In Norwegen auf einen Wal zu treffen ist nichts Ungewöhnliches. Doch nun berichten norwegische Marineexperten von einem äußerst seltsamen Vorfall. In den Gewässern vor der Insel Ingøy im Norden des Landes trafen Fischer am vergangenen Donnerstag auf einen weißen Belugawal.
Das Tier tauchte immer wieder zwischen ihren Booten auf, als sie ihre Netze auswerfen wollten, so der norwegische Fischer Joar Hesten gegenüber dem Lokalsender NRK.
Als der Wal näher kam, konnten die Fischer sehen, dass er eine Art Geschirr trug.
Der Wal war laut Hesten sehr zahm und schien an Menschen gewöhnt zu sein. Er und sein Team hätten den Wal zum ersten Mal gesehen, in Gesprächen mit anderen Fischern aber festgestellt, dass er innerhalb einer Woche bereits mehrmals gesichtet wurde und auch nach anderen Booten immer wieder Ausschau hielt.
Aufgrund des seltsamen Geschirrs des Tieres und der Tatsache, dass er stets versuchte, an den Gurten und Seilen der Boote zu ziehen, informierten die Fischer das Institut für Meeresforschung der norwegischen Arktis-Universität in Tromsø (UiT).
Audun Rikardsen, Professor der Abteilung für Arktis und Meeresbiologie an der Universität, glaubt, dass das Tier möglicherweise aus Russland kommt und dort zu Militärzwecken ausgebildet wurde.
Einen Hinweis darauf liefert der Gurt, den der Fischer Hesten dem Wal abgenommen habe. Darauf stand im Inneren: „Ausrüstung von St. Petersburg“.
Wir wissen, dass in Russland Wale zu Forschungszwecken in Gefangenschaft leben und dass einige von ihnen offenbar freigelassen wurden. Dann suchen sie oft nach Booten.
Erst im April dieses Jahres wurde ein russisches „Walgefängnis“ nach langanhaltenden Protesten aufgelöst. 90 Belugas und elf Orcas wurden in einer Bucht in Wladiwostok festgehalten. Allerdings befand sich dieses „Gefängnis“ im Osten des Landes am Japanischen Meer und erklärt auch nicht, warum der nun entdeckte Beluga eine Art Gurt trug.
Audun Rikardsen und sein Kollege Martin Biuw sind sich einig, dass an dem Geschirr normalerweise eine Kamera oder gar eine Waffe befestigt wird.
Rikardsen hat zur Aufklärung auch russische Wissenschaftler kontaktiert, die ihm jedoch versicherten, dass es derzeit keine wissenschaftlichen Projekte mit Belugas geben würde. Sie verwiesen hingegen auf den russischen Marinestützpunkt in Murmansk.
Bereits in den 1980er-Jahren gab es in der Sowjetunion - wie auch in den USA - Programme, in denen Delfine für das militärische Training rekrutiert wurden. Ihr gutes Sehvermögen, ihre Tarnungsfähigkeit und ihr gutes Gedächtnis machen sie zu effektiven Unterwasserwerkzeugen, unter anderem zum Aufspüren von Waffen, aber auch zur Verteidigung von Marinebasen. Das Programm wurde in den 90er-Jahren beendet.
Im Jahr 2017 berichtete der TV-Sender Swesda, der vom russischen Verteidigungsministerium geführt wird, jedoch, dass die russische Marine erneut Belugawale, Robben und Tümmler für militärische Zwecke in polaren Gewässern trainiert. So seien an der arktischen Küste etwa drei ehemalige Militärstützpunkte für diese Zwecke wiedereröffnet worden. Da das Forschungsinstitut für Meeresbiologie in Murmansk nach ersten Versuchen feststellte, dass Delfine und Robben besser für das Training und das arktische Klima geeignet seien als Belugawale, die empfindlich auf die Kälte arktischer Gewässer reagieren und schnell erkranken, würde man immer stärker auf Delfin-Arten setzen. Im Jahr 2016 soll das russische Verteidigungsministerium demnach fünf Tümmler für 26.000 US-Dollar gekauft haben, wie der „Guardian“ berichtet.
Bei dem in Norwegen entdeckten Beluga kann es sich also durchaus um ein Tier handeln, das von der russischen Marine „aussortiert“ wurde. Das ist allerdings nur Spekulation. Bisher hat sich das russische Militär noch nicht geäußert.