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  4. Stadtflucht: Vom Spitzenkoch zum Gärtner. Besuch bei Sebastian Leyer

Essen & Trinken Neues Leben auf dem Land

Wenn der Spitzenkoch zum Gärtner wird

Der Handarbeiter: Sebastian Leyer beliefert die Spitzengastronomie mit frischem Gemüse Der Handarbeiter: Sebastian Leyer beliefert die Spitzengastronomie mit frischem Gemüse
Der Handarbeiter: Sebastian Leyer beliefert die Spitzengastronomie mit frischem Gemüse
Quelle: Thomas Koy
Sebastian Leyer hat in angesagten Berliner Restaurants gekocht. Nun beliefert er sie mit Obst und Gemüse, das er selbst anbaut. Und damit ist er nicht allein. Doch wie idyllisch ist das Landleben tatsächlich?
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Das Leben auf dem Land verspricht Ruhe, Naturverbundenheit und Stabilität. Dass Menschen aus der Stadt davon träumen, ist nicht neu, doch die Sehnsucht nach ländlicher Idylle hat sich durch die Erfahrungen der Pandemie spürbar vergrößert. Das mobile Arbeiten und die damit verbundene Unabhängigkeit haben das Landleben für viele Menschen zur erstrebenswerten Alternative gemacht. Jüngeren Erhebungen zufolge hat jeder dritte Großstädter in Deutschland schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht, aufs Land zu ziehen.

Das Leben auf dem Land wird moderner und vielfältiger. Trendforscher sprechen schon von einem Comeback des Dorfes. Während die Stadtmüden früherer Jahrzehnte vorrangig die Abgeschiedenheit suchten, muss ein Umzug in die Provinz heute längst nicht mehr mit einer Abkehr von der gewohnten Lebensweise einhergehen. In einer kleinen Reihe stellen wir Menschen vor, die den Schritt aufs Land gewagt haben – um beruflich neue Wege zu gehen, um zur Ruhe zu kommen oder einfach nur, um einen Reitplatz in der Nähe zu haben. Nicht immer lief alles so wie geplant, aber bereut hat es bislang keiner. Lesen Sie hier die Geschichte des ehemaligen Spitzenkochs Sebastian Leyer, der in 17 Jahren in der gehobenen Gastronomie nie so hart hat arbeiten müssen, wie in seinem ersten Jahr als Gemüsebauer – und dennoch nie glücklicher war.

In seinem früheren Berufsleben bekam Sebastian Leyer kaum etwas vom Wetter mit. Damals stand er meistens von morgens bis abends in Küchen ohne Fenster. Inzwischen steht er in seinen eigenen Beeten. Eine erfüllende Tätigkeit, auch wenn er die Natur und das Wetter dadurch sehr unmittelbar zu spüren bekommt, was seinen Plänen gelegentlich einen Strich durch die Rechnung macht.

Das Wetter im vergangenen Jahr: zu kalt, zu nass, zu wenig Sonne. „Für die Natur war Regen gut, für die Landwirtschaft schlecht“, sagt Leyer. Der 34-Jährige hat die Seiten gewechselt, vom Herd ins Beet, vom Spitzenkoch zum Gärtner. Seit etwas mehr als einem Jahr lebt er in der Uckermark, eineinhalb Autostunden von Berlin entfernt, in einem Ort namens Groß Väter, der zu Groß Dölln gehört, das wiederum zu Templin gehört. Es ist der Versuch, ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen, mit langen Spaziergängen, mit in Schraubgläsern fermentiertem Rotkohlkimchi und säckeweise Kartoffeln aus eigenem Anbau.

Hortus Tayta, so heißt dieses Projekt nachhaltiger Landwirtschaft. Hortus, lateinisch für Garten, Tayta, eine ans Vietnamesische angelehnte Wortschöpfung, die auf das Zusammenwirken von Ost und West anspielt. „Schwer zu erklären“, entschuldigt sich Leyer. Seine Lebens- und Geschäftspartnerin Phuong Anh Tran stammt aus Vietnam. „Bim, wie ihr Spitzname lautet, ist der kreative Kopf, zuständig für die Anbaupläne, ich bin Umsetzer und Verkäufer.“ Auf 1800 Quadratmetern baut das Paar Obst und Gemüse an – eine Kreislaufwirtschaft ganz ohne Monokulturen, Pestizide und Unkrautvernichter. Permakultur nennt sich das, und den Unterschied schmecke man, so der ehemalige Koch.

Geschmackvoll: Tomaten aus Sebastian Leyers Gewächshaus
Geschmackvoll: Tomaten aus Sebastian Leyers Gewächshaus
Quelle: Thomas Koy

Seine Kunden scheinen es zu mögen. Hortus Tayta beliefert mit seinem tagesfrischen Gemüse angesagte Hauptstadtrestaurants wie das vegetarische Soulfood-Bistro „Bon Vivant“ und das auf die erste Mahlzeit des Tages spezialisierte „Frühstück 3000“. Das „Nobelhart & Schmutzig“, Rundumverwerter von Zutaten aus der Region, bestellt dort ebenso wie das „Kin Dee“ der thailändischen Sterneköchin Dalad Kambhu.

Das sind Kunden, die nicht nur die Preise im Blick haben, sondern vor allem die Qualität der Produkte. Einige der Restaurants werben auf ihren Speisekarten mit den regionalen Lieferanten. Und: Auch Privatpersonen kaufen ihre Biokisten bei Leyer. In den vergangenen Wochen gab der Garten nicht viel her, daher ist Lieferpause. Die letzte große Ernte war im November, da holte der Neugärtner Karotten, Rote Bete, Grünkohl, Palmkohl und Asia-Salate aus der Erde. Jetzt im März beginnt die Aufzucht, ab Mai kann geerntet werden.

