Sprechen wir’s aus: Der Sommer hat seine Unschuld verloren. Vorbei die Zeit, in der man noch arglos einen Blick in die Wetter-App werfen konnte, ohne sich im Angesicht der aufgereihten Sonnenpiktogramme reflexhaft zu fragen: Darf das denn so warm sein? Wäre etwas kälter nicht etwas besser? So ungefähr 1,5 Grad weniger ginge doch auch. Aber mit welchen Gefühlen auch immer man diesen Sommer begeht – mit zunehmender Hitze stellt sich die zunehmend schwer zu beantwortende Frage: Was ziehe ich an?
Während sich Frauen und weiblich gelesene Personen als Antwort darauf einfach eines ihrer leichten Sommerkleider überwerfen, um damit über jegliche Erwärmung erhaben geradewegs in die stilistische Immunität zu radeln, breitet sich vor jenen Männern, die noch nicht zum Kleid gefunden haben, jedes Jahr aufs Neue das große, verminte Feld der männlichen Sommermode aus. „Wie komm’ ich da nur durch?“, hört man sich bald leise wimmern, und schon macht man sich mit gequälter Mine auf, in der schwachen Hoffnung, bei Peek und Cloppenburg irgendeine Lösung zu finden. Doch hier ist die gute Nachricht: Mit den richtigen Überlegungen kann es auch dem Mann gelingen, durch diese herausforderndste Mode-Zeit des Jahres zu kommen. Denn es gibt sie, die sicheren Bänke für ihn.
Eine gute Möglichkeit, etwas gegen Hitze und Stillosigkeit zu tun, bietet etwa der Sommerhut. Das Accessoire für den wahrlichen Lebemann, der es auch bei höchsten Temperaturen vorzieht, sein Ding zu machen, sich nicht von der Sonne unter Baldachine und Schirme jagen lässt, der stattdessen den Schatten einfach selbst mitbringt – was könnte unter traditionellen Gesichtspunkten männlicher sein? Moment mal: Brötchen holen und die Kinder in die Kita bringen – mit einem Hut? Reden wir hier nicht eigentlich über Schneckenessen an der Côte d’Azur, einem eisgekühlten Heineken mitten in Havanna oder Spaziergängen über die sizilianische Masseria?
Tatsächlich scheint vielen Männern der Hut die völlige Überstrapazierung des eigenen, modischen Resonanzraums zu sein. Man traut ihn sich schlicht nicht zu. Und ja, die Sorge ist erst mal nachvollziehbar. Bei naher Betrachtung aber wird deutlich, dass die geografische und soziokulturelle Zuweisung selbstverständlich konstruiert ist. Ein Hut hilft nun mal gegen die Hitze. Wo also Hitze ist, dürfen Hüte sein. Und deshalb steht dem Sommerhut von Recklinghausen bis Rügen erst mal nichts im Wege. Alles, was es dazu braucht, ist ein bisschen Mut, in diesem Jahr mal etwas anderes auszuprobieren, die Entspanntheit, sich nicht sofort an den ganz großen Hutträgern wie Hemingway und Bogart messen zu lassen und das Fingerspitzengefühl zu erspüren, wann der Hut vielleicht doch nicht ganz ins Umfeld passt – vor Gericht sollte man wahrscheinlich wirklich dezenter erscheinen. In jedem Fall braucht es natürlich: das richtige Modell.
Um bei der großen Auswahl auf dem Markt schnell fündig zu werden, sollte man zum Start in den Hut-Sommer am besten auf einen Panamahut setzen – so der modetheoretisch korrekte und deutlich assoziationsreichere Begriff für den dann doch zu oft das Bild einer Vogelscheuche auslösenden Strohhut. Wer es dabei lieber amerikanisch potent mag, greift zu einem Exemplar des Hut-Giganten Stetson, für mehr europäisches Flair und südländische Leichtigkeit ist ein Borsalino mit blauer Krempe die ideale Wahl; am oberen Ende der Spanischen Treppe in Rom führt eine Seitenstraße nach rechts zu einer kleinen Boutique der italienischen Traditionsmarke – hier wird die Anschaffung zu einem Life-changing-moment. Kleiner Service-Tipp.
Dann könnte es theoretisch losgehen, das Sommerleben mit Hut. Aber natürlich ist auch beim Tragen eines Panamahuts – wie beim Hantieren mit Stilklassikern üblich – eine gewisse Vorsicht geboten. Falsch kombiniert, führt er schneller in die Stilhölle, als das Thermometer in diesem Jahr auf 30 Grad schnellen kann. Unbedingt vermieden werden muss etwa die Kombination mit schlechten Turnschauen und Motiv-T-Shirts. Hier ist der Weg zum Mallorca-Touristen gruselig kurz – wer dann noch eine Dreivierteljeans aus dem toten Winkel seines Kleiderschranks zerrt, kann eigentlich gleich auf einen Junggesellenabschied gehen.
Auch besteht die Gefahr, dass mit Vollbart, Rucksack und Sandale getragen, der Sommerhut aus dem Tragenden einen Studienrat auf Bildungsreise macht, was im Grunde nur dann etwas lästig sein kann, wenn man keiner ist. Zusammen mit Feinripp-Wifebeater und ausgetretenen Chucks führt einen der Panamahut wiederum in die Aufstellung einer Ska-Band – allerdings mit etwa 20 Jahren stilistischer Verspätung. Die Wahrheit ist: Am unverfänglichsten trägt man seinen Sommerhut zu einem extrem leichten Leinenhemd, gerne etwas weiter aufgeknöpft und sehr gerne in Hellblau. Dazu eine luftige Leinenhose, die lässig am Bein weht – und darunter den Blick auf ein paar schöne Loafer oder eine geschmackvolle Ledersandale freigibt.
Ja, die Sache mit der Hitze in diesem Jahr ist komplex. Sich darin als Mann stilvoll zu bewegen, kann dagegen einfach sein.