Die südpazifischen Cookinseln können sich mit einem Superlativ schmücken, der leider viele Probleme mit sich führt: In dem Inselstaat lebt ganz offiziell die dickste Bevölkerung der Welt. Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben knapp 51 Prozent der Einwohner einen Body-Mass-Index von über 30. In Deutschland beträgt dieser Anteil etwa 25 Prozent – das ist auch unerfreulich hoch, aber noch weit entfernt von den Cookinseln.
Über die Hälfte der Inseleinwohner leidet also an krankhafter Fettleibigkeit. Das hat drastische Folgen: Adipositas erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Schlaganfälle, die Lebenserwartung verkürzt sich.
Die Cookinseln sind im südlichen Pazifikraum nicht allein mit dem Problem: Auch in Samoa, Tonga, Fidschi, Nauru oder Vanuatu haben viele einfach zu viel auf den Rippen. In der Liste der Länder mit dem höchsten Anteil adipöser Personen finden sich unter den Top Ten gleich acht Länder aus dem südpazifischen Raum. Doch woran liegt das?
Wir begeben uns direkt auf Spurensuche – doch zuvor bist du an der Reihe. Was glaubst du:
Übergewicht im Südpazifik: Mehrere Faktoren spielen eine Rolle
Pauschal kann nicht beantwortet werden, warum die südpazifischen Inselstaaten und insbesondere die Cookinseln in den vergangenen Jahrzehnten mit krankhaftem Übergewicht in der Bevölkerung zu kämpfen haben. Nach Angaben der WHO gibt es mehrere Ursachen. Eine davon liege in der kolonialen Vergangenheit des Archipels begründet.
Im Jahr 1888 wurden die Cookinseln britisches Protektorat, 1901 wurden sie die erste südpazifische Kolonie von Neuseeland, welches damals noch Teil des britischen Empire war. Erst im Jahr 1965 erlangten die Cookinseln ihre Unabhängigkeit. Der Einfluss der britischen Kolonialherren wirkte sich aber drastisch auf die Ernährungsweise der Inselbewohner aus, die sich traditionell vor allem von Fisch und Gemüse ernährten.
Diese traditionelle Ernährungsweise wurde im Laufe der Zeit immer mehr durch importierte, ungesündere Lebensmittel ersetzt. Diesen Zusammenhang fanden britische Forscher der Universität von Oxford in einer Studie aus dem Jahr 2014 heraus. Die vormals naturbelassenen Lebensmittel wurden durch stark verarbeitete Lebensmittel aus der Industrie und Konserven ersetzt. Sie haben einen deutlich höheren Kalorienwert und enthalten oft mehr Zucker.
Wohlstand durch Essen? Gut genährt zu sein wird auf den Cookinseln positiv bewertet
Essen und Festmahle gelten im südpazifischen Kulturkreis auch als ein Zeichen von Wertschätzung. Je mehr dir angeboten wird, desto mehr wirst du respektiert. Hier wird nicht gespart – und sich zurückzuhalten, gilt als unhöflich. Auch diese Einstellung gegenüber Mahlzeiten könnte krankhaftes Übergewicht fördern.
Wie eine Reportage des Radiosenders „Deutschlandfunk Kultur“ aus dem Jahr 2021 beschreibt, könnte zudem ausgerechnet die überdurchschnittlich gute Gesundheitsversorgung in der Region auch schuld am krankhaften Übergewicht sein. Auf den meisten Inselstaaten im Südpazifik, auch auf den Cookinseln, müssen die Einheimischen für ihre Arzt- und Krankenhausbehandlungen nichts bezahlen. Der Staat übernimmt die Kosten für sie.
Viele wüssten durchaus, dass es nicht gesund sei, so viel zu essen und Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck drohen. Aber, so sagt der Mediziner Saia Pauiele gegenüber dem „Deutschlandfunk Kultur“: „Derzeit denken alle: Wir machen, was wir wollen. Sollten wir krank werden, dann kümmert man sich schon kostenlos um uns.“
Hoher Body-Mass-Index: Die Fettmassen könnten auch in den Genen veranlagt sein
Diesen Zusammenhang legen zumindest die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2016 nahe. Zwar beziehen sich die Forschungsergebnisse der Mediziner aus den USA und Polynesien auf die Bevölkerung von Samoa. Doch die Experten halten es für durchaus möglich, dass eine genetische Disposition zum Übergewicht auch bei anderen südpazifischen Inseleinwohnern zu finden ist.
Schuld am hohen Körpergewicht könnte nämlich eine Erbanlage sein, die das Wachstum von Fettzellen fördert. Evolutionär gesehen war das sogar überlebenswichtig, schreiben die Forscher: Den Samoanern sicherte das Sparsamkeitsgen für Fettreserven das Überleben in Zeiten, in denen es nicht genug Nahrung gab. Bis zur Kolonialisierung ernährten sich die Samoaner nämlich fast ohne Kohlenhydrate. Ungefähr jeder vierte Samoaner trägt die Variante des Stoffwechselgens noch heute in sich.
Kampf dem Übergewicht: Das unternehmen Inselstaaten wie Samoa, die Cookinseln oder Tonga
Ein Problem ist auch, dass viele der Inseln im Südpazifik kaum eigene Lebensmittel anbauen. Das liegt unter anderem daran, dass der Tourismus für die meisten Staaten dort die wichtigste Wirtschaftsbranche ist und dort das meiste Geld zu verdienen ist. Statt eigenes Obst und Gemüse anzubauen, werden viele Lebensmittel aus dem Ausland exportiert – meistens auf dem Schiffsweg.
So kommt es, dass eine Vielzahl der angebotenen Lebensmittel in den Supermärkten von Avarua, Suva oder Apia stark verarbeite Produkte mit vielen Zutaten und Konservierungsstoffen sind. Manche Regierungen belegen daher inzwischen ungesunde, importierte Nahrungsmittel mit höheren Einfuhrzöllen. Mit den Mehreinnahmen sollen dann Ausgaben für Krankheitsvorsorge bezuschusst werden.
Auch Fitnessprogramme und öffentliche Sportplätze werden intensiv gefördert. Denn obwohl die Bürger der Cookinseln Sportarten wie Rugby, Cricket oder Netzball lieben, sie selbst treiben nur selten Sport in ihrer Freizeit. Andere Aufgaben haben Vorrang, etwa sich um die Familie zu kümmern oder Arbeiten am Haus zu erledigen, wenn man nicht gerade dem regulären Broterwerb nachgeht.
Das Problem mit den überschüssigen Kilos basiert auf den Cookinseln also auf vielen verschiedenen Faktoren. Die gute Nachricht ist jedoch: Es gibt Lösungen. Ob und wie schnell sie wirken, wird die Zukunft zeigen.
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