Auch sie zog es aufs Land

Nicht nur Sebastian Leyer entdeckt gerade das Potenzial der Brandenburger Bodenschätze für sich. Auch andere Berliner Köchinnen und Köche verwenden regionale Erzeugnisse, die sie mitunter sogar selbst anbauen. Da ist das „Michelberger“, ein gemüsefokussiertes Casual-Fine-Dining-Restaurant. Im „Michelberger“-Garten im Spreewald werden bald die ersten Radieschen wachsen, später im Jahr wilder Knoblauch, Meerrettich und Sauerampfer. Oder das „Nanum“, wo Jinok Kim-Eicken eine elegante Version der koreanischen Küche präsentiert. Ohne ihren im Potsdamer Stadtteil Sacrow gelegenen Garten, sagt sie, gäbe es ihr Restaurant nicht. „Erst durch die Fermentation von dem, was ich dort ernte, kam mir die Idee einer naturverbundenen, überwiegend vegetarischen Küche. Momentan sammle ich den bärlauchartigen Wunderlauch und ziehe wilden Sesam vor. Aus dessen Keimen wachsen üppige Pflanzen, deren Blätter ich den ganzen Sommer über ernte.“

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Im Gegensatz zu Micks und Kim-Eicken, die hauptsächlich kochen, wirkt Leyers Schritt radikal: der Garten als Vollzeitjob. Damit folgt er einem in Deutschland weitverbreiteten Traum: mehr Platz, bessere Luft und Nachbarn, die nicht ständig aufs Handy schauen, sondern einander ins Gesicht. Der 34-Jährige ist selbst auf dem Land aufgewachsen, in der Nähe von Potsdam. Man hört das: Seine Herkunft äußert sich etwa durch ein jungenhaftes „Jetze“. Mit 24 zog es ihn nach Berlin, um dort Koch zu werden und nicht, wie sein Vater hoffte, Polizist. Im Grunde, sagt er, stand das schon fest, nachdem er in einem Landgasthof ein Schülerpraktikum gemacht hatte, das ihm so gut gefiel, dass er es auf die kompletten Sommerferien ausdehnte. 2015 kam er, nach mehreren Stationen, ins Berliner Nobelrestaurant „Pauly Saal“. Dort wurde er erst Souschef und stieg dann zum Küchenchef auf. Im Januar 2020 übernahm er die Küchenleitung des „Le Faubourg“, des Hotelrestaurants des „Sofitel“ am Ku’damm.

Was der Garten so hergibt
Was der Garten so hergibt
Quelle: Thomas Koy

Dann kam Corona, und Leyer beschloss, sein Leben zu ändern. Im März 2020 kaufte er schließlich mit seiner Lebenspartnerin jenen Dreiseithof in der Uckermark, auf dem nun seine Gärtnerei steht. Anfangs war es nur ein Liebhaberprojekt, doch schnell merkte er, dass ihm das Land besser tat als die Stadt. Die Insolvenz des „Sofitel“ tat ihr Übriges.

In der Saison ist er an zwei Tagen in der Woche in Berlin, um Waren auszuliefern. Die restliche Zeit nimmt ihn der Garten in Beschlag. Seine Arbeitstage sind lang, eine Pause macht er nur fürs Mittagessen, das er selbst zubereitet, im Sommer oft Salate, im Winter Eintöpfe und Eingelegtes. „Wir essen wie die Könige“, sagt Leyer. Und dass er nie so hart gearbeitet habe wie im ersten Jahr als Gemüsebauer, was etwas heißen will nach 17 Jahren in der gehobenen Gastronomie. „Jeden Morgen schaue ich, was über Nacht passiert ist. Wie stark waren die Temperaturschwankungen, gibt es Ungeziefer, muss gejätet, gepflanzt, ausgedünnt werden? Ich erledige alle Arbeiten in den 15 Beeten per Hand, das dauert!“

Was macht die Faszination aus?

Noch sind es nur 1800 Quadratmeter, die Leyer und Tran bewirtschaften. Pläne für die Zukunft gibt es reichlich. Im vergangenen Jahr hat sich das Paar im Sizilienurlaub verschiedene Agriturismi angesehen, wie die an ökologische Bauernhöfe angeschlossenen Unterkünfte genannt werden. Ihr Plan für den eigenen Hof: ein großes Ferienhaus, inklusive Speisesaal und Tagungsraum für Yoga-Retreats oder Kochkurse.

In Groß Väter sind sie die Neuen aus der Stadt, die Kohlweißlinge von Hand aufsammeln, Brennnesseljauche ausbringen und konsequent von Nützlingen statt Schädlingen sprechen. Und das in einer Sandbodenregion, die in Sachen Ertragsarmut ihresgleichen sucht. Wobei die Uckermärker derlei jenseits der bisherigen Norm agierende Neubewohner gewöhnt sein dürften. Der Brandenburger Landkreis ist kein Geheimtipp mehr, viele Berliner suchen dort nach Wochenenddomizilen. Andere ziehen gleich ganz raus – um auf dem Land wieder auf Berliner zu treffen. Schwierigkeiten mit den Nachbarn gibt es Leyer zufolge aber keine: „Unser Tor steht immer offen.“ Für Nachbarschaftshilfe bezahle er am liebsten mit Gemüse, sagt er und fügt hinzu: „Wenn du keine drei Meter hohe Hecke um dein Haus ziehst, klappt es super.“

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