beherrschenden Nachkriegsauseinandersetzung über die Abstraktion nichts zu tun haben wollte? Denn so recht zu entscheiden war es nicht, ob Antes’ figürliche Obsession mehr der gegenständlichen oder doch der ungegenständlichen Klasse zuzurechnen ist.

Man dachte an Picasso, dessen nachkubistische Figuration auch so unentschieden zwischen realistischer Klassizität und surrealer Verformung oszilliert. Aber anders als der spanische Meister der Selbstdarstellung blieb der Karlsruher Maler Antes stets im Hintergrund – unerkannt und der nachfolgenden Generation fast unbekannt.

Nicht dass es, zumindest bis in die 1980er hinein, an Ausstellungen gefehlt hätte. Auch sorgten die Antes-Sammler für moderate, dafür stete Preissteigerungen. Nur der Künstler wich jeder Gelegenheit zum großen Auftritt aus, ließ es geschehen, dass Profile des Glatzkopftypus zu Auflagenobjekten geschmiedet wurden. Noch heute stehen die Skulpturen da und dort in den Vorgärten und gemahnen einsam rostend an die heiße Saison, die sie einmal hatten.

Antes-Skulptur „Platz der Köpfe“ vor dem ZDF-Sendezentrum in Mainz
Antes-Skulptur „Platz der Köpfe“ vor dem ZDF-Sendezentrum in Mainz
Quelle: pa/JOKER/Helmut Metzmacher

Horst Antes hat den Boom nicht kommentiert. Er hat kein Manifest verfasst, keinen dunkel raunenden Essay geschrieben wie Ernst Wilhelm Nay, keine pädagogische Unterweisung wie Willi Baumeister, keine vierbändigen Erinnerungen wie Karl Otto Götz. Es gibt keine oder kaum Interviews mit ihm. Texte über ihn haben alle ihr beträchtlich vorgerücktes Alter. Und wer den Professor an der Karlsruher Kunstakademie erlebt hat, erinnert sich an einen knorzig-netten, ziemlich maulfaulen Lehrer.

So ist es ganz nach der Logik des dauerbeschleunigten Kunstbetriebs, dass viele gar nicht mitbekommen haben, dass der Maler längst woanders war, dass ihn jetzt Hände interessierten und dass er seine Kopfschemen alsbald um 90 Grad drehte, um ihnen in debil dämonische Gesichter zu blicken und sie später ganz von der Bühne zu holen. Dafür entwarf er Häuser in Bauklötzchenmanier und begann, die Räume mit allen möglichen Gerätschaften, mit Rohren, Leitern, Treppen zu verstellen.

Sensible Setzung der Farben

Harmloser, spielerischer ist die Antes-Geschichte darüber nicht geworden. Und sein Geheimnis hat das Werk nie verraten. Bis heute geht von diesen Bildern etwas eigentümlich Abweisendes aus, so als wollten die Bilder ihre Betrachter auf Abstand halten. Und die Magie, die sich ungemein frisch erhalten hat, geht noch immer mit einem Gefühl beunruhigender Kälte einher.

Anzeige

Was aber im Rückblick ungleich deutlicher zu sehen ist, das ist die malerische Raffinesse, die hochsensible Setzung der Farben, die umso mehr Gewicht bekommt, je schlichter sich die Bilderzählung geriert, je aufgeräumter der Bildraum erscheint, je absichtsloser das Bildthema anmutet.

Horst Antes, „Großes Bild mit Leiter und Scheibe“, 1969
Horst Antes, „Großes Bild mit Leiter und Scheibe“, 1969
Quelle: VG Bild-Kunst, Bonn 2023; © Horst Antes/Courtesy Galerie Knoell AG

Es ist nicht falsch, wenn man Antes’ Werk eine existenzialistische Grundierung nachsagt. „Einsamkeit“, „Unbehaustheit“, „Geworfenheit“, „Hineingehaltenheit“ – zum modischen Idiom der frühen Bundesrepublik haben die Bilder verführerische Illustrationsdienste geleistet. Aber es ist eben nicht alles, was sich über sie sagen lässt. Vielleicht haben sie wirklich erst historisch werden müssen, um zu erkennen, was sie unvergänglich macht: malerische Kultur, das Zusammenspiel von Licht und Schatten, die feinen Valeurs im dominanten Farbklima.

Erinnert sich noch jemand an die Zeit? Ringsum koloristische Feuerwerke, Triumphe der Abstraktion, Triumphe der Pop-Art. Horst Antes entscheidet sich für das Unbunte inmitten des Bunten, für einen malerischen Minimalismus. Wenn man vor den Sechzigerjahrebildern bei Knoell in Basel steht, dann ist man sich ganz sicher, dass solcher Minimalismus nichts von seiner faszinierenden Strenge eingebüßt hat.

„Horst Antes. Bilder 1967–1973“, bis zum 25. März, Galerie Knoell, Basel

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema