Wenn Sie etwas älter sind, dann werden sie bei „männliches Sexsymbol“ oder bei der Frage nach dem typischen „Frauenschwarm“ vielleicht an George Clooney denken. An Brad Pitt oder David Beckham. An Patrick Dempsey, Bradley Cooper oder Matthew McConaughey. Wenn Sie etwas jünger sind, kommt Ihnen vielleicht Ryan Gosling in den Sinn oder Adam Driver. Und wenn Sie sehr jung sind oder ältere Töchter haben, dann sind die natürlich mit Harry Styles oder Timothée Chalamet vertraut.
Und genau hier ist es passiert: Irgendwann sind die Männer, die als anziehend und gut aussehend gelten, weniger gut aussehend im klassischen, altbekannten Sinne geworden – und haben aus irgendeiner Art „Vibe“, einem bestimmten Look, einer bestimmten Ausstrahlung ihre Anziehung gewonnen. 2023 ging ein Post viral, in dem jemand konstatierte: Männer seien entweder gut aussehend auf die Art eines Adlers, eines Bären, eines Hundes oder eines Reptils.
Als Beispiele wurden je Ryan Gosling (Adler), Henry Cavill (Bär), Heath Ledger (Hund) und Timothée Chalamet (Reptil) angeführt und seitdem scheint es etabliert, die Anziehungskraft von Männern in Tier-Arten zu kategorisieren. Denn 2024 ist die Obsession um eine weitere Gattung ausgebrochen: das Nagetier. Also: Der Mann, dem ein Nagetier-Vibe zugeschrieben wird, der also irgendwie spitznasig, blass, dünn, schlaksig daherkommt und eher mausig herumhuscht, als bärig aufzutreten.
„Männer, die Abfall essen?“
Es ist aktuell auf X, auf TikTok, auf Instagram, in Magazinen vom „hot rodent summer“ die Rede („rodent“ ist das Nagetier), von der Obsession um die „hot rodent men“, die diesen Sommer prägen werden, das amerikanische Frühstücksfernsehen erklärt der Masse, was es damit auf sich hat, zahlreiche Artikel wie dieser versuchen dieses Phänomen zu erklären und können doch nur versuchen eine vage Faszination in Worte zu fassen.
„Was sind die Ratten-Männer?“, fragt etwa die „New York Times“, „Winzige Männer? Männer, die Abfall essen?“ NBC ruft einen „Hype“ um diese Männer aus, die als begehrenswerte, neue Sexsymbole gelten, während ihnen alles fehlt, was einst als männlich-sexy galt. Sie sind nicht kantig, nicht muskulös, nicht braun gebrannt, nicht verwegen-selbstbewusst. Sie stehen für ein Gegenbild zum starken und, na klar, toxischen, typischen Mann, sowohl äußerlich als auch von ihrer Ausstrahlung und ihren Interessen. Und das liebt die Generation Z.
Als Prototypen der rattigen Männer gelten: Josh O‘Connor und Mike Faist, die aktuell im Film „Challengers“ zu sehen sind (mit diesen beiden soll alles losgegangen sein), Barry Keoghan aus Saltburn , Marvel-Star Tom Hiddleston, Tom Holland, Jeremy Allen White aus der Serie „The Bear“ (ja, er zählt trotzdem als Nager), Formel-Eins-Pilot Lando Norris, na ja und so weiter. Ein älterer Rodent wäre übrigens Sean Penn.
Die optischen Gemeinsamkeiten zusammengefasst, bedeutet das: Der heiße Nagetiermann ist schlank, aber nicht muskulös trainiert, wobei er wahrscheinlich schon einen flachen, definierten Bauch hat. Der ist aber tendenziell zu dünn. Mund und Augen sind eher klein, das Haar irgendwie gewollt ungepflegt, kein Drei-Tage-Bart, wenn dann zarte Gesichtsbehaarung.
Aber genau das, dass sie eben nicht klassisch-konventionell handsome sind, macht ihre Anziehung aus, dass sie etwas mysteriös Ungreifbares haben, das man nicht definieren kann. Was übrigens am Ende doch wieder das klassische Bild vom unerreichbaren Mann bedient, aber wer will so kleinlich sein. Die Rodents sind keine nerdigen Außenseiter wie vielleicht Hamster oder Meerschweinchen, sie sind schon eher edgy und cool, aber eben auf die Ratten-Art, nicht auf die großer-schwarzer-Hund-Art.
Natürlich ist das alles nicht politisch korrekt. Überall auf der Welt wird es Männer geben, die nun rufen: „Was wäre denn los, wenn wir Frauen mit Ratten vergleichen würden!“ Männer haben Frauen natürlich in den vergangenen Jahrzehnten mit allerlei Wesen oder Dingen verglichen und dann war nichts los, 2024 gäbe es wahrscheinlich einen kleinen Aufruhr in einer Internetbubble, den es aber aktuell auch für die Männer gibt: Man dürfe Männer nicht mit Ratten gleichsetzen und außerdem – warum sind da keine schwarzen Männer dabei? Wobei sich die Argumentation hier vielleicht beißt: Ist es jetzt unfair, dass schwarze Männer nicht mit Ratten verglichen werden? Und wann werden wohl mal blasse Frauen mit kleinen Augen und spitzen Nasen als Sexsymbol gelten?
Es ist kompliziert, wie immer, wenn es um Männer, Frauen, Attraktivität geht und das, was alle aneinander anziehend finden. Vielleicht erwartet uns ein Golden-Retriever-Herbst